Diagnose Funk: unsympathisch und unfähig (Allgemein)
Wenn es etwas zu Dramatisieren gibt, ist Diagnose Funk mit Sondermeldungen zur Stelle. Und weil sich dieser Anti-Mobilfunk-Verein den Verein für Elektrosensible in München unter den Nagel gerissen hat, alarmieren nun zwei Vereine im Gleichtakt, um sich gegenseitig aufzuschaukeln.
Aktueller Anlass ist die jüngste Hardell-Studie (PDF, 13 Seiten, englisch).
Darauf aufmerksam macht die Website der Elektrosensiblen mit der Alarmmeldung Schwedische Studie bestätigt 7-fach erhöhtes Tumorrisiko bei Handynutzung. Die Meldung startet rührseelig: "Aus der Sicht von Elektrosensiblen ist diese neue Studie keine Überraschung – sondern eine Frage der Zeit, bis die Wahrheit an Licht kommt." Dass Elektrosensible in aller Regel über Sendemasten und nicht über Handys klagen, der schwer elektrosensible Lebensgefährte von Marianne B. (Kirchheim) sogar öffentlich bekundet, ein Handy zu benutzen, scheint den Verfasser der Meldung in keiner Weise irritiert zu haben. Und am Schluss der Meldung wird auf ein PDF verlinkt, das sich als eine sogenannte Pressemitteilung von Diagnose Funk herausstellt, heraus gegeben am 2. Dezember.
Wie von Diagnose Funk gewohnt, erreicht der Verein auch mit dieser "Pressemitteilung" lediglich einige andere Mobilfunkgegner, jedoch (bislang) keinen einzigen Vertreter der erhofften Zielgruppe. Die Medien verschmähen die häufigen Annäherungsversuche des Vereins seit langem aus gutem Grund.
Diagnose Funk startet in der "Pressemitteilung" nicht rührseelig, sondern, was sonst, dramatisch:
Die schwedische Gruppe um Professor Hardell wertete neueste Daten zur Wirkung von Handystrahlung auf das Gehirn aus (1). Sie ergaben ein bis zu 7,7 fach erhöhtes Gehirntumorrisiko bei einer Langzeitnutzung von Handys und DECT-Telefonen von mehr als 20 Jahren.
Wer also länger als 20 Jahre mit DECT und Handy telefoniert, hat ein fast 8-fach höheres Risiko, einen Gehirntumor zu bekommen, als jemand, der ausnahmslos übers Festnetz telefoniert. Auf den ersten Blick scheint die Dramatik gerechtfertigt zu sein. Doch schon auf dem zweiten Blick schrumpft der aufgeblähte Ballon, denn Hirntumoren sind selten. Sarah Drießen vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (FEMU) der Uni-Klinik Aachen drückte das einmal so aus: "Es dauert zehn bis 30 Jahre nach einem auslösenden Ereignis, bis ein Hirntumor auftritt. Aber es ist eine sehr seltene Erkrankung: Pro 100.000 Einwohner gibt es in Deutschland pro Jahr sechs neue Fälle des Glioms, der häufigsten Hirntumorart. Wenn es durch Handys eine um 40 Prozent erhöhte Rate an Hirntumoren geben würde, hieße das: In Deutschland gäbe es dann statt sechs Patienten acht pro 100.000 Einwohner."
Und jetzt der Dreisatz: Wenn ein relatives Risiko von 1,4 zwei Hirntumore pro 100'000 Einwohner mehr verursacht, wieviele zusätzliche Tumoren wären es dann bei einem relativen Risiko von 7,7? Wer 11 Tumoren ausrechnet darf noch einmal nachrechnen, wer auf 46 Tumoren kommt liegt richtig. Sollte die Schreckensnachricht von Diagnose Funk zutreffen, erleiden pro 100'000 schlimmstenfalls 46 Personen mehr einen Gehirntumor. Auch diese Fallzahl ist offenkundig noch immer ziemlich klein. Zum Vergleich: Das individuelle Erkrankungsrisiko starker Raucher kann mehr als 20-mal höher ausfallen als das von Nichtrauchern. Pro 100'000 Schweden erkranken 528 Personen an Lungenkrebs.
Doch was ist überhaupt dran, an dem allein von Diagnose Funk und nicht von den Autoren der Studie so hochgespielten Faktor 7,7?
Bei einem Blick in Hardells Studie wird deutlich: Dieser enorme Risikoanstieg gilt für das vierte Quartil, also für die 25 Prozent der Personen, die am längsten telefoniert haben. Der Haken daran: In dieses Quartil fallen die wenigen Personen, die Mobiltelefone bereits verwendeten, als es GSM noch gar nicht gab. In Schweden gab es ab 1981 Geräte der GSM-Vorläuferstandards NMT450 und NMT900, beide verzichten auf die angeblich so gefährliche Pulsung des HF-Trägersignals, die Sendeleistung war einerseits erheblich höher (im Vergleich zu GSM), andererseits war die Bauform noch völlig anders (mit Sendestufe verkabelter Hörer) als bei den später aufkommenden GSM-Handys). Diese Details bleiben bei Hardell unberücksichtigt, weil seine Datensätze dazu keine Informationen enthalten (können). Übrig bleibt lediglich die geringe Anzahl von Personen, die vor 1992 (Start von GSM) in Schweden bereits Mobiltelefone gebrauchten und heute einen Hirntumor haben. Die statistische Belastbarkeit des vierten Quartils ist daher schwach. Hardell weist dies noch ordentlich aus (p-trend=0.01, based on low numbers), Diagnose Funk, nur versessen aufs Dramatisieren, lässt diese relativierenden Einschränkungen komplett weg.
Es ist dieses immer wieder zu beobachtende zutiefst unseriöse Verhalten, das diesen Verein und seine Vertreter mMn so unsympathisch macht.
Und noch etwas: Unübersehbar bezieht sich Hardells Studie auf Hirntumordiagnosen, die im Zeitraum von 2007 bis 2009 getroffen wurden. Doch selbst wer 2009 die schlimme Diagnose erhielt, konnte noch gar nicht länger als 20 Jahre mit DECT telefoniert haben, wie es Diagnose Funk (oben) behauptet. Denn DECT-Geräte kam erst 1993 auf den Markt, wer sofort eines kaufte konnte es daher bis 2009 höchstens 16 Jahre genutzt haben!
Es sind solche immer wieder bei Diagnose Funk zu beobachtenden und einfach nachzuweisenden Widersprüchlichkeiten, die die Kompetenz dieses Vereins und seine Vertreter in ein denkbar ungünstiges Licht setzt. Der Verein disqualifiziert sich mit fast jeder seiner Verlautbarungen selbst. Die (übersehbare) Quittung für seine Unfähigkeit bekommt der Verein unter anderem von anspruchsvolleren Medien, die seine dilettantischen Pressemitteilungen durchwegs ignorieren.
Mir ging es hier weniger um die Hardell-Studie als um die Panik, die der Anti-Mobilfunk-Verein meint, mit Radschlagen in Gestalt einer "Pressemitteilung" daraus ableiten zu müssen. Zur Hardell-Studie selbst gäbe es sicher noch viele kritische Anmerkungen zu machen, z.B. die, dass andere Forscher in anderen Ländern seine Zahlen nicht bestätigen können (Little et al., Deltour et al.), und dass Hardell mit seinen Fragebogen-Aktionen bei Hirntumor-Patienten ausnahmslos Rücklaufquoten erreicht, von denen andere Forscher nur träumen können.
Hintergrund
Diagnose Funk im IZgMF-Forum
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Diagnose Funk: unsympathisch und unfähig
Es ist dieses immer wieder zu beobachtende zutiefst unseriöse Verhalten, das diesen Verein und seine Vertreter mMn so unsympathisch macht.
Und es kommt sogar noch schlimmer.
In seiner "Pressemitteilung" behauptet Peter Hensinger:
Professor Hardell fordert, die Mobilfunkstrahlung müsse jetzt von Stufe 2B auf "krebserregend" (Stufe 1) höhergestuft werden.
Da es in dieser "Pressemitteilung" Hensingers um die jüngste Hardell-Studie geht, habe ich mich gewundert, dass Hardell eine solch' anmaßende Forderung in ein wissenschaftliches Paper hineinschreibt.
Beim Durchsuchen der Studie nach dieser Forderung stellte sich jetzt heraus: Die angebliche Forderung Hardells ist in seiner Studie weder wörtlich noch sinngemäß zu finden. Sie wird dort mit keiner Silbe genannt!
Aus welchen Fingern Diagnose Funk sich Hardells Forderung nach Hochstufung gesaugt hat lässt sich hier erahnen. Dies entschuldigt jedoch in keiner Weise die irreführende Darstellung in Hensingers "Pressemitteilung".
Nein, dieser Laden, er wird mir immer unsympathischer.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Diagnose Funk: unsympathisch und unfähig
"krebserregend" (Stufe 1) höhergestuft werden.
Hier, ganz am Ende des Abstracts:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24192496
Diagnose Funk: unsympathisch und unfähig
"krebserregend" (Stufe 1) höhergestuft werden.
Hier, ganz am Ende des Abstracts:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24192496
Ja, nur ist das eine ganz andere Studie von Hardell, die mit dem Inhalt von Hensingers "Pressemitteilung" nicht korrespondiert und auch nicht als Quelle verlinkt ist.
Mir geht es nicht darum, ob Hardell die Hochstufung nun fordert oder nicht, sondern darum, dass Hensinger in eine "Pressemitteilung" über Hardells jüngste Studie etwas Dramatisches aus anderer Quelle hineinmischt, das er weder begründet noch belegt, sondern einfach nur behauptet. Presse-Informationen sind dazu da, die Presse kompetent zu informieren, und nicht, um sie mit unbelegten Behauptungen zuzulabern. Es ist Aufgabe des Verfassers einer Presse-Information, sein Werk glaubwürdig zu halten, es kann und darf nicht Aufgabe der Leser sein, fehlende Belege herbei zu schaffen.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
NMT450: 450 MHz Trägerfrequenz
In Schweden gab es ab 1981 Geräte der GSM-Vorläuferstandards NMT450 und NMT900, beide verzichten auf die angeblich so gefährliche Pulsung des HF-Trägersignals, die Sendeleistung war einerseits erheblich höher (im Vergleich zu GSM), andererseits war die Bauform noch völlig anders (mit Sendestufe verkabelter Hörer) als bei den später aufkommenden GSM-Handys).
Für NMT450 gilt gegenüber den nachfolgenden Mobilfunkstandards (GSM, UMTS ...) noch ein anderer substanzieller Unterschied. Bei NMT450 hat die Trägerfrequenz 450 MHz betragen. Dieser Wert ist halb so groß wie bei GSM900, nur 1/4 von GSM1800 und liegt wegen der größeren Wellenlänge in einem biologisch wirksameren Fenster als die beiden (typischen) GSM-Trägerfrquenzen. Deshalb gilt bei 450 MHz auch ein anderer (niedrigerer) Grenzwert als bei den beiden GSM-Frequenzen. Aber: Inwieweit Immissionen unterhalb der Grenzwerte bei 450 MHz, 900 MHz und 1800 MHz sich in ihrer biologischen Wirksamkeit, so es eine solche überhaupt geben sollte, unterscheiden, weiß wahrscheinlich niemand auf der Welt.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
NMT450: 450 MHz Trägerfrequenz
Einen Überblick damals üblicher Geräte findet man >hier<
Lustigerweise heißt die Domain "Salford".
Die "am-Ohr" Modelle sendeten mit typischerweise 1..2Watt (ungepulst, manuelle "low power" stufe mit 0,1W) womit die SAR im Mittel deutlich über jener von GSM (max. 1/8 * 2Watt= 0,25Watt, geregelt) gelegen haben dürfte.
Allerdings war das "mobile Telefonieren" damals sündhaft teuer, so daß die Gespräche "kurz" gehalten wurden.
Die "Talk-time" der "am-Ohr-Geräte" lag selbst bei frisch geladenen Akkus nur bei 30..80 Minuten (im "high power mode" 30 Minuten, 80 Minuten nur bei "low power" Einstellung)
K
DECT: Umdeutung in "Desktop cordless phones"
Und noch etwas: Unübersehbar bezieht sich Hardells Studie auf Hirntumordiagnosen, die im Zeitraum von 2007 bis 2009 getroffen wurden. Doch selbst wer 2009 die schlimme Diagnose erhielt, konnte noch gar nicht länger als 20 Jahre mit DECT telefoniert haben, wie es Diagnose Funk (oben) behauptet. Denn DECT-Geräte kam erst 1993 auf den Markt, wer sofort eines kaufte konnte es daher bis 2009 höchstens 16 Jahre genutzt haben!
Das Akronym DECT, sollte man meinen, bedeutet unmissverständlich "Digital Enhanced Cordless Telecommunications", meinetwegen ursprünglich auch einmal "Digital European Cordless Telephony". Bislang dachte ich, diese Bedeutung von DECT wäre zweifelsfreies Allgemeingut und weltweit anerkannt.
Doch Lennart Hardell definiert DECT überraschenderweise anders:
Desktop cordless phones (DECT) have been used in Sweden since 1988, first using analogue 800-900 MHz RF fields, but since the early 1990s using a digital 1,900 MHz system.
Also das ist mMn schon ziemlich grenzwertig, DECT in "Desktop cordless phones" umzudeuten, die zuerst analog, dann digital sind - und damit der Begriffsverwirrung Tür und Tor zu öffnen. Warum Hardell dies ohne Not macht ist mir nicht ersichtlich, rein formell kann er so aber von "mehr als 20 Jahren DECT-Nutzung" sprechen, was ihm beim üblichen Gebrauch des Akronyms DECT nicht möglich gewesen wäre. Und Diagnose Funk ist ja auch prompt darauf hereingefallen.
