Schwächeanfall eines "EHS" als Arbeitsunfall anerkannt (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Montag, 05.11.2018, 19:10 (vor 2239 Tagen)

In Frankreich hat ein Schiedsgericht für Streitfragen im Sozialversicherungswesen den Schwächeanfall eines "elektrosensiblen" Kundendienstmitarbeiters während der Arbeit als Arbeitsunfall anerkannt. Es verurteilte am 27. September 2018 die Krankenkasse des Mannes zur Zahlung von 1600 Euro Entschädigung und zur Erstattung von 2000 Euro Prozesskosten. Laut Anwalt des Klägers ist es das erste mal, dass in Frankreich ein Arbeitsunfall erfolgreich mit "Elektrosensibilität" in Verbindung gebracht werden konnte.

Der Mann, Mitarbeiter eines Unternehmens der Telekommunikation, erlitt den Schwächeanfall am 6. November 2013 angeblich unter der Einwirkung elektromagnetischer Felder. Zuvor war der Techniker, der sich für "elektrosensibel" hält, bei der Arbeitssicherheit seines Unternehmens vorstellig geworden. Vorschläge der Arbeitssicherheit, den Mann auf einen weniger exponierten Arbeitsplatz zu versetzen, wurden jedoch nicht befolgt.

Das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung darauf, dass a) eine betriebsfremde Ursache des Schwächeanfalls nicht erkennbar sei und b) ein medizinisches Gutachten vorläge, dass die Symptome des Mannes mit einer Überempfindlichkeit gegen elektromagnetische Wellen erkläre. Verworfen wurde ein zweites medizinisches Gutachten, dass dem Mitarbeiter eine Angststörung gegenüber EMF bescheinigt.

In Frankreich hat die Gerichtsentscheidung ein lebhaftes Medienecho ausgelöst, praktisch alle Berichte beruhen auf einer Meldung der französischen Nachrichtenagentur AFP (10. Oktober), die ihrerseits vom Anwalt des Klägers informiert wurde. Da François Lafforgue zugleich Anwalt des Anti-Mobilfunk-Vereins Priartem ist, sollte die AFP-Meldung und ihre Klone zurückhaltend aufgenommen werden. Unabhängige Bestätigungen der Meldung konnte ich nicht ausfindig machen, der Prozessgegner schweigt und auch das Urteil des Gerichts (tribunal des affaires de sécurité sociale; Tass) ist heute im www für mich unauffindbar gewesen.

Der Verein für Elektrosensible, München, wies zuerst auf das Urteil in Frankreich hin.

Quellen
- Yvelines: un homme reconnu victime d'accident du travail en raison de son électrosensibilité
- Electrosensibilité : un homme reconnu victime d'accident du travail pour la première fois
- L'électrosensibilité reconnue pour la première fois comme accident du travail

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Schwächeanfall eines "EHS" als Arbeitsunfall anerkannt

KlaKla, Dienstag, 06.11.2018, 08:06 (vor 2239 Tagen) @ H. Lamarr

Der Mann, Mitarbeiter eines Unternehmens der Telekommunikation, erlitt den Schwächeanfall am 6. November 2013 angeblich unter der Einwirkung elektromagnetischer Felder. Zuvor war der Techniker, der sich für "elektrosensibel" hält, bei der Arbeitssicherheit seines Unternehmens vorstellig geworden. Vorschläge der Arbeitssicherheit, den Mann auf einen weniger exponierten Arbeitsplatz zu versetzen, wurden jedoch nicht befolgt.

Das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung darauf, dass a) eine betriebsfremde Ursache des Schwächeanfalls nicht erkennbar sei und b) ein medizinisches Gutachten vorläge, dass die Symptome des Mannes mit einer Überempfindlichkeit gegen elektromagnetische Wellen erkläre...

Kommentar: Und das medizinische Gutachten ist von Dominique Belpomme? :clap:

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Meine Meinungsäußerung

Schlau eingefädelte PR-Aktion für den Anwalt und Priartem

H. Lamarr @, München, Dienstag, 06.11.2018, 10:11 (vor 2239 Tagen) @ KlaKla

Kommentar: Und das medizinische Gutachten ist von Dominique Belpomme? :clap:

Könnte gut sein und wäre eine plausible Erklärung für die sonderbare Urteilsfindung. Es wäre aber auch nicht schwierig gewesen einen anderen Arzt zu finden, der einem "Elektrosensibilität" bescheinigt, in Oberammergau war es z.B. im Fall der Suzanne S. ein Orthopäde, der glaubte, attestieren zu können. Da heißt es dann vernebelnd Dr. med. XYZ habe EHS bescheinigt, die total abwegige Fachrichtung des Arztes wird verschwiegen – und schon schnappt die Falle zu.

Das ist der Nachteil von satzfertig bei Redaktionen eintrudelnden Agenturmeldungen, die machen keine Mühe, man hat schnell professionell getexteten Content – an Hintergrundinformationen kommt man jedoch nicht heran. Zu versuchen, sich bei Priartem schlau zu machen, wie angeboten, wäre den Bock zum Gärtner zu machen.

Ich bin sicher, an der AFP-Meldung ist einiges faul, vermutlich wird sie schnell in der Versenkung verschwinden und die Hintergründe des Falls werden nie aufgedeckt. Etwa warum dem einen Gutachten mehr Glauben geschenkt wurde als dem anderen, unter welchen Umständen der Betroffene den Schwächeanfall erlitt oder wie es um die Rechtsgültigkeit des Gerichtsentscheids steht. Dubios ist allein schon der Umstand, dass von vielleicht jährlich 50'000 Streitfällen im Sozialrecht ausgerechnet der eigentlich bedeutungslose Einzelfall eines "Elektrosensiblen" von AFP hochgespielt wird. Jede Wette, da sind die nicht selbst drauf gekommen, sondern wurden vom Anwalt des Klägers oder von Priartem inspiriert, mit "Elektrosensibilität" (Nessie) als Köder. Aus meiner Sicht ist das Ganze eine schlau eingefädelte virale PR-Aktion für den Anwalt und Priartem. Solange das (anonymisierte) Urteil nicht publik wird, werde ich diese Sicht wohl behalten.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Werbung, Anwalt, Agenturmeldung, Priartem

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