Strahlende Zukunft: Wie die Medien "Betroffene" erzeugen (Medien)

H. Lamarr @, München, Samstag, 21.02.2015, 00:00 (vor 3345 Tagen)

Susanne Donner ist freie Journalistin, Fachgebiet Wissenschaft. Am 16. Februar 2015 brachte die Berliner Morgenpost von ihr den Artikel "Strahlende Zukunft". Aus meiner Sicht keine gelungene Arbeit, weil tendenziös zugunsten Alarmismus, stellenweise irreführend (z.B. wird Prof. Spitzers Rolle im offenen Brief Stuttgarter Ärzte falsch dargestellt) und für die Passage über das Funkloch Soubey hat mit einiger Wahrscheinlichkeit dieser Artikel aus Zeit-Online Pate gestanden. Ein grottenschlechter Artikel ist es jedoch ebenso wenig, denn immerhin kommen auch SSK, Röösli und BfS zu Wort. Sagen wir mal, Frau Donner hat schon Besseres abgeliefert. Warum sie sich ausgerechnet jetzt dem Thema "Elektrosmog" zugewendet hat, der Artikel gibt darüber keine Auskunft.

Anlass des Postings ist jedoch nicht, ein Donnerwetter über die Journalistin hereinbrechen zu lassen, die sich mMn jedoch Gedanken über die Wirkung des Wortes "Strahlenbelastung" machen sollte, und ob "Immission" oder "Funkfeldeinwirkung" nicht angemessenere Vokabeln wären. Nein, es geht mir um die wundersame Vermehrung des Artikels, der, inhaltlich nur marginal geändert, im Zeitraum vom 16. bis 20. Februar insgesamt 5-mal unter vier verschiedenen Titelzeilen erschien:

N24: Hirnforscher schlagen Alarm: Sind WLAN-Strahlen eine Gefahr für Schüler? - 19.02.2015
Die Welt: Alle nur Hypochonder? - 17.02.2015
Die Welt: Bundesamt warnt Schulen vor WLAN-Netzen - 20.02.2015
Berliner Morgenpost: Strahlende Zukunft - 16.02.2015
Berliner Morgenpost: Bundesamt warnt Schulen vor WLAN-Netzen - 19.02.2015

Möglicherweise kommen in den nächsten Tagen noch weitere Nachdrucke hinzu.

N24, Die Welt und Berliner Morgenpost gehören dem Springer-Verlag, der sich von der suchmaschinenoptimierten Mehrfachverwertung des Original-Artikels offenbar Vorteile bei den Klickraten verspricht. Auf diese Weise erfährt der Artikel mMn jedoch eine unheilvolle Aufmerksamkeit. Konkret meine ich damit das Risiko, dass der Artikel mit seiner unterschwelligen Angstbotschaft unnötig viele "Besorgte" erzeugt, nur weil die Printauflagen der Springer-Medien sinken und mit Mehrfachverwertung das Online-Geschäft des Verlags angekurbelt werden soll. Denn Klicks bedeuten für Verlage bares Geld, je höher die Klickraten desto teurer die Anzeigen. Die "Besorgten" in der Bevölkerung sind das Abfallprodukt, der billigend in kauf genommene Kollateralschaden dieser Jagd nach Klicks.

Hintergrund
Neue Studie: Medienberichte erzeugen "Betroffene"

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Stuttgart, Medien, Brief, Mehrfachverwertung, Springer-Verlag, Spitzer, Klickzahlen, Arbeitskreis, Medienkonsum, Marwein


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