Im Fortgang seiner Studiendokumentation spricht Hardell kein einziges weiteres mal von analogem/digitalem DECT, sondern gebraucht ausschließlich den übergeordneten Begriff "cordless phones". Bei Mobiltelefonen ist er genauer, dort grenzt er Analoggeräte von Digitalgeräten genau ab.
Allem Anschein nach meint Hardell mit seinen analogen "Desktop cordless phones" Schnurlostelefone gemäß CT1-Standard. Allerdings wurde der CT1-Standard bereits 1984 verabschiedet, nicht erst 1988.
Brauchbare Hinweise über die Technik der Schnurlostelefone in Schweden vor Beginn der "echten" DECT-Ära konnte ich (auf die Schnelle) nicht finden, ausgenommen diesen Buchauszug (englisch), der Schweden eindeutig als eines von elf CT1-Ländern ausweist.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
DECT: Umdeutung in "Desktop cordless phones"
Doch Lennart Hardell definiert DECT überraschenderweise anders:
Desktop cordless phones (DECT) have been used in Sweden since 1988, first using analogue 800-900 MHz RF fields, but since the early 1990s using a digital 1,900 MHz system.
Da Hardells Datenerhebung auf Fragebögen basierte und Schnurlostelefonnutzer häufig überhaupt nicht wissen, auf welcher "Technologie" ihr Telefon basiert, kann Herr Hardell eigentlich nur alle Arten von "Cordless Phones" in einen Topf werfen.
K
DECT: Umdeutung in "Desktop cordless phones"
Da Hardells Datenerhebung auf Fragebögen basierte und Schnurlostelefonnutzer häufig überhaupt nicht wissen, auf welcher "Technologie" ihr Telefon basiert, kann Herr Hardell eigentlich nur alle Arten von "Cordless Phones" in einen Topf werfen.
Ja, aber muss er diesen Topf dann ausgerechnet DECT nennen? Er hat das in seiner Arbeit zwar nur 1-mal so gemacht, das genügte aber, um Diagnose Funk zu der kritisierten Aussage zu bringen:
Die schwedische Gruppe um Professor Hardell wertete neueste Daten zur Wirkung von Handystrahlung auf das Gehirn aus (1). Sie ergaben ein bis zu 7,7 fach erhöhtes Gehirntumorrisiko bei einer Langzeitnutzung von Handys und DECT-Telefonen von mehr als 20 Jahren.
Mobiltelefone konnte Hardell übrigens ganz einfach in analoge NMT- und digitale GSM-Modelle unterscheiden. Denn alle NMT-Handynummern beginnen in Schweden mit der Vorwahl 010 und alle Digital-Handynummern mit der Vorwahl 07.
Als ich 2002 Mobilfunkgegner wurde waren Schnurlostelefone noch ein großes Thema. Und es herrschte in der Szene weitgehend Konsens, dass, wenn überhaupt so ein Gerät genutzt werden darf, dann ein "ungefährlicheres" CT1+, weil das ungepulst sendet und keinesfalls ein DECT, weil jenes die mörderische Pulsung aufweist. Hätte es damals einer gewagt, hier nicht zu unterscheiden und beide Techniken in einen Topf zu werfen, das hätte bestimmt Ärger gegeben.
In seiner Arbeit beschreibt Hardell detailliert und auch völlig korrekt die 1/24-Pulsung und 250-mW-Peakleistung von DECT, über CT1 und dessen wenig spektakuläre Sendeleistung (10 mW ) verliert er kein Wort. Dies ist mMn kein Verbrechen, jedoch ein bisschen tendenziös. Als beruflicher Schreiber weiß ich, wie mit Wortwahl und Dosierung von Informationen gezielt manipulativer Einfluss auf Leser möglich ist. Bei Texten von Diagnose Funk schlägt der Zeiger regelmäßig stark aus. Bei Hardell habe ich jetzt erstmals den Eindruck, dass auch bei ihm seine Einstellung zum Thema "Krebs durch Funk" sich unterschwellig in seinen Texten bemerkbar macht. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mir früher nicht die Mühe machte oder keine Gelegenheit hatte, von Hardell-Studien mehr zu lesen als nur den Abstract.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Elektrosensible ändern heimlich Text
Die Meldung startet rührseelig: "Aus der Sicht von Elektrosensiblen ist diese neue Studie keine Überraschung – sondern eine Frage der Zeit, bis die Wahrheit an Licht kommt."
