ICNIRP zum 50-Hz-Grenzwert: wie es zu den 200 µT kam (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 30.11.2014, 22:48 (vor 3674 Tagen)

Ob es denn für ICNIRP nicht ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt gewesen sei, ausgerechnet dann den zulässigen Grenzwert für 50-Hz-Magnetfelder von 100 µT auf 200 µT zu verdoppeln, wenn die Energiewirtschaft in der EU Bedarf für zahlreiche neue Trassen angemeldet hätte? Das fragte ich kürzlich den ICNIRP-Vorsitzenden R. Matthes. Nein, sagte er, ICNIRP sei ein international aufgestellter Verein, der bei seiner Arbeit nicht auf nationale oder lokale wirtschaftliche Bedürfnisse achte. Die Grenzwertanhebung für 50-Hz-Magnetfelder durch ICNIRP falle daher nur zufällig mit dem sprunghaft wachsenden Trassenbedarf der Energiewirtschaft in Europa zusammen.

Weiter fragte ich, wieso denn überhaupt der Grenzwerte verdoppelt wurde. Er sei gar nicht verdoppelt worden, korrigierte mich Matthes. Der geltende Basisgrenzwert für den maximal zulässigen Körperstrom sei unverändert geblieben. Lediglich der davon abgeleitete und im Alltag messbare Grenzwert (einwirkende magnetische Flussdichte) sei verdoppelt worden.

Oha, ich muss zugeben, diese Erklärung war mir neu. Nur, wie konnte dieser abgeleitete Grenzwert so dir nichts mir nichts hoch gesetzt werden? Matthes: In dem 100-µT-Grenzwert steckte ein großer Sicherheitsaufschlag. Durch genauere numerische Rechenmodelle habe man inzwischen die Zusammenhänge zwischen Basisgrenzwert und abgeleitetem Grenzwert besser untersuchen können. Dabei habe sich gezeigt, der ursprüngliche Sicherheitsaufschlag sei unnötig groß gewesen, er konnte daher ohne Verlust an Schutzwirkung verringert werden.

Hmm, klingt plausibel. Leider ist mir in diesem Moment nicht eingefallen nachzuhaken, wie das alles mit den Hinweisen auf gehäufte Kinderleukämie oberhalb von 0,4 µT Dauereinwirkung zusammen passt. Diese Frage müssen jetzt andere stellen.

Anlass meines Besuchs im BfS (Neuherberg) waren die mehrwöchigen Festivitäten zum 25-Jährigen Bestehen des Amtes. Meine Frau besuchte die Ringvorlesung (NIR) ich trieb mich anlässlich des Festaktes am Schluss der Feierlichkeiten dort herum. Wir konnten keinen einzigen der bekannten Mobilfunkgegner unter den Besuchern entdecken. Dies ist umso erstaunlicher, da das Amt seine Experten dazu verdonnert hatte, für Fragesteller aller Colör bereit zu stehen. Es war also eine günstige Gelegenheit, sich aus erster Hand zu informieren. Matthes traf ich zufällig bei den Stehtischen der Cafeteria, Herr Geschwentner demonstrierte mir an dem bekannten SAR-Messkopf was passiert, wenn man ein Handy "verkehrt herum" in der Hosentasche trägt (Grenzwertüberschreitung) und Frau Pophof gab mir Auskunft, ob der Bohrhammer-Vergleich, mit dem sich ein schweizerischer Dorfelektriker i. R. ins Reich der Biologie vorwagte, tatsächlich anschaulich die Wirkung gepulster "Strahlung" auf Organismen beschreibt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ICNIRP, Grenzwert, Leukämie, SAR-Messkopf, Magnetfeld, Hochspannungsleitung, µT, Dorfelektriker


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