EMF-Expertengruppe hat gute Argumente für Mobilfunkgegner (Forschung)
Im Rahmen der Erarbeitung des Berichts über eine mögliche Anhebung der Grenzwerte in der Schweiz wurde eine interdisziplinäre Expertengruppe beauftragt, Hinweisen auf biologische Risiken infolge EMF-Einwirkung nachzugehen und sie zu bewerten. Das Ergebnis findet sich im Bericht "Beurteilung der Evidenz für biologische Effekte schwacher Hochfrequenzstrahlung" (PDF, 53 Seiten), aus dem nachstehend die zusammenfassenden Schlussfolgerungen zitiert werden [Nachtrag 02.10.2019: Link zum PDF führt nicht mehr zum Ziel, Ersatzlink]. Die Expertengruppe hat Berichte über Human-, Tier- und Zellstudien gesichtet und die aus ihrer Sicht relevanten Befunde ausgewählt. Die Bewertung konzentrierte sich auf die Frage, wie sicher ein berichteter Effekt nach wissenschaftlichen Kriterien nachgewiesen ist.
Fazit der Expertengruppe
- Die von der ICNIRP empfohlenen Grenzwerte weisen einen kleineren Sicherheitsfaktor zu thermisch bedingten Schädigungen auf als bisher angenommen.
- Bei Einhaltung des ICNIRP-Basisgrenzwertes können einzelne Zellen deutlich über diesem Grenzwert exponiert sein. Grund dafür ist die von der ICNIRP vorgesehene Mittelung über 10 Gramm Körpergewebe bei lokal begrenzter Exposition bzw. über den ganzen Körper bei ausgedehnter Exposition.
- Es besteht ausreichende Evidenz dafür, dass eine kurzfristige Exposition des menschlichen Kopfes die Hirnströme beeinflusst. Der Effekt tritt bei Intensitäten im Bereich des ICNIRP-Grenzwertes für lokale Belastung auf.
- Es besteht begrenzte Evidenz für eine Beeinflussung der Durchblutung des Gehirns, für eine Beeinträchtigung der Spermienqualität, für eine Destabilisierung der Erbinformation, sowie für Auswirkungen auf die Expression von Genen, den programmierten Zelltod und oxidativen Zellstress bei Expositionen mit Strahlung im Intensitätsbereich des ICNIRP-Grenzwertes für lokale Belastung.
- Für weitere Auswirkungen wird die Evidenz als unzureichend beurteilt. Diese Auswirkungen können beim derzeitigen Kenntnisstand jedoch zumindest nicht ausgeschlossen werden.
- Die Studienlage zu langfristigen Auswirkungen von Expositionen, wie sie durch ortsfeste Sendeanlagen auftreten, ist immer noch sehr dünn, so dass gesundheitliche Auswirkungen wie ein erhöhtes Krebsrisiko und Beeinträchtigungen des Wohlbefindens nicht mit genügender Sicherheit ausgeschlossen werden können.
- Es wurden mehrfach modulationsspezifische Effekte gefunden, die zeigen, dass nicht nur der Energieeintrag, sondern auch die Charakteristik des Expositionssignals eine Rolle spielt. Dies ist nicht mit dem thermischen Wirkungsmodell kompatibel.
- Nur für wenige untersuchte Endpunkte kann beim heutigen Kenntnisstand Entwarnung gegeben werden.
Für die Evidenzbewertung gibt die Expertengruppe folgende Definitionen:
Ausreichende Evidenz: Es wurde ein positiver Zusammenhang zwischen Exposition und Effekt beobachtet. Der Effekt wurde in mehreren Studien von unabhängigen Forschern oder mit verschiedenen Untersuchungsprotokollen bestätigt, und es besteht eine einheitliche Expositions-Wirkungsbeziehung. Andere Einflussfaktoren (Confounder) können mit zufriedenstellender Sicherheit ausgeschlossen werden.
Begrenzte Evidenz: Die Evidenz für den Effekt beruht nur auf wenigen Studien, oder es bestehen ungeklärte Fragen hinsichtlich Studiendesign, Durchführung oder Interpretation der Studien. Andere Einflussfaktoren können in den vorliegenden Studien nicht mit zufriedenstellender Sicherheit ausgeschlossen werden.
Unzureichende Evidenz: Die Qualität, Übereinstimmung oder statistische Aussagekraft der vorliegenden Studien lässt keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.
Die Mitglieder der Expertengruppe waren:
Kerstin Hug, Swiss TPH
Peter Achermann, Universität Zürich
Gregor Dürrenberger, FSM
Niels Kuster, IT’IS Foundation
Meike Mevissen, Universität Bern
Primo Schär, Universität Basel
Martin Röösli, Swiss TPH
Kommentar: Der Bericht der Expertengruppe ist seit Juni 2014 öffentlich zugänglich. Warum sich Mobilfunkgegner die kritischen Töne der Experten nicht zueigen gemacht haben, um ihre bislang dilettantische Argumentation endlich einmal gegen ernst zu nehmende Sachargumente auszutauschen, ist mir unverständlich. Möglicherweise sind es die tiefen Berührungsängste, die organisierte Mobilfunkgegner seit jeher davon abhalten, ihnen verdächtig erscheinenden Wissenschaftlern zu trauen. Dass diese Ablehnung sogar auf qualifizierte Sachargumente gegen Mobilfunk durchschlägt, zeigt mMn sehr schön, wie verbohrt die Sprachrohre der Anti-Mobilfunk-Szene sind und wie gering das wahre Interesse an einer Sachauseinandersetzung ist (anstelle von Panikschürerei).
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –