Elektrosmog-Experten: Das Kreuz mit der Qualifikation (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 12.12.2013, 12:02 (vor 4018 Tagen)

In der Anti-Mobilfunk-Szene wimmelt es geradezu von Elektrosmog-Experten, die meisten freilich sind selbsternannt. Für technische Laien, wie sie auch in kommunalen Einrichtungen sitzen, ist es schwierig, echte Experten von Pseudoexperten zu unterscheiden. Wer in die falsche Kiste greift, kann in Bayern bares Geld verschenken, denn dort werden kommunale Projektkosten für einen Elektrosmog-Experten bis zu 90 Prozent vom Staat getragen - jedoch nur dann, wenn die Kommune keinen Pseudoexperten beauftragt hat (FEE-2-Förderung).

Hier eine kleine subjektive Orientierungshilfe:

Die Premium-Klasse der Elektrosmog-Experten sind von der zuständigen IHK öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige. Diese Leute müssen höchsten Anforderungen an die fachliche Qualifikation genügen, deshalb gibt es davon auch nicht allzu viele. Das bundesweite Sachverständigenverzeichnis der IHKs weist gegenwärtig 124 solche Experten aus (darunter nur ein einziger aus der Anti-Mobilfunk-Szene, deren lauteste "Sachverständige" allesamt dort fehlen). Diese Sachverständigen stehen mit ihrem Namen persönlich für ihre Arbeit gerade.

IHKs haben an Sachverständige folgenden Anspruch: Ein Sachverständiger ist eine unabhängige, unparteiische sowie integere Person, die auf einem oder mehreren bestimmten und eng abgegrenzten Sachgebieten über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfügt und diese Sachkunde anderen Personen oder Einrichtungen einschließlich den Gerichten in der Regel gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Ein Sachverständiger sollte in der Lage sein, fachlich komplizierte Sachverhalte für den Laien verständlich und nachvollziehbar darzustellen und somit als Mittler zwischen der „Fachwelt“ und dem Laien zu fungieren.

Der in der Anti-Mobilfunk-Szene hoch gehandelte Verein "Umweltinstitut München" würde sich schwer tun, seinen EMF-Experten als Sachverständigen weihen zu lassen. Der Verein ist zweifelsfrei parteiisch zugunsten der Mobilfunkkritiker (Beispiele), die Anforderung "unparteiisch" für den EMF-Experten Ulrich-Raithel daher unüberwindbar.

Dicht unter der Premium-Klasse sind die akkreditierten EMF-Messlabore. Die müssen qualitativ nicht schlechter sein als die Sachverständigen, die Akkreditierung als Qualifikationsmerkmal wird jedoch nicht an die Person vergeben, sondern an die Firma, in der die geprüfte Person beschäftigt ist. Verlässt ein qualifizierter Mitarbeiter so eine Firma und wird durch einen unqualifizierten ersetzt, bleibt die Akkreditierung davon zunächst unberührt bestehen bis zur nächsten turnusmäßigen Erneuerung. Das blinde Vertrauen auf einwandfreie Qualifikation muss bei solchen Laboren daher einen Tick höher sein, als bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.

Unterhalb der akkreditierten Messlabore tummeln sich zahllose Elektrosmog-Messtechniker, die qualifiziert sein können, dafür jedoch keinen allgemein anerkannten Qualitätsnachweis vorlegen können, auch Pseudoexperten, etwa flüchtig um- oder nachgeschulte Allgemeinmedizinerinnen aus Bamberg finden sich hier gleich neben Sachverständigen mit fragwürdiger Zertifikation. Als grobes Erkennungsmerkmal für die Qualifikation kann auf dieser Ebene die Messgerätausstattung gelten: Kommt ein sogenannter Experte mit einem Messgerät der Hobbyklasse daher, ist grundsätzlich Argwohn angesagt. Aber auch eine teure Ausstattung ist keine Garantie, z.B. dann, wenn Messwerte in einem Messgutachten zwar korrekt gemessen wurden, jedoch stillschweigend spektakuläre Spitzen- statt unspektakulärer Effektivwerte benennen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Umweltinstitut München, Fee-2-Projekt, EMF-Sachverständiger, Pseudoexperten, Qualifikation, Pseudo-Fachwelt, Zertifikat, Akkreditierte Messstelle, Autodidakte


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