Elektrosmog-Report: Alarmieren um jeden Preis (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 09.06.2009, 22:19 (vor 5427 Tagen)

Der "Elektrosmog-Report" hat in seiner jüngsten Ausgabe vom Juni 2009 eine Titelstory über Zellforschung. Und die beginnt so:

Gepulste Felder verändern das Zellwachstum

Zwei experimentelle Arbeiten befassen sich mit der Wirkung von gepulsten elektromagnetischen Feldern auf Zellen. In menschlichen Knochenmark-Stammzellen wurden Entwicklung der Zelldichte, Form und Differenzierung der Zellen sowie die Phasen der Zellteilung untersucht. Außer bei der Zellform gab es signifikante Unterschiede zwischen Kontrollzellen und EMF-behandelten Zellkulturen.

So, und nun die Preisfrage: Um welche Felder geht es hier?

Allem Anschein nach geht es um gepulste elektromagnetische Felder, also um Mobilfunkfelder. Aber nur dem Anschein nach. Denn obwohl in dem Text noch mehrmals von elektromagnetischen Feldern gesprochen wird, geht es nicht um diese, sondern um Magnetfelder. Der Begriff Magnetfeld findet sich in der immerhin eine komplette Seite umfassenden Titelgeschichte kein einziges mal, ersatzweise wird nebulös von "gepulsten Feldern" geredet. Einziger konkreter Hinweis darauf, dass es tatsächlich um etwas ganz anderes geht, ist die Nennung der Befeldungsstärke, die mit sage und schreibe 1,8 mT bei 15 Hz Pulsfrequenz (1800 µT) allerdings ums 18-fache über dem Grenzwert liegt.

Aus meiner Sicht ist dies Desinformation, Titel und Text erweckt bei Laien den Eindruck, es ginge hier um gepulste Mobilfunkfelder. Und diese Fehlinterpretation wird dann prompt weiter getragen und in 0,nix wird daraus auf entsprechenden Seiten: Gepulste Mobilfunkfelder verändern das Zellwachstum. Das Gigaherz-Forum z.B. ist voll von derartigen Fehldeutungen, denn zur Erkennung, dass es hier eben nicht um Mobilfunk geht, ist ein Mindestmaß an Fachkompetenz erforderlich, hier etwa das Wissen um die Bedeutung der Einheit Tesla. "Beihilfe zur Desinformation" leisten die Autoren der Studien und sogar das EMF-Portal, die ebenfalls von "elektromagnetischen Feldern" sprechen. Erst bei den Expositionsparametern benennt das EMF-Portal Ross und Reiter und macht unmissverständlich klar: hier geht es nicht um Mobilfunk, sondern um ein niederfrequentes Magnetfeld.

Für meinen Geschmack ist die irreführende Titelstory des Elektrosmog-Reports kein Zufall, sondern die Kundschaft, die Alarmmeldungen erwartet, soll diese um jeden Preis auch bekommen. Und wenn dazu ein falscher Eindruck erweckt werden muss. Ich wundere mich nicht selten über verkorkste Argumente von Mobilfunkgegnern, die z.B. regelmäßig NF und HF durcheinanderbringen. Glänzt jedoch schon ein sogenannter Fachinformationsdienst, wie der Elektrosmog-Report einer für Mobilfunkkritiker sein will, mit Ungenauigkeiten, dann ist schon am Start der Informationskette der Wurm drin.

Sie zweifeln? Gut, dann bitte ich um eine plausible Erklärung dafür, warum der Elektrosmog-Report an exponierter Stelle über Studien berichtet, die mit sehr niederfrequenten Magnetfelder 18-fach über Grenzwert Erkenntnisse zur Knochenheilung herbeiführen wollen. Was bitte hat dies mit Elektrosmog zu tun?

Die Qualität und Ergiebigkeit des Elektrosmog-Reports hat mMn in den letzten Jahren erheblich gelitten, so dass wir den Bezug wohl schmerzlos kündigen werden. Kompetente Studieninterpretationen, einst Stärke des Blattes, sind Mangelware. Das Internet ist schneller, umfassender und nicht so einseitig auf die Interessen von Sendemastengegnern fixiert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Fehlinterpretation, Elektrosmog-Report, Strahlentelex, Fehldeutung


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