Das war einmal, der genannte Text ist verschwunden.
Doch der Reihe nach.
Am 05.12.2013, 23:08 Uhr, wurde auf der Website der Elektrosensiblen zu der jüngsten Hardell-Studie folgender Text eingestellt:
Aus der Sicht von Elektrosensiblen ist diese neue Studie keine Überraschung – sondern eine Frage der Zeit, bis die Wahrheit an Licht kommt. Traurig, dass es bis dahin und in Folge Opfer gibt. Der Vergleich mit „Schädlingsvernichtungsmittel“ DDT ist durchaus möglich: sein Entdecker Paul Müller bekam 1948 den Nobelpreis und die Welt verspritzte es wahnhaft bis in den letzten Winkel. Bis es 20 Jahre später zum großen Erwachen kam, dass DDT im Kreislauf aller Organismen und somit auch den Menschen schädigen kann.
Am 22. Dezember 2013, 13:49 Uhr, wurde der Text im Startposting oben teilweise aufgegriffen und (als rührseelig) kritisiert.
Am 25. Dezember, 00:15 Uhr, war der ursprüngliche Text verändert worden und lautet seither - gar nicht mehr rührseelig - so:
Die schwedische Gruppe um Professor Hardell wertete neueste Daten zur Wirkung von Handystrahlung auf das Gehirn aus (1). Sie ergaben ein bis zu 7,7 fach erhöhtes Gehirntumorrisiko bei einer Langzeitnutzung von Handys und DECT-Telefonen von mehr als 20 Jahren.
Der Vergleich mit dem „Schädlingsvernichtungsmittel“ DDT ist durchaus möglich: sein Entdecker Paul Müller bekam 1948 den Nobelpreis und die halbe Welt verspritzte es wahnhaft bis in den letzten Winkel. Der unkritische Wahn hielt fast 20 Jahre an, bis es zum großen Erwachen kam.
Nun ist es kein Verbrechen einen Text nachträglich zu ändern wenn einem die ursprüngliche Formulierung nicht mehr gefällt. Sobald solche Änderungen jedoch nicht der Korrektur von Tippfehlern gelten, sondern substanzieller Natur sind, ist es den Lesern gegenüber nur recht und billig, so einen nachträglichen Eingriff nicht zu verheimlichen. Genau das aber hat derjenige gemacht, der zwischen dem 22. und 25. Dezember in den ursprünglichen Text eingegriffen hat. Denn nach wie vor steht dort 05.12.2013, 23:08 Uhr als Ursprungsdatum und nichts deutet darauf hin, dass Teile des Textes vor kurzem ausgetauscht wurden. Grob ist mMn, die Textänderung ist eine Verschlimmbesserung: Der rührseelige Beginn wurde entfernt und stattdessen durch Desinformation bezüglich DECT ersetzt (siehe Startposting).
Screenshot der nachträglich geänderten Seite (25.12.2013)
Heimliche Textänderungen wecken Misstrauen gegenüber der Website der Elektrosensiblen, denn niemand kann sich darauf verlassen, dass dort publizierte Texte im Original erhalten bleiben, vielmehr muss man damit rechnen, unvorteilhafte Passagen werden nachträglich heimlich entfernt oder verändert. Das Streben der Elektrosensiblen nach Seriosität nimmt dadurch den gleichen erheblichen Schaden, den schon der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose Funk erlitten hat. Wie man's besser macht zeigt Frau W. <hier>: Sie begründet dort mustergültig den nachträglichen Eingriff in eines ihrer Postings.
Auch das IZgMF hat einen Fleck auf seiner Weste. Als wir Ende 2006 von W.K. den Beitrag "Fehlerhafte Studie für fehlgeleitete öffentliche Meinung" brachten, hagelte es im RDW-Forum unverzüglich Kritik. Einige der Kritikpunkte waren so substanziell, dass Herr K. nachbessern musste. Die so aktualisierte Fassung ersetzte dann bei uns ohne jeden Benachrichtigungsvermerk die alte Fassung. Doch dies blieb nicht unentdeckt und wir bekamen Anfang 2007 dieselbe Prügel, wie sie jetzt der Verein der Elektrosensiblen bekommt. Da wir die Beanstandung heimlicher Textänderungen als richtig empfanden, fügten wir damals in den K.-Beitrag die Nennung der Textfassung ein, wie sie hier zu sehen ist.
Hintergrund
Heimliche Textänderung auf Uli Weiners Website
Heimliche Berichtigungen an einem Fachartikel von Pfarrer Werner Thiede
Diagnose-Funk ändert Satzung heimlich
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –