Mikrowellen-Experiment: mögliche Erklärungen (Allgemein)

Dr. Ratto, Mittwoch, 07.08.2013, 14:17 (vor 4124 Tagen) @ H. Lamarr

Hmmm ... Also, überzeugend ist diese Erklärung mMn nicht.

Wir sollten das mal im Auge behalten und weiter Material sammeln...

Hiermit wird Material geliefert:

Es ist grundsätzlich möglich, auch kleine Insekten mit HF-Feldern zu töten. Diese Tatsache ist seit langem bekannt und wird zur Bekämpfung von Vorratsschädlingen verwendet, wie dieser Artikel von 1968 zeigt. Zur Exposition wurde hier ein Signalgenerator (Philips DX260 magnetron) ein Hohlleiter und eine Horn-Antenne verwendet, bei 600 W und 2.45 GHz. Das sind ähnliche Parameter wie in einer Mikrowelle, vor allem die Wellenlänge ist identisch, die Feldverteilung müsste aber homogener sein als in einer Mikrowelle, also könnte an der Erklärung von MDR etwas dran sein. Untersucht wurden drei Käferarten, ein Mehlkäfer, ein Kornkäfer (Rüsselkäfer, 4 – 5 mm) und ein Plattkäfer (2 mm), alles Schädlinge im Mehl und Weizen. Da Mehl und Weizen relativ trocken sind, Insekten aber Wasser enthalten, kann man sie gut selektiv erhitzen. Bei allen drei Arten wirkte sich eine Bestrahlung von bis zu 40 s tödlich aus. Allerdings wurde die Sterberate erst nach 24 Stunden bestimmt. Es kann also sein, das Ameisen und Fruchtfliegen in der Mikrowelle innere Schäden erlitten haben und später gestorben sind. Ich werde es auf jeden Fall nicht testen!

Insekten haben im Gegensatz zu anderen Tieren ein Außenskelett, das kaum Wasser enthält und sich in der Mikrowelle auch nicht erhitzen wird. Die inneren Organe enthalten aber genau so wie bei Menschen ca. 70% Wasser. Es kann also sein, dass Insekten in der Mikrowelle zwar äußerlich nicht brutzeln, aber im inneren kochen, wie heiße Suppe im Teller der sich weniger erhitzt. Je nachdem wie stark die inneren Organe geschädigt sind kann der Tod auch später eintreten.

Das Schnipselexperiment hat mMn plausibel gezeigt, dass es eben doch die Größe weit unter Wellenlänge ist, die die Schnipsel (Ameise/Fruchtfliege) vor der Erhitzung schützt.

Größe an sich ja, aber unabhängig von der Wellenlänge:

Die Energieabsorption und somit die Erwärmung häng von der Masse ab, die Wärmeabgabe aber von der Oberfläche eines Objektes. Je kleiner ein Objekt, umso größer das Verhältnis von Oberfläche zur Masse und umso besser die Wärmeabgabe an die Umgebung und umso länger dauert es bis eine bestimmte Temperatur erreicht wird. Das kann auch bei den Schnipseln aus dem metallbeschichteten Papier der Fall gewesen sein, die auch noch auf dem kalten Teller lagen, da war die Wärmeabgabe sicher besser als in dem großen Stück das in die Luft ragte. Wie groß der Unterschied aber wirklich war und ob dies als Erklärung reicht müsste ein Physiker berechnen.

Die Erwärmung durch HF-Bestrahlung hängt von den dielektrischen Eigenschaften des Materials ab, diese sind frequenzabhängig, und hängen deswegen auch mit der Wellenlänge zusammen. Vor allem der dielektrische Verlustfaktor ist wichtig, je höher er ist, umso mehr Energie wird absorbiert und in Wärme umgewandelt. Der Verlustfaktor wurde für verschiedene Käfer und auch für Fruchtfliegen bestimmt, es zeigte sich dass bei Insekten die Energieabsorption im Bereich von 10 – 100 MHz optimal ist, im GHz-Bereich ist der Verlustfaktor und damit auch die Energieabsorption und die Erwärmung deutlich geringer. Das kann auch zum Überleben von Insekten in der Mikrowelle beitragen. Die Wellenlänge ist bei den niedrigeren Frequenzen (MHz) aber noch größer, mit dem Verhältnis zwischen Körpergröße und Wellenlänge hat es also nichts zu tun. Die dielektrischen Eigenschaften und das Absorptionsoptimum von metallbeschichtetem Papier sind natürlich ganz anders und können hier nicht zum Vergleich herangezogen werden.

Aktuell werden zur Schädlingsbekämpfung vorzugsweise Frequenzen um 27 MHz verwendet, wie in dieser Arbeit am Beispiel des 2 mm kleinen Plattkäfers gezeigt wird. Der lebt in Weizenkörnern und ist wirklich sehr klein, die Wellenlänge beträgt bei dieser Frequenz ca. 11 m, das hilf ihm aber gar nicht.

[image]
Plattkäfer an Weizen (agriculture.gov.sk.ca)

Zu der angeblichen Fähigkeit von Ameisen, feldschwache Zonen erkennen zu können und zum Abkühlen dorthin zu tippeln, habe ich auf die Schnelle keinen Beleg gefunden. Bei mir liefen die Ameisen auf dem Drehteller herum, die hatten so gar keine Chance, es sich in Inteferenztälern gemütlich zu machen, die fuhren auf dem Drehteller mit wie auf einem Karussell. Gegen den MDR spricht auch der Versuch mit den Fruchtfliegen, diese Winzlinge haben ebenso überlebt wie die Ameisen, auch sie müssten - ziemlich unwahrscheinlich - einen eingebauten Felddetektor haben und dann wie ein Hubschrauber in so einem Feldminimum stehen.

Natürlich haben Ameisen und Fruchtfliegen keinen eingebauten Felddetektor (HF). Ameisen und Fruchtfliegen können das Erdmagnetfeld wahrnehmen. Honigbienen können zusätzlich die elektrostatische Aufladung von anderen Bienen und Blumen wahrnehmen und sich danach orientieren. Möglicherweise können das Ameisen und Fruchtfliegen auch, Ameisen und Bienen sind nah verwandt. Das hilft in HF Feldern natürlich gar nichts.

Was aber alle Insekten sicher können ist Wärme wahrnehmen. Möglicherweise können sie in einem inhomogenen Feld Stellen identifizieren, an denen ihnen weniger heiß wird. So wie auch wir Menschen es in der aktuellen Hitzewelle sicher merken, wenn wir z.B auch mit geschlossenen Augen aus der Sonne in den Schatten treten. Vielleicht sind die Ameisen auf dem Teller gar nicht so wirr herumgelaufen, sondern haben versucht, trotz Drehbewegung in den kühleren Bereichen zu bleiben. Das ist aber eine reine Vermutung. Die Fliegen überleben das möglichenweise and der Wand sitzend - die bleibt ja kühl. Das ist aber ebenfalls eine Vermutung.

Fazit:
1. Die Diskrepanz zwischen Wellenlänge und Körpergröße schützt Insekten in der Mikrowelle nicht.
2. Infolge ihrer dielektrischen Eigenschaften nehmen sie bei 2.45 GHz relativ wenig Energie auf.
3. Je kleiner sie sind, umso besser können sie Wärme über die Körperoberfläche abgeben.
4. Möglicherweise können sie mittels Wärmewahrnehmung Stellen mit hohen Feldstärken wahrnehmen und meiden.
5. Es ist nicht sicher, dass sie nach 24 h auch noch leben und völlig unbeschadet geblieben sind.

G. Ratto

Tags:
Fruchtfliegen


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