Und was ist mit den 90-Jährigen? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 21.08.2017, 17:22 (vor 2467 Tagen) @ H. Lamarr

Außerdem sollte man wissen, dass in absoluten Zahlen die relative Dramatik bei den Teens schnell verschwindet: 2015 z.B. traf es 196 Teens (15 bis 20 Jahre), jedoch 1082, also 5-mal mehr im Alter von 50 bis 55 Jahren.

Selbst bei den 90-Jährigen (und älter) ist die Anzahl der Freitode mit 263 Fällen noch deutlich höher als bei den Teens, dafür aber scheint sich die seltsam unbekannte Autorin des von dir verlinkten Artikels nicht interessiert zu haben. Doch was ist es, was Menschen, die 90 Jahre und länger durchgehalten haben, auf den letzten Metern zu einem derart drastischen Schritt veranlasst? Ich meine diese Frage ist mindestens genauso relevant wie die polemische Frage: Haben Smartphones eine Generation zerstört?

Der Artikel von Anke Wang ist die Zusammenfassung eines längeren Artikels in einem US-Magazin, der Link zum Original ist in der deutschen Kurzfassung nur schlecht erkennbar. Erst nach Überfliegen des Originals ist mir klar geworden, dass sich alle Aussagen allein auf die USA beziehen, was mMn im deutschen Kurztext nicht ausreichen deutlich klargestellt wird. So ist z.B. keineswegs gesichert, dass die Behauptung "Seitdem das erste iPhone 2007 erschien, stieg die Selbstmordrate und Depressivität bei Teenagern massiv an" auch auf andere Länder zutrifft. Die Datenquelle scheint mit dem "youth risk behavior surveillance system" seriös zu sein. Der Zusammenhang mit dem Aufkommen der Smartphones ab 2007 ist jedoch allein eine Interpretation der Autorin des Originalartikels, Jean M. Twenge. Sie versucht ihre "Entdeckung" nun in einem Buch zu vermarkten, der Artikel in dem US-Magazin ist lediglich eine Auskoppelung aus dem Buch. Der kommerzielle Vermarktungsaspekt muss jetzt kein Alarmsignal sein, er trübt mMn jedoch das Gesamtbild deutlich.

Wie tückisch Statistiken sein können, wenn man Daten wild korreliert, zeigt dieser Artikel. So lässt sich statistisch ein Zusammenhang beweisen zwischen der Anzahl der Auftritte des Schauspielers Nicolas Cage in Filmen und der Anzahl der Menschen, die in den entsprechenden Jahren über ihre eigenen Füße stolperten und ums Leben kamen. Es liegen eben Welten zwischen einem Zusammenhang und einem Kausalzusammenhang, eine bestimmte Spezies von Menschen versucht gerne diese Differenzierung zu verwischen, um bei Gutgläubigen mit "Aha"-Effekten ins Geschäft zu kommen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Marketing, Statistik, Buch, Autor


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