Wahlprogramm der AfD Bayern (Allgemein)

KlaKla, Samstag, 01.09.2018, 08:39 (vor 2305 Tagen)

Allgemeinplätze, Geld für Heilpraktiker und Angst vor Mobilfunk: Gesundheitspolitik im Wahlprogramm der AfD Bayern

von Joseph Kuhn

Auszug: 8.8. Das Berufsbild des Heilpraktikers erhalten und mehr Selbstbestimmung bei der Therapiewahl ermöglichen
Als Dienstleister im Gesundheitswesen bietet der Heilpraktiker gerade im ambulanten Bereich eine wertvolle Ergänzung zur schulmedizinischen Versorgung und trägt dadurch zum Erhalt der natur- und erfahrungsheilkundlichen Therapievielfalt bei. Die AfD Bayern setzt sich dafür ein, dass das in Deutschland tief verwurzelte Berufsbild des Heilpraktikers erhalten bleibt. Für mehr Selbstbestimmung bei der Therapiewahl sollen die gesetzlichen Krankenkassen ähnlich den privaten Krankenkassen die Kosten solcher Therapien anteilig übernehmen können.“ ...

Punkt 8.12. hebt darauf ab, man müsse die Risiken des neuen Mobilfunkstandards 5G vor seinem flächendeckenden Ausbau wissenschaftlich neutral untersuchen. Von mir aus kann man da noch ein paar Studien machen, aber warum steht ein solcher Punkt gleichgewichtig neben der Versorgung im ländlichen Raum oder dem Ausbau der Pflege? Hat da ein Funktionär Angst vor Mobilfunk? Oder hat die AfD einfach kein Gefühl dafür, was wichtig ist, weil ihr reicht, was sich zur populistischen Mobilisierung nutzen lässt? Da geht Mobilfunk immer. Die Gentechnik hatten sie ja früher auch schon.

Homöopathie im Nationalsozialismus
Vor 70 Jahren: Deutsches Heilpraktiker-Gesetz tritt in Kraft
Heilpraktiker: Produkt der NS-Zeit

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Meine Meinungsäußerung

Tags:
Diagnose-Funk, Parawissenschaft, Wahlkampf, Populismus, Heilpraktiker, 5G-Appell, Wahlprogramm, AfD

www.der-zuwanderer-muss-weg.de

H. Lamarr @, München, Samstag, 01.09.2018, 13:22 (vor 2304 Tagen) @ KlaKla

Punkt 8.12. hebt darauf ab, man müsse die Risiken des neuen Mobilfunkstandards 5G vor seinem flächendeckenden Ausbau wissenschaftlich neutral untersuchen.

Wie niedlich, die AfD Bayern wirbt 2018 mit dem ehemaligen SPD-Motto "Wir sind breit".

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Bild: Titanic

Im Wahlprogramm der Partei taucht der Begriff 5G in drei Programmpunkten auf:

8.12. Risiken des neuen Mobilfunkstandards 5G vor seinem flächendeckenden Ausbau wissenschaftlich neutral untersuchen

Bezugnehmend auf einen Appell von mehr als 160 Wissenschaftlern und Ärzten aus 36 Ländern, gerichtet an die EU im September 2017, setzen wir uns dafür ein, dass vor dem Ausbau der Mobilfunknetze mit der neuen Technologie 5G eine Abklärung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch staatliche, industrieunabhängige Forschung erfolgt.

10.5. Breitbandausbau – nicht reden, sondern Gigabit

[...] Unsere Ziele bis 2023: alle öffentlichen Einrichtungen und mittelständische Unternehmen mit Glasfaser versorgt, Breitbandgrundversorgung für alle Bürger – auch im ländlichen Raum, weitgehende 5G-Mobilfunkversorgung in der Fläche. Wo notwendig, muss auch der Freistaat selbst in die Verantwortung gehen. Wir wollen in ausgewählten Städten (z. B. Hof, Weiden, Passau, Kempten) schnellstmöglich mit dem Ausbau eines Gigabit-Netzes beginnen. An belebten Plätzen in ganz Bayern soll kostenloses, öffentliches WLAN zum Standard werden.

