Unverhoffter Nachruf auf einen Elektrosensiblen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 20.10.2012, 22:57 (vor 4412 Tagen)

Es muss 2002 oder 2003 gewesen sein, als im Fernsehen eine Dokumentation ausgestrahlt wurde, die die Politologin Dr. Stöcker und einen älteren Herrn namens Gerhard N. bei ihren Bemühungen zeigte, Interesse für die Belange von "Elektrosensiblen" zu wecken. Die beiden Lobbyisten waren vom Verein der Elektrosensiblen mit Sitz in München, Frau Dr. Stöcker war damals Vorsitzende dieses Vereins, auch Gerhard N. betrachtete sich als "elektrosensibel".

Nun ist Gerhard N. verstorben. Im www wird auf einigen EMF-Alarmseiten ein Nachruf auf ihn herumgereicht (Beispiel), geschrieben von dem Zahnarzt Dr. Claus Scheingraber.

Da der Zahnarzt zugleich dem kommerziell orientierten Arbeitskreis Elektrobiologie e.V. (AEB) vorsteht, stellt sich die Frage: Was hatte Scheingraber mit N. so intensiv zu tun, dass er sich zum Schreiben eines Nachrufs veranlasst sieht? Wäre es nicht Sache des Vereins der Elektrosensiblen gewesen, N. zu würdigen? Doch auf der Website des Vereins findet sich nichts zu N., und - noch befremdlicher - auch auf der eigenen Website des AEB ist vom Nachruf des Vorsitzenden nichts zu sehen. Es ist also wieder einmal widersprüchlich in der an Widersprüchen ohnehin aus allen Nähten platzenden Anti-Mobilfunk-Szene der D-A-CH-Länder.

Die kommerziellen Aspekte, die mit überzeugter "Elektrosensibilität" einhergehen, hatten zu Zeiten von Frau Stöcker im Verein der Elektrosensiblen einen durchaus hohen Stellenwert. Überliefert ist z.B. eine Besprechnung der Vereinsvorsitzenden mit Baubiologen. Es ging dabei um die regionale Aufteilung des Landes in "Vermittlungszonen": Meldete sich von irgendwo ein überzeugter Elektrosensibler bei dem Verein, sollten die Vermittlungszonen festlegen, welcher nächstgelegene Baubiologe dem Ratsuchenden zur Problemlösung zu empfehlen sei. Derartige Vereinbarungen wurden ganz ungeniert während turnusmäßiger Besprechungen von Baubiologen mit der Vereinsspitze diskutiert, nicht etwa diskret unter vier Augen.

Außerdem ist es ein Trugschluss zu glauben, die Anzahl der Mitglieder des Vereins für Elektrosensible sei identisch mit der Anzahl der im Verein organisierten überzeugten Elektrosensiblen. Denn wie mir meine Frau erzählte, versuchte der Verein der Elektrosensiblen die damals noch existierende "Funkpause München" (Dachverband Münchner Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk) geschlossen zum Eintritt bei den Elektrosensiblen zu bewegen. Dabei vertrat die "Funkpause", von einer Ausnahme abgesehen, gar keine Elektrosensiblen. Der Handel kam dann nicht zustande. Denn die Verhandlerin der "Elektrosensiblen" wusste keine überzeugende Antwort auf die Frage zu geben, welchen Nutzen die "Funkpause" von so einem Schritt hätte. Das Ziel der Verhandlerin war dagegen offensichtlich, ihr ging es darum, die Mitgliederanzahl ihres Vereins nach oben zu schrauben, um bei Ämtern, Behörden und Medien mehr Druck machen zu können.

Welche Rolle Gerhard N. in diesem Gespinst aus Überzeugung und kommerziell motivierter Umwerbung durch Baubiologen und ähnliche Branchen gespielt hat, das weiß ich nicht. Dass sein Nachruf ausgerechnet vom Vorsitzenden des AEB verfasst wurde, empfinde ich als Symptom der verborgenen Querverbindungen, die in der Anti-Mobilfunk-Szene so häufig sind.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Funkpause, AEB, Niemann, Nutznießer, Stöcker, Solidarität, Nachruf, Scheingraber, Lobbyist, EHS-Verein, DGUHT, Traueranzeige, Verstorben, Friedhof


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