HUJs Irrtümer (18): ChatGPT widerlegt Ex-Gigaherz-Präsident (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 13.03.2025, 13:30 (vor 23 Stunden, 3 Minuten) @ H. Lamarr

Behauptung: [...] Daraus folgt, dass sich sensible Menschen für Daueraufenthalt, selbst hinter einer Backsteinmauer, nicht näher als 5m (16m) bei Smartmetern aufhalten können. [...]
Quelle: Die Smartmeter und die BKW
Jahr: 2024

Berichtigung: Der Winter zieht sich zurück, die Tage werden wieder länger. Das begünstigt Zeitgenossen, die viel Blödsinn verbreiten, wenn der Tag lang ist.

In seinem verlinkten Beitrag versucht der Ex-Elektriker Jakob zu "berechnen", welche HF-EMF-Exposition auf "Elektrosensible" zukommt, wenn in deren Wohnungen oder Häusern Smartmeter vom Typ Omnipower, Fabrikat Kamstrup, eingebaut werden. Dazu muss man wissen, dass "Elektrosensibilität" gemäß vorherrschendem wissenschaftlichen Kenntnisstand keine körperliche Erkrankung ist, sondern eine Phobie und es keinen Kausalzusammenhang gibt zwischen den Beschwerden der Betroffenen und der HF-EMF-Exposition. Unter dieser Maßgabe ist der Beitrag Jakobs auch ohne Detailbetrachtung von A bis Z für den Reißwolf.

Ex-Gigaherz-Präsident erfindungsreich

Als maximal zumutbare Immission (elektrische Feldstärke) für "Elektrosensible" erfindet Jakob den Wert 0,2 V/m, Quellen für seine Behauptung nennt er nicht. Mit Bezug auf Kampstrup behauptet der Ex-Elektriker weiter, die fraglichen Smartmeter würden 5 V/m auf 443,5 MHz emittieren, gemessen in 1 Meter Abstand. Mit diesen Angaben berechnet Jakob die elektrische Feldstärke, die in Abständen von zwei Meter bis 32 Meter auftritt (Freiraum ohne Hindernisse). An dieser Berechnung habe ich nichts auszusetzen, auch Grundschüler hätten dies bewältigen können. Typisch Jakob: In seiner Ergebnisliste nennt er pro Abstand nicht wie erwartet einen Feldstärkewert, sondern in Klammern einen zweiten. Was das soll, erklärt der große Didakt seinen Lesern nicht etwa zu Beginn der besagten Textpassage, sondern zwei Absätze nach der Passage (die Werte in Klammern gelten dann, wenn in Mehrfamilienhäusern zehn Smartmeter im Zählerschrank sind).

Wie Jakob gegen seine eigene Backsteinmauer fährt

Doch dann wird es vogelwild. Jakob erfindet mal eben schnell eine Backsteinmauer zwischen einem "elektrosensiblen" Bewohner und einem Smartmeter und "berechnet", dass die Dämpfung einer solchen Mauer "Elektrosensible" nicht schützt, weil erst in fünf Meter Abstand die angebliche Zumutbarkeitsgrenze von 0,2 V/m erreicht wird. Bei zehn Smartmetern im Zählerschrank kommt der Ex-Elektriker gar auf 16 Meter Abstand.

Für die Dämpfung einer Backsteinmauer kann, so Jakob, ein Dämpfungsfaktor von 32 in die Berechnungsformel eingesetzt werden. Wo er die Zahl 32 aufgegabelt hat, verrät er uns nicht.

Da mir dieser Wert verdächtig hoch erschien, habe ich kurz recherchiert und für Backsteine folgende Angaben gefunden:

► Quelle 1: Dämpfung: 5 dB, Dämpfungsfaktor: 3,2 (Link)
► Quelle 2: Dämpfung: 55 % bis 70 %, Dämpfungsfaktor: ca. 3 (Link)

Zwei Quellen nennen also übereinstimmend einen Dämpfungsfaktor von ca. 3 für Backsteine, Jakob hingegen nennt rd. die 10-fache Dämpfung. Damit fällt Jakob in die selbst gegrabene Grube. Denn weil die tatsächliche Dämpfung der Backsteinwand viel kleiner ist, als von Jakob angenommen, wird die willkürliche Zumutbarkeitsgrenze von 0,2 V/m nicht nach fünf Meter Abstand erreicht, sondern erst nach 14 Metern. Jakob verschenkt bei seiner Panikmache gegenüber Smartmetern ganze neun Meter!

