Zitatfälschung: Hans-U. Jakob vs. Dr. Eugen Fischer (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 27.10.2018, 13:00 (vor 2249 Tagen)

Hans-U. Jakob behauptet:

Mit dem falschen Gerät zur falschen Zeit am falschen Ort messen, sei kein wissenschaftlicher Betrug, sagte der Basler Rechtsgelehrte und ehemaliger Obergerichtspräsident, sondern wissenschaftliche Freiheit.

Mit "Basler Rechtsgelehrte und ehemaliger Obergerichtspräsident" ist Dr. Eugen Fischer gemeint.

Was Jakob behauptet hat Dr. Fischer freilich nie gesagt. Der Gigaherz-Präsident widerlegt sich freundlicherweise an dieser Stelle gleich selbst, indem er u.a. zitiert, was Dr. Fischer tatsächlich gesagt hat:

Das gewählte Messverfahren, unterliege der wissenschaftlichen Freiheit, in welche sich der Staat nicht einzumischen habe.
Das schönste Zitat lautet: „Diese Freiheit kann auch beanspruchen, wer in seinen wissenschaftlichen Publikationen Thesen vertritt, die diskutabel oder anfechtbar sind. Nur dort wo wissentlich und willentlich Falschangaben in eine wissenschaftliche Arbeit einfliessen, bleibt Raum für ein behördliches Einschreiten wegen Fehlverhaltens in der Wissenschaft.“ Ende Zitat
Und bei gegenläufigen Gutachtermeinungen sei es dem Richter freigestellt, welches Gutachten er als das richtige beiziehe.

Oder in die Nicht-Juristensprache übersetzt: Mit dem falschen Gerät am falschen Ort, zur falschen Zeit messen ist weder wissenschaftliches Fehlverhalten, noch wissenschaftlicher Betrug, sondern wissenschaftliche Freiheit. Wer den Schwindel nicht bemerkt, ist selber schuld.

Jakob verbreitet nur seine dumme Interpretation einer Äußerung Fischers, die in Einklang steht mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) aus dem Jahr 1998. Damals erstritt in einem Schulstreit über "wissenschaftliche Freiheiten" der Schweizer Dr. Hans-U. Hertel das Recht, öffentlich Stuss behaupten zu dürfen. Der EGMR räumte dem Recht auf freie Meinungsäußerung höhere Priorität ein gegenüber dem Schutz wirtschaftlicher Interessen vor fragwürdigen Behauptungen.

Eine demokratische Gesellschaft muss öffentlich vorgetragenen Stuss aushalten können. Scharen von Scharlatanen, Schwätzern und Geschäftemachern surfen seither diese Welle ganz ungeniert in dem Wissen, der EGMR steht schützend hinter ihnen. Auch Gigaherz-Jakob strapaziert dieses Recht über alle Maßen. Europäische Gerichte sind gehalten, sich an Entscheidungen des EGMR zu orientieren. Dr. Fischer hatte dies im Kopf, Jakob nicht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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