Wahnvorstellung: Funkheizungszähler machen mich krank (Elektrosensibilität)
Marie Dreier aus Schwerin sagt, sie sei elektrosensibel. Mehrmals hatte sie Anfälle, Schuld seien Funkheizungszähler in ihrem Wohnblock [...] Schließlich engagierte die 83-Jährige den Sachverständigen für Erdstrahlung und Elektrosmog Torsten Mey aus Lübeck. Der Baubiologe bestätigte die hohe Strahlenbelastung durch die Heizungsfunkgeräte.
Kommentar: Statt sich den Wolf im Baubiologenpelz ins Haus zu holen, hätte die alte Dame besser einen echten Experten zu Rate gezogen, der sie in ihrer Elektrosmog-Wahnvorstellung nicht auch noch bestärkt. Der alten Dame so einen Blödsinn von "hoher Strahlenbelastung" zu erzählen, halte ich für unanständig. Dass das Problem allein im Kopf von Frau Dreier herumspukt macht folgende Textpassage auch eisernen Elektrosmogfans klar: "Inzwischen wurden die Geräte entfernt. Die Probleme blieben."
Das Spannendste aber ist aus meiner Sicht etwas ganz anderes: Wie ist es zu diesem Bericht überhaupt gekommen? Dass Frau Dreier die Zeitung eingeschaltet hat halte ich für unwahrscheinlich. Mein Favorit ist der Baubiologe. Er gab den Tipp und wurde zur Belohnung nicht nur namentlich genannt, sondern sogar verlinkt. Das ist reinste Schleichwerbung. Im www-Zeitalter heißt diese böse Stiefschwester des Journalismus "Advertorial".
Hintergrund
Nach Angaben der Firma Techem bewirken deren Funkmodule einen SAR-Wert von 0,000028 W/kg, das ist mehr als 2800-fach unter Grenzwert. Ermittelt nicht von einem zum Baubiologen umgeschulten Landschaftsgärtner, sondern 2004 von Prof. J. Silny, Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, Aachen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –