Ulrich Warnke: Wie das Internet alte Sünden aufdeckt (Allgemein)
Bereits 1999 publizierte Ulrich Warnke in "CO'Med" einem Fachmagazin für Komplementärmedizin über angebliche Risiken des Mobilfunks. Titel: "Gefährdung durch elektromagnetische Felder? Der aktuelle Stand der Diskussion". Das Original des Artikels ist verschüttet, die Bürgerwelle aber hortet noch ein Copy-Paste-Exemplar.
Es ist ganz nett zu lesen, was Wanke vor bald 20 Jahren alles an Risiken benannte, er bemühte sich seinerzeit sogar um eine einigermaßen objektive Bewertung derselben.
Am Ende seines Beitrags geriet er jedoch schwer ins Schlingern. Er behauptete dicht am Rand zur Unverständlichkeit:
Genehmigungsstau für Mobilfunkanlagen?
Wohl auch aufgrund der Unsicherheit in der Gesundheitsfrage hat der Verwaltungshof Baden-Württemberg, Az: 8S1848/98, im Urteil vom 26. 10. 1998 gefordert, jeweils eine baugenehmigungspflichtige Umnutzung der Antennenerrichtung auf Wohngebäuden, Kirchen, Universitäten u.a. öffentlichen Einrichtungen zu beantragen. Bisher brauchten die Betreiber nur die Eigentümer der Häuser per Vertrag einwilligen zu lassen. Dieses Urteil hat gravierende Auswirkungen auch auf bestehende Anlagen.
Anno 1999 konnte Warnke noch ziemlich sicher sein, dass niemand seine Behauptung prüfen würde, zu groß war damals der Aufwand. Heute ist dies anders. Und so habe ich mir das Urteil 8S1848/98 angeln können, ohne auch nur vom Schreibtisch aufstehen zu müssen.
Das Urteil revidiert die dramatische Darstellung des vor Jahren emeritierten Wissenschaftlers gründlich, denn es geht in Wahrheit um einen nur banalen Sachverhalt, dass nämlich die Errichtung einer Mobilfunk-Basisstation auf und in einem bisher ausschließlich zu Wohnzwecken genutzten Gebäude eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist. Das ist alles! Den Rest hat Warnke hinzu erfunden, die Kirchen, die Universitäten und die anderen öffentlichen Einrichtungen. Ebenso findet das Urteil kein Wort zur "Gesundheitsfrage". Und weil es eben nur um einen schnöden Sachverhalt ging, hatte das Urteil auch nicht die behaupteten gravierenden Auswirkungen.
Woher der Saarländer den Quatsch hat, den er 1999 verbreitete, ist nicht bekannt. Dass er ihn sich aus den Fingern saugte, halte ich für unwahrscheinlich. Ich gehe davon aus, der Blödsinn wurde irgendwo in der Boulevardpresse oder auf einer Website von Mobilfunkgegnern kolportiert und Warnke hat ihn ohne Prüfung abgeschrieben.
Der Artikel in CO'Med erschien in Ausgabe 7+8/1999. Zuvor, am 9. Juni 1999, nahm Warnke als Anti-Mobilfunk-Referent an einer Gesundheitstagung der SPD-Bundestagsfraktion in Bonn teil. Titel seines Beitrags: "Gefährdung durch elektromagnetische Felder? Der aktuelle Stand der Diskussion". Klingelt's? Das, was Warnke den Genossen erzählte, ist im Original erhalten geblieben. Es ist weit ausführlicher als das, was die Bürgerwelle aus CO'Med retten konnte, und die Passage zum Urteil 8S1848/98 ist wortwörtlich auch dort zu finden. Das heißt nicht ganz: "Verwaltungsgerichtshof" ist in diesem Papier noch richtig geschrieben.
Wetten, kein Genosse hat gemerkt, wie Warnke sie an der Nase herumgeführt hat? Doch vermutlich haben die Teilnehmer der Tagung ohnehin auf Durchzug geschaltet, denn Warnke war auch 1999 schon keiner, der sich an sein Publikum anpassen und gemäß dessen Kenntnisstand angemessen ausdrücken konnte. So erfuhren die armen Sozialdemokraten schonungslos die gewohnte Warnke-Kryptik wie: "Auch Information beruht auf Kräften; Information ist codierte Energie, also z.B. pulsierende elektromagnetische Frequenz." Eine seiner späteren Lieblingsthesen für die angebliche biologische Schadwirkung schwacher EMF, nämlich den universell für alles mögliche haftbar zu machenden oxidativen/nitrosativen Stress, hatte Warnke 1999 im Bonner Wasserwerk noch nicht auf dem Schirm.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
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H. Lamarr,
21.01.2018, 15:31
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