Hinweise zur "eindeutigen Studienlage" von Herrn Hensinger (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 07.06.2012, 13:16 (vor 4561 Tagen) @ H. Lamarr

Antwort Hensinger: Es gibt Gebiete, auf denen die Studienlage eindeutig ist. So stellte das renommierte Ecolog-Institut nach einer Auswertung aller Studien zum Thema Handy und Spermienschädigung im Oktober 2011 fest, dass von 27 weltweit veröffentlichen Studien 22 ein Schädigungspotential zeigen.

Jetzt schau'n wir mal, auf was die angeblich "eindeutige" Studienlage aufbaut.

Dass Herr Hensinger keine Kompetenz hat, Studien zur Fruchtbarkeit des Mannes (nicht: Furchtbarkeit ...) zu beurteilen, kann man ihm nicht vorwerfen, der Mann ist dem Vernehmen nach Deutschlehrer und kein Wissenschaftler. Er ist daher auf fremde Hilfe angewiesen. Im aktuellen Beispiel holt er sich diese beim "renommierten Ecolog-Institut". Das Ecolog-Institut mit Sitz in Hannover beschäftigt acht angestellte Mitarbeiter, von denen, weil es die einzige Biologin des Instituts ist, eigentlich nur Julia Osterhoff für die Bewertung von Studien zum Thema Fertilität fachlich geeignet ist.

Die Arbeit, auf die sich der Lobbyist von Diagnose-Funk beruft, sie entstammt der Publikation EMF-Monitor 5/2011 des Ecolog-Instituts, nennt jedoch als Autor Herrn Hartmut Voigt, einen Dr. der Physik. Hensinger, der sonst das Gras wachsen hört, stört sich daran nicht, denn der Ecolog-Beitrag eignet sich zum Alarm schlagen. Das Institut selbst sieht den eigenen Beitrag freilich weitaus weniger dramatisch, in der Inhaltsangabe zu der Publikation heißt es dem Sachstand angemessen verhalten: "Unfruchtbarkeit beim Mann als mögliche Folge der Nutzung von Mobiltelefonen". Die "mögliche Folge" gedeiht erst unter der Darstellung des Mobilfunkgegners zur "eindeutigen Studienlage".

Und es kommt noch besser.

In den 22 alarmierenden Studien, auf die sich erst das Ecolog-Institut und darauf dann in bewährter Copy-Paste-Manier Herr Hensinger stützen, sind auch zwei Studien von Salama et al. enthalten, nämlich:

Salama N., Kishimoto T., Kanayama H.0. & Kagawa S. 2009: The mobilephone decreases fructose but not citrate in rabbit semen: a longitudinal study.Syst. Biol. Reprod. Med.55 (5-6): l8l-187.

Salama N., Kishimoto T. & Kanayama H.O. 2010: Effects of exposure to amobile phone on testicular function and structure in adult rabbit. Int. J. Androl.33 (l):88-94

Mit diesen beiden Studien hat es eine besondere Bewandtnis: Prof. Alexander Lerchl von der SSK hat sie sich genauer angesehen, das für Salama desaströse Resultat kann man hier nachlesen. Warum in der Studienliste von Ecolog die dritte Salama-Fertilitätsstudie - aus dem Jahr 2010 und ebenfalls zurückgezogen - fehlt, ist nicht ersichtlich (Effects of exposure to a mobile phone on sexual behavior in adult male rabbit: an observational study. Salama N, Kishimoto T, Kanayama HO, Kagawa S. Int J Impot Res. 2010; 22:127-33).

Der "eindeutigen Studienlage" Hensingers wurden damit im März 2012 zwei (von 22) alarmierende Studien entzogen. Herr Hensinger wird jetzt vermutlich denken: "Na und, bleiben doch noch 20 übrig!". Leider ist in der Mobilfunkszene diese verkürzte Sichtweise gang und gäbe, solange sie nur die eigenen Interessen stützt. Schluckt man jedoch nicht unkritisch alles, was schmeckt, sondern schaut genauer hin, was drin ist, dann ist mit Überraschungen zu rechnen, etwa mit fehlerhafter Dosimetrie, wie in diesem IZgMF-Beitrag beschrieben. Niemand weiß momentan, was von den verbleibenden 20 alarmierenden Studien übrig bleibt, wenn diese einer kritischen Prüfung, z.B. der Dosimetrie unterzogen werden. Immer lohnenswert ist auch ein Blick auf die Stärke der Befeldung, Mobilfunkgegner haben nämlich erfahrungsgemäß keinerlei Hemmungen mit Studien Alarm zu schlagen, die weit über Grenzwert befelden.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Dosimetrie, Qualitätsmängel, Fruchtbarkeit, Trick, Fruchtbarkeitsstörung, Fertilität, Kolportage, Diagnose:Funk, Unfruchtbarkeit, Salama, über Grenzwert


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