Krebsseminar 2014: Ursachen-Therapie nach Dr. Mutter (UTM) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 21.09.2014, 21:12 (vor 3712 Tagen)

Dr. med. Joachim Mutter lädt für den 18. und 19. Oktober 2014 nach Kirchzarten (BW). Dort hält der Mann, der eigentlich Umweltmediziner ist, ein sogenanntes "Krebsseminar 2014" ab. Therapeuten sollen an Ort und Stelle über die "Ursachen-Therapie und Verhütung der häufigsten Krankheiten nach Dr. Mutter (UTM)" aufgeklärt werden. Seminargebühr: 400 Euro (inkl. Mittagessen), zu überweisen auf ein Privatkonto von Dr. Mutter. Co-Referenten sind Dr. med. Harald Banzhaf und Dr. med. Johannes Naumann, zwei Mediziner, mit denen Mutter häufig auftritt.

Doch die Buchungen für dieses Seminar lassen zu wünschen übrig, erkennbar daran, dass kürzlich noch ein Mailing gestartet wurde, um Unentschlossene doch noch zur Teilnahme zu überreden. In die Halle (großer Saal) des Kurhauses passen bei Theaterbestuhlung immerhin 400 Personen, ganz ungefährlich ist der Aufenthalt dort allerdings nicht (siehe Hintergrund).

Auf den Inhalt der Vorträge will ich nicht weiter eingehen, seriös wirkt das, was da aufgetischt wird, auf mich jedenfalls nicht. Aber: Ich bin kein Mediziner, kann darüber deshalb nicht fachkundig urteilen. Wer es genau wissen will, <hier> (PDF) sind alle Vortragsthemen aufgelistet.

Zur Ertragsoptimierung empfiehlt Mutter den Seminarteilnehmern vorbereitend zum Seminar einige Bücher zu lesen, zufällig stehen in der Empfehlungsliste seine eigenen Werke ganz oben.

Irritierend ist die Fürsorge gegenüber überzeugte "Elektrosensible": "Im Kurhaus ist während der Veranstaltung WLAN ausgestellt," heißt es, "Mikrofon u.a. wird per Kabel übertragen (nicht per Funk), alle Teilnehmer werden gebeten, ihre Handys, WLAN etc auszuschalten, Teilnehmer anderer Veranstaltungen werden informiert, nur im Außenbereich funkbasiert zu telefonieren: Ziel: Mehr Wohlbefinden und Konzentration." Von der gewohnten Dramatik fehlt hier jede Spur, glaubt man Dr. Mutter, bewirkt Funk nur eine marginale Reduzierung des Wohlbefindens und der Konzentrationsfähigkeit. Also, wenn's weiter nichts ist ... Warum überhaupt auf EHS hingewiesen wird ist mir nicht klar. Denn Krebstherapeuten haben in aller Regel mit der Elektrosmog-Phobie sowieso nichts am Hut, womöglich werden sie von Mutter jedoch auf Linie gebracht.

Trickreich ist folgende Passage aus dem Programm: "Zertifizierte Fortbildungspunkte (16) werden bei der Landesärztekammer beantragt. Die Fortbildung findet auf fachärztlichem wissenschaftlichen Niveau statt, wobei wir auf eine einfache und verständliche Sprache großen Wert legen." Soso, wissenschaftliches Niveau für Dummies. Eine Anfrage bei der Landesärztekammer BW hat heute allerdings ergeben: Das Seminar ist dort nicht bekannt, Fortbildungspunkte sind daher nicht in Sicht.

Dass Dr. Mutter sich jetzt, nach seinen Karrieren in den Jagdgründen der Amalgam- und Mobilfunkgegner, als Krebstherapeut inszeniert, ist neu. Seinem beruflichen Werdegang (PDF) zufolge hält der umstrittene Mediziner das Krebsseminar seit 2013. Möglicherweise ist dies eine Erklärung dafür, warum Mutter seit längerem in der Anti-Mobilfunk-Szene nicht mehr groß in Erscheinung getreten ist.

Ebenfalls neu: Seit 2012 will er Dozent im Masterstudiengang Komplementäre Medizin und Kulturwissenschaften, an der Europa-Universität Frankfurt (Oder) sein. Ein seltsamer Studiengang, auf der Website der Universität nur schwer zu finden, da Mutter die Reihenfolge vertauscht hat. Richtig heißt dieser Studiengang: Kulturwissenschaften und Komplementäre Medizin. Seltsam bleibt er trotzdem, wie folgendes Profil zeigt: "Das Studium wendet sich exklusiv an Ärzte, Apotheker und Psychotherapeuten sowie weitere Berufsgruppen mit einem akademischen Abschluss in den Gesundheitswissenschaften. Inhalte sind die Erforschung der geisteswissenschaftlichen Wurzeln der Medizin und Heilkunde und die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die das (schul)medizinische Wissen und Können sinnvoll ergänzen." Für mich hört sich das schwer nach astreiner Scharlatanerie an. Und tatsächlich: Der Studiengang findet am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) statt, dessen Chef Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach ist. Eben jener Walach, der 2012 mit dem "goldenen Brett" als Humbug-Professor ausgezeichnet wurde.

Hintergrund
Dr. med. Joachim Mutter im IZgMF-Forum
Gehen im Kurhaus bald die Lichter aus?
Harald Walach zur Verleihung von „Das Goldene Brett“ 2012

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Krebs, Werbung, Mutter, Fortbildungspunkte, GWUP, Alternativmedizin, Geistheiler, Dummies, Banzhaf, Institut IntraG, Ärztekammer, Walach, Detox-Klinik


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