Die "Argumentation" der Bürgerinitiative Wolfau (Allgemein)

Kuddel, Montag, 07.05.2012, 20:34 (vor 4578 Tagen) @ kureck
bearbeitet von Kuddel, Montag, 07.05.2012, 21:29

.... So neu ist die EMF-Forschung und EMF generell auch wieder nicht. ...

Eigentlich hat sich in den letzen 20 Jahren nichts geändert.

Rückblende auf den Stand der "Elektrosmog-Debatte" vor 20 Jahren...

>Hier< hat sich Udo Leuschner die "Elektrosmog-Literatur" zwischen 1990 bis 2000 angesehen und mit kritischen Bemerkungen versehen. Die Überschrift der Buchbesprechungen lautet passenderweise : "Zwischen Hokuspokus und Wissenschaft"

Sehr lesenswert (lustig)

Kleine Leseprobe der Rezension eines Buches von von Anton Schneider, dem Gründer des IBN:

Im Filmstudio genügt oft eine größere Badewanne, um den Effekt eines stürmisch bewegten Meeres hervorzurufen. Die Kamera darf dabei aber keinesfalls den Rand der Wanne ins Blickfeld bringen, um die Illusion haushoher Wellenberge nicht zu zerstören.

Ähnlich ist es mit dem Sturm im Wasserglas, den manche Bau-, Elektro- oder Geobiologen zum Thema "Elektrosmog" entfesseln. Neben offenkundigem esoterisch-parapsychologischem Unsinn gibt es auf diesem Gebiet eine semi-seriöse Literatur, die sich im wesentlichen physikalischer Begriffe und Argumente bedient, aber dennoch in grober Weise die Maßstäbe verzerrt, wenn es um die Beziehung zwischen Feldstärken und möglichen gesundheitlichen Risiken geht.

In dem vorliegenden Buch wird schon eine Feldstärke von 3 Nanotesla, wie sie in einem halben Meter Abstand von der Zuleitung einer 100-Watt-Glühlampe gemessen werden kann, als quasi gesundheitlich bedenklich hingestellt. Das aufkeimende Unbehagen des Lesers muß zum blanken Entsetzen werden, wenn er auf der nächsten Seite erfährt, daß im selben Abstand von der Zuleitung eines 2000-Watt-Heizkörpers gar 1400 Nanotesla gemessen worden seien.

Ohne Frage: Die genannten Werte können als realistisch gelten. Der Leser sieht aber nicht den Rand der Badewanne, in der diese magnetischen Stürme toben und scheinbar haushohe Wellen aufwerfen. So sind die erwähnten 3 Nanotesla praktisch kaum zu messen, weil sie im Hintergrundrauschen der allgegenwärtigen magnetischen Gleich- und Wechselfelder untergehen. Die hier suggerierte Vorstellung eines normalerweise feldfreien Raums, durch den nur die Stromleitung mit ihrem magnetischen Wechselfeld eine meterbreite Schneise schlägt, geht jedenfalls an der Realität vorbei.

Auch die 1400 Nanotesla in der Nähe des Heizkörpers - ein Wert, der sicher über dem Hintergrundrauschen liegt - sind keineswegs furchterregend. Schon das Erdmagnetfeld hat in unseren Breiten eine Stärke von 40000 Nanotesla, und schon die bloße Bewegung in diesem magnetischen Gleichfeld kann beim Menschen ähnliche Körperstromdichten bewirken wie das 50-Hertz-Feld an der erwähnten Zuleitung des Heizkörpers.

Immer wieder kolportieren die Autoren "Fallbeispiele", deren Grundmuster an den ständig wiederkehrenden Plot einer soap opera oder eines Werbespots erinnert. Szene 1: Ruhelos wälzt sich das "elektrosensitive" Opfer des Elektrosmogs in seinem Bett, weiß keinen Rat, woher seine Beschwerden rühren könnten, konsultiert erfolglos Ärzte und Psychotherapeuten. Szene 2: Der Baubiologe tritt auf den Plan, enttarnt mit kundigem Blick irgendwelche elektrischen Leitungen und Geräte als tatsächliche Quelle des Übels und sorgt für rasche Abhilfe.

Es mag ja sein, daß sich diese Fallbeispiele für das subjektive Bewußtsein der Beteiligten tatsächlich so abgespielt haben. Es fällt aber doch auf, wie oft die angeblichen Opfer des Elektrosmogs ausgerechnet "baubiologisch" vorbelastete Bauherren und Mieter sind, die keinen Aufwand und keine Mühe scheuen, um genau jenem Verhängnis zu entgehen, dem sie dann doch zum Opfer fallen. Es scheint irgendwie mit dem exorzistischen Aufwand zusammenzuhängen, daß der Elektrosmog-Teufel a) vor allem die frömmsten Häuser befällt, b) so hartnäckig widersteht und c) immer erst dann weicht, wenn ein Bautheologe - pardon, Baubiologe - die richtige Beschwörungsformel findet.


K

Tags:
Hokuspokus, Erdmagnetfeld, Schneider, Leuschner


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