Und wenn sich ChatGPT nicht verrechnet hat, würde in einem Mehrfamilienhaus mit zehn gleichzeitig sendenden(!) Smartmetern die Zumutbarkeitsgrenze erst in rd. 44 Meter Abstand erreicht. Da Mehrfamilienhäuser üblicherweise kleiner sind, müssten "Elektrosensible" möglicherweise in Gartenhäuser umziehen, – wäre an den Behauptungen von Jakob auch nur ein Körnchen wahr :-).

Hinweis: Bei Quelle 1 bezieht sich der Dämpfungsfaktor auf die Leistung, nicht auf die Spannung (Feldstärke). Dies ist für uns insofern unerheblich, als der Dämpfungsfaktor für Spannung die Quadratwurzel aus dem Dämpfungsfaktor für Leistung ist, der Dämpfungsfaktor damit also noch kleiner wird und nicht etwa größer.

ChatGPT vs. Gigaherz-Jakob

Müde, die Irrtümer des Hans-U. Jakob zu zerpflücken, habe ich heute einmal etwas Neues ausprobiert und die Arbeit der KI ChatGPT überlassen. Das Ergebnis ist mMn erfrischend. Denn es zeigt, dass, wenn auch mit KI bestimmt viel Schindluder getrieben wird, KI im Gegenzug zur schnellen Bekämpfung von Desinformation verwendet werden kann. ChatGPT reagierte in Sekunden, wofür ich wesentlich länger gebraucht hätte. Und inhaltlich konnte ich in den Ausführungen der KI keine Fehler finden. Die folgenden Ausführungen der KI (kursiv gesetzt) sind leichter zu verstehen, wenn man zuvor den Beitrag von Jakob gelesen hat und in einem separaten Browsertab zum Nachschauen offen lässt:

Ein Dämpfungsfaktor von 32 bedeutet, dass die elektrische Feldstärke um diesen Faktor reduziert wird. Das entspricht einer Dämpfung in dB, die wir berechnen können:

𝐷dB = 20 ⋅ log10(32)

𝐷dB = 20 ⋅ 1,51 = 30,2 dB

Das ist eine sehr hohe Dämpfung für eine Backsteinwand bei 450 MHz. Typischerweise liegen die Werte eher zwischen 10 und 20 dB – 30 dB wären eher für massiven Beton oder Metallstrukturen realistisch.

Überprüfung der Berechnung mit diesem Dämpfungsfaktor

Wir starten mit der Feldstärke in 2 m Entfernung ohne Wand:

𝐸2,frei = 5 ⋅ 1/2 = 2,5 V/m

Dann wird die Feldstärke durch die Wand um den Faktor 32 reduziert:

𝐸hinter der Wand = 2,5/32 = 0,078 V/m

Vergleich mit der Angabe von 0,44 V/m

Der Autor gibt eine Feldstärke von 0,44 V/m an, aber mit einem Dämpfungsfaktor von 32 kommen wir nur auf 0,078 V/m.

Das bedeutet, dass entweder:

► Der angegebene Dämpfungsfaktor von 32 zu hoch ist. Ein realistischerer Wert wäre etwa 15 dB (≈ Dämpfungsfaktor 5,6), womit man auf 0,44 V/m käme.

► Die Feldstärke ohne Wand falsch berechnet wurde. Falls der Autor eine andere Ausgangsfeldstärke angenommen hat, könnte das die Diskrepanz erklären.

► Eine andere Wellenausbreitungsannahme verwendet wurde, z. B. Reflexionen oder Abschwächung in mehreren Stufen.

Fazit: Mit einem realistischen Dämpfungsfaktor (z. B. 5 bis 10) passt die Berechnung, aber mit 32 würde die Feldstärke auf unter 0,1 V/m sinken. Der Autor hat hier entweder einen Rechenfehler oder einen zu hohen Dämpfungswert für eine Backsteinwand angesetzt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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