13.5. Autonomes Fahren – Weltmarktführer Bayern, wenn wir jetzt handeln

[...] Insbesondere will die AfD dabei das 5G-Mobilfunknetz in Bayern fördern. [...]

Ich meine die Widersprüchlichkeit, einerseits 5G (und öffentliches W-Lan) mit Macht fördern zu wollen, zugleich aber die absurden 5G-Bedenken organisierter Mobilfunkgegner aufzugreifen, ist ein schönes Beispiel für Populismus. Unverständliche Positionen zum Breitbandausbau hatte die AfD bereits 2017 anlässlich der Bundestagswahl im Programm, neu ist mit Blick auf 5G jetzt nur die Position 8.12. Irgendein nach Aufregern angelnder AfD-Funktionär muss sie ins Wahlprogramm der AfD Bayern aufgenommen haben und auf dem AfD-Parteitag Anfang Juni 2018 in Nürnberg wurde diese Peinlichkeit dann auch noch beschlossen. Peinlichkeit deshalb, weil sich die AfD damit öffentlich als inkompetent outet in Sachfragen der Mobilfunkversorgung. Nach ödp, Grüne, Freie Wähler und die Linke versucht sich jetzt also die AfD am Thema Mobilfunkkritik.

Warum ich von dem 5G-Appell einiger wissenschaftlicher Außenseiter, Pseudowissenschaftler und der üblichen Trittbrettfahrer nichts halte, ist <hier> ausführlich begründet. Warum die AfD nicht imstande ist, wenigstens die Anzahl der Appellanten (es waren mehr als 180) richtig abzuschreiben, lässt sich nirgendwo nachlesen. Und weil der 5G-Start hierzulande für 2020 angekündigt ist, gerät die AfD schon wieder in die Klemme: Wie soll in nur rund 1,5 Jahren "eine Abklärung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch staatliche, industrieunabhängige Forschung" erfolgen? Allein das 2002 aufgelegte Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm hatte schon eine Laufzeit von sechs Jahren, bis alle Ergebnisse vorlagen. Ein weiteres typisches Zeichen für Überforderung ist der ebenso populistische wie naive Ruf nach "staatlicher industrieunabhängiger" Forschung. Wie sollte die denn genau vonstatten gehen, wenn der Pool an kompetenten Bioelektromagnetikern so begrenzt ist, dass "der Staat" zur Erfüllung dieser Forderung auf hochbetagte Rentner oder Pseudowissenschaftler aus dem Dunstkreis organisierter Mobilfunkgegner zurückgreifen müsste?

Die Wirkung von Funkwellen auf Organismen ist gut erforscht und es besteht bis auf Weiteres kein Grund zu glauben, die 5G-Technik hätte andere biologische Wirkmechanismen als 2G, 3G oder 4G. Dies wird sich erst ändern, wenn irgendwann einmal ganz andere Trägerfrequenzen jenseits von sagen wir mal 20 GHz oder 30 GHz zur Anwendung kommen werden. Doch 5G startet zunächst auf Frequenzen < 10 GHz und muss deshalb nicht neu erforscht werden. Wer dies dennoch fordert, wie jetzt die AfD Bayern, fischt in den trüben Gewässern dubioser Alternativmedziner und Pseudowissenschaftler, die der fixen Geschäftsidee nachhängen, nicht die Trägerfrequenz sei mit maßgebend für biologische Wirkungen eines HF-Signals, sondern die dem Träger aufmodulierte "Information". In Esoterikkreisen wird die "Informationsmedizin" ernst genommen, außerhalb wird sie als das gesehen was sie ist: Hokuspokus.

Hintergrund
5G-Verteufelung ist in Österreich angekommen

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Fehlinterpretation, Trittbrettfahrer, Außenseiter, NTP-Studie, 5G-Appell, Wyde

Wireless-Kabel: Was kommt als nächstes? Intelligente AfDler?

KlaKla, Samstag, 01.09.2018, 16:33 (vor 2304 Tagen) @ H. Lamarr

Bezugnehmend auf einen Appell von mehr als 160 Wissenschaftlern und Ärzten aus 36 Ländern, gerichtet an die EU im September 2017, setzen wir uns dafür ein, dass vor dem Ausbau der Mobilfunknetze mit der neuen Technologie 5G eine Abklärung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch staatliche, industrieunabhängige Forschung erfolgt.

Warum ich von dem 5G-Appell einiger wissenschaftlicher Außenseiter, Pseudowissenschaftler und der üblichen Trittbrettfahrer nichts halte, ist <hier> ausführlich begründet. Warum die AfD nicht imstande ist, wenigstens die Anzahl der Appellanten (es waren mehr als 180) richtig abzuschreiben, lässt sich nirgendwo nachlesen.

Nun ja, den bereitgestellten Köder haben sie gefressen. Die Blindgänger ausgespuckt. So könnten sie auf 160 statt 180 Wissenschaftler - Mediziner gekommen sein. :wink:

Den Tweet von AfD-Politikerin Beatrix von Storch scheinst du nicht zu kennen. Im Mai freute sie sich über die neuen WLAN-Kabel im Bundestag.

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Meine Meinungsäußerung

Jakob fütterte über Sickerwege PDS mit Schwachsinn

H. Lamarr @, München, Sonntag, 02.09.2018, 14:17 (vor 2303 Tagen) @ H. Lamarr

8.12. Risiken des neuen Mobilfunkstandards 5G vor seinem flächendeckenden Ausbau wissenschaftlich neutral untersuchen

Die AfD ist nicht die einzige politische Partei, die sich von Blödeleien aus dem Lager organisierter Mobilfunkgegner inspirieren lässt. Die Linken sind da keinen Deut besser als die Rechten.

Schon 2001 gelang Gigaherz-Präsident Hans-U. Jakob ein ähnlicher Coup. Der Fakenews-Generator aus Schwarzenburg behauptete damals als erster und einziger, ohne auch nur einen einzigen Beleg beizubringen, ICNIRP gäbe sich als "Unterorganisation" der WHO aus. Ich habe dies nachgeprüft, ICNIRP hat sich zu keiner Zeit als "Unterorganisation" der WHO ausgegeben, im Gegenteil, es war Jakob selbst, der dieses Gerücht ab 2000 verbreitete! So behauptet er 2000 in einer Petition an die Uno "Die WHO nennt sich Weltgesundheitsorganisation. Die ICNIRP ist eine Unterorganisation der WHO, zuständig für alle radiofrequenten Strahlungsarten ...". Doch die Uno wollte Jakobs Petition nicht entgegen nehmen und schob sie der WHO zu. Nach mehreren Nachfragen drückte schließlich ein genervter Sachbearbeiter bei der WHO sein Befremden über die Petition aus und berichtigte nebenbei Jakob, ICNIRP sei weder eine "Unterorganisation" der Uno noch der WHO. Jakob veröffentlichte diese Antwort eilends und feiert sich seitdem gerne als derjenige, der ICNIRP einer Art Amtsanmaßung überführt habe. Dabei hatte der WHO-Mitarbeiter nur eine Unterstellung Jakobs berichtigt!

Das muss man sich mal vorstellen: Jakob, intellektuell nicht in der ersten Reihe, setzt eine Fakenews in die Welt, lässt sich von der WHO bestätigen, dass es eine Fakenews ist und feiert anschließend begeistert seinen eigenen Zirkelschluss als Welterfolg.

Nun sollte man meinen, dass dieser Schwachsinn offensichtlich ist und sich deshalb nicht weiter ausbreiten konnte. Doch weit gefehlt. Am 27. November 2001, damals gab es die AfD noch gar nicht, griff die PDS beherzt zu. In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung, Thema war ICNIRP, fragten die Abgeordneten Gerhard Jüttemann und Eva-Maria Bulling-Schröter sowie die Fraktion der PDS unter anderem:

Ist die ICNIRP eine Unterorganisation der UNO, der WHO oder einer anderen internationalen Organisation?

Diese dumme Anfrage hätte es nicht geben dürfen! Sie macht einen erschreckenden Dilettantismus in der Informationsbeschaffung und -auswertung der PDS deutlich. Vielleicht liegt darin einer der Gründe, warum es diese Partei aus der Konkursmasse der DDR heute nicht mehr gibt.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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