Elektrosensible Bäume: Waldbesitzer vs. Forstamtsleiter (Allgemein)
In einem Artikel des Merkur treffen bei einem Ortstermin in Sichtweite des Funkturms Schöngeising ein Waldbesitzer und ein Waldexperte aufeinander. Der eine hält es ungeniert mit pseudowissenschaftlicher Esoterik und dem Glauben an krankmachende Funkstrahlen, der andere hält mit Fachwissen dagegen. Eine erhellende Auseinandersetzung. Und los geht's mit dem Merkur-Artikel:
Schöngeising – Können elektromagnetische Strahlen Bäume schädigen? „Gerade heuer ist das unzweifelhaft feststellbar“, sagt Johann Grüner, Waldbesitzer aus Zankenhausen. „Wissenschaftlich nicht nachweisbar“, sagt dagegen Forstamtsleiter Hans-Jürgen Gulder. Ein Ortstermin zu dieser Streitfrage in den Wäldern rund um den Funkturm Schöngeising.
Der Schlüsselbund an dem kleinen kurzen Kettchen kreist wild umher. „Oh, Sie haben ein ganz starkes Eigenmagnetfeld!“ sagt Johann Grüner zu dem Reporter, als sich dieser dem Zankenhausener bis auf einen halben Schritt genähert hat. Nicht ganz so wild, aber immer noch beträchtlich kreist der Schlüsselbund unterhalb Grüners Faust, als sich Forstamtsleiter Hans-Jürgen Gulder auf ähnliche Weise Grüner genähert hat.
Kleine Auftaktdemonstration, die beweisen soll, dass unsichtbare Magnetfelder unvermutete Wirkungen haben können. Wir haben uns am Jexhof getroffen. Vielleicht genau deswegen da, weil vor allem Städter hier an diesem idyllischen Ort, umgeben von Wäldern, eine heile Welt erfahren. Schon allein der geschichtliche Kontext des Bauerhofmuseums lässt neuartige Waldschäden (vulgo: Waldsterben) gar nicht zu.
Und tatsächlich: saftige, dunkelgrün-kühle Mischwälder hinter den in der Sommerhitze flimmernden Obstwiesen des Jexhofs. Doch Johann Grüner fordert uns auf, genauer hinzuschauen. Auf dem Kamm der leichten Höhenzüge in Richtung Funkturm, der von hier aus gut zwei Kilometer entfernt aber nicht sichtbar ist, sind die Bäume leicht schütter, das Grün heller, um nicht zu sagen mit einer Spur grau.
Wir steigen in Gulders Allradfahrzeug und fahren Richtung Funkturm, bis der Weg nach einigen rechts-links mitten auf einer kleinen Lichtung zu Ende ist. Der Landmaschinen-Meister hat hier vor über 30 Jahren einen Hektar Wald gekauft. „Der bräuchte dringend eine Durchforstung“, kommentiert der Forstmann nebenbei.
Grüner, trotz seines Rentenalters mit seiner Landtechnik-Werkstatt noch schwer beschäftigt, hat dafür keine Zeit. Aber darum geht’s heute auch nicht. „Die kahlen Wipfel der Laubbäume und das lichte Nadelkleid der Fichten zeigen die Auswirkungen des durch den Funkturm gestörten Umfeldes“, stellt Grüner nach jahrelanger Beobachtung fest. Während die im dichten Bestand stehenden Bäume das von außen kommende Magnetfeld teilweise abschirmen, seien Randbäume und einzeln stehende Bäume am meisten betroffen.
Der Forstmann Gulder hat dafür eine ganz andere Erklärung: „Randbäume sind immer sensibler, weil sie größeren Windkräften ausgesetzt sind und auch Schadstoffe direkter abbekommen.“ Besonders problematisch sei, wenn gerade Rotbuchen, die jahrzehntelang im Bestand standen, auf einmal frei stehen, weil die Bäume drumrum gefällt oder umgeworfen wurden. weiter ...
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –