"Schutz vor Strahlung": Versteckte Geschäftemacherei aufspüren (Allgemein)
Versteckte Strahlungsquellen aufspüren, Strahlung reduzieren und abschirmen ist gar nicht so schwierig, frohlockt der Schweizer Verein "Schutz vor Strahlung" im Werbetext für einen seiner kostenpflichtigen Kurse. Doch wenn die Kursteilnehmer Tante Emma und Onkel Hans sich binnen sieben Stunden zu Elektrosmog-Experten fortbilden lassen wollen, sind die Ausbilder keine Profis, sondern eine Uhrmacherin und ein Fachmann für Obst-, Wein- und Gartenbau. Unter Blinden sind die Einäugigen freilich die Könige.
Die Elektrosmogdebatte war nie eine Graswurzelbewegung der Bevölkerung, sondern von Anfang an eine Inszenierung mit kommerziellem Hintergrund. Für diese Behauptung gibt es Indizien ohne Ende. Noch vor 20 Jahren war es jedoch anrüchig, pflegten echte oder vermeintliche Bürgerinitiativen offen Kontakte zu Branchen, deren Geschäftsmodelle auf irrationalen Befürchtungen gegenüber Elektrosmog beruhen. Seither ist die Hemmschwelle merklich niedriger geworden, Mobilfunkgegner und Kommerz arbeiten Hand-in-Hand. Ein aktuelles Beispiel liefert der Schweizer Verein "Schutz vor Strahlung".
Unser Wissen für Ihren Erfolg
Mit platten Marketingsprüchen wie "Unser Wissen für Ihren Erfolg" preist der Verein sein Programm an unentgeltlichen und kostenpflichtigen Kursen an. Referentin ist ausnahmslos Rebekka Meier, die Präsidentin des Vereins, eine gelernte Uhrmacherin und eigenen Angaben zufolge Funkamateurin. Meier ist seit 2020 Präsidentin des Vereins.
Am 23. August 2025 gibt Meier von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr in Bern den Kurs "Messen, abschirmen und Strahlung reduzieren", wobei offen bleibt, was "schirmen" von "Strahlung reduzieren" unterscheidet. Der Kurs inklusive Verpflegung kostet Teilnehmer 95 CHF, Vereinsmitglieder erhalten 10 CHF Nachlass. Ausnahmsweise trägt Meier nicht solo vor, gemäß Ankündigung steht ihr mit Ronald Jaudas ein "Messtechniker" zur Seite. Messtechniker ist weder eine Berufsbezeichnung, noch ein Lehrberuf, sondern die Beschreibung einer Tätigkeit.
Jaudas ist jedoch kein Elektrotechniker, er ist Agronom FH, studierte an der ZHAW Obst-, Wein und Gartenbau mit Vertiefung in Gemüseanbau und Betriebswirtschaft (Quelle). Nach leitenden Tätigkeiten im Agrarsektor wechselte er 2020 in die Geschäftsleitung der von Katharina Jaudas neu gegründeten Adventus GmbH mit Sitz in Trubschachen. Die Gesellschaft, offenbar ein Familienbetrieb, bezweckt den Handel von Lebensmitteln, Geschenk-, Gesundheits- und Gartenartikeln sowie das Erbringen von Lebens- und Gesundheitsberatungen. Vor etwa zwei Jahren entstand dann Adventus-Elektrosmog als eine Abteilung der Adventus GmbH.
Die Website der neuen Abteilung unterscheidet sich inhaltlich nicht von anderen kommerziellen Websites, deren Geschäftsmodelle auf dem Wecken von irrationalen Befürchtungen beruhen. Auch Adventus-Elektrosmog schürt solche Befürchtungen mit einem extrem einseitig auf Alarm ausgerichteten Informationsangebot. Beispielsweise mit Links auf die unsägliche Alarmstudiendatenbank des Vereins Diagnose-Funk Deutschland oder mit einem Schreckenkabinett von Krankheiten, die angeblich allesamt dem Elektrosmog anzulasten sind. Jaudas will ohne Wenn & Aber aus kommerziellem Interesse große Ängste gegenüber Elektrosmog verbreiten und nicht seriös über kleine Restrisiken aufklären.
Hinzu kommt: Es fehlt jegliches Bekenntnis, was vor gut zwei Jahren über den Agronom gekommen ist, dass er den Acker plötzlich Acker sein lässt und sich mit großer Hingabe dem unsichtbaren Elektrosmog in der Luft zugewendet hat. So eine Umorientierung ist ja nicht per se schlecht, ginge dem Neuanfang eine anerkannte Qualifizierungsmaßnahme voraus. So aber steht zu befürchten, der Agronom wurde womöglich von der Uhrmacherin für seine neuen Aufgaben gedrillt .
Ängste sozialisieren, Erträge privatisieren
Adventus Elektrosmog bietet Dienstleistungen rund um Mobilfunk-Einsprachen sowie Elektrosmogmessungen im Raum Bern/Luzern an. Unterstützung bei Einsprachen schlägt pro Stunde mit 150 CHF zu Buche, wobei im Mittel mit fünf bis sieben Arbeitsstunden gerechnet werden muss. Der Preis für eine Schlafplatz- oder Wohnzimmermessung (mit Bericht) beträgt pauschal 480 CHF, jede weitere Bettmessung kommt auf 135 CHF.
Das Laien-Duo Meier-Jaudas fügt aus meiner Sicht der Schweiz Schaden zu. Weil das reichlich abstrakt klingt, hier ein paar spontane Konkretisierungen des Vorwurfs:
► Sie verleiten Bürger zu mehr oder weniger abwegig begründeten Einsprachen gegen Mobilfunk-Infrastruktur, die in aller Regel auf dem Instanzenweg bis hin zum Bundesgericht mehrfach abgewiesen werden und den Einsprechern tausende von Franken kosten (Beispiel 68'000 CHF).
► Sie schüren irrationale Ängste, die Menschen tatsächlich krank machen können.
► Sie sozialisieren die irrationalen Ängste und Lasten mit allen Mitteln und privatisieren die daraus resultierenden Erträge in die eigene Tasche.
► Sie gefährden aus persönlichem Geltungsbedürfnis den sozialen Frieden an Brennpunkten der Mobilfunk-Infrastruktur.
► Sie sind fachliche Laien und wähnen sich dennoch kompetenter als echte Experten und Wissenschaftler. Damit untergraben sie das Vertrauen in Wissenschaft und staatliche Fürsorge.
► Sie verteuern den Ausbau der Mobilfunk-Infrastruktur, wobei die Netzbetreiber die Mehrkosten letztlich mit unnötig kostspieligen Tarifen an die Bevölkerung weiterreichen.
Der Staat, so heißt es, schütze die Dummen, nicht aber die Faulen, die zu bequem sind, sich angemessen zu informieren.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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