Elektrosmog-Report: Fachinformationsdienst, sogenannter (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 13.08.2011, 00:19 (vor 4871 Tagen)

Der "Fachinformationsdienst" Elektrosmog-Report, redaktionell in der Verantwortung des Katalyse-Instituts, ist, wie mehrfach berichtet, ein ziemlich einseitig orientiertes Szeneblättchen, dem Objektivität so fremd ist wie einem Literaturprofessor das Timing des Zeitschlitzverfahrens bei GSM.

In der August-Ausgabe 2011 des Reports beäugt Redakteurin Isabel Wilke in einem Beitrag mit dem Titel "Krebsraten durch Mobilfunk in England und Brasilien" gleich zwei Studien:

Die Studie in England fand nach Analyse der registrierten Hirntumorfälle im Zeitraum 1998 bis 2007 keinen signifikanten Anstieg bei Hirntumoren. Ein solcher aber müsste sich zeigen, wenn die seit Anfang der 90-er Jahre in England genutzten Handys solche Tumoren bewirken oder begünstigen.

Die Studie in Brasilien meldet für den Zeitraum von 1996 bis 2006 einen Anstieg der Krebstoten im Umkreis von 500 Metern zu Mobilfunk-Basisstationen (BTS) in der Stadt Belo Horizonte. Mit sinkendem Abstand zu einer BTS und zunehmender Immission fanden die Wissenschaftler mehr Krebsfälle. Im Süden des Stadtzentrums, wo die meisten BTSn stehen, gäbe es auch die meisten Krebstoten [Admin: Details zu dieser Krebsstudie aus Belo Horizonte inklusive Link zum Volltext der Arbeit finden Sie <hier>].

Die Situation ist also die, dass die eine Studie Entwarnung gibt, die andere dagegen alarmiert. Der Elektrosmog-Report meint dazu: "Die Arbeiten scheinen sich zu widersprechen", und vermutet unter anderem: "... vielleicht würde man mit denselben Daten aus England andere Ergebnisse erzielen, würde man ebenfalls die räumliche Verteilung der Krebsfälle untersuchen."

Handys mit Basisstationen verglichen
In dem Bemühen, die zahlende Leserschaft mit Alarmmeldungen bei der Stange zu halten, hat Frau Wilke völlig ausgeblendet, dass es in der England-Studie um Handys geht (Hirntumoren), in der Belo-Horizonte-Studie dagegen um Basisstationen (allg. Krebs). Leider kümmert sich Frau Wilke nicht um den offenkundigen Widerspruch, dass, wenn überhaupt, Handys und nicht Basisstationen krebsauslösend sind, und deshalb die Engländer etwas hätten finden müssen, nicht aber die Brasilianer. Dass es keine Kunst ist, räumliche Krebscluster zu finden, zeigte 2005 schon das Bayerische Krebsregister. Bei der hohen Senderdichte in Millionenstädten wie Belo Horizonte ist es sehr einfach möglich, Krebscluster mit Sendemasten in Verbindung zu bringen - selbst wenn Sendemasten mit den Krebsfällen nicht das geringste zu tun haben. Dies sollte eigentlich auch die Redaktion des Elektrosmog-Reports wissen, die es überdies versäumt hat, die Daten aus Belo Horizonte einer ernüchternden Plausibilitätsprüfung mit den Daten aus einer deutschen Großstadt, zum Beispiel München, zu unterziehen.

Störfaktor Horst Eger ignoriert
Die England-Studie meldet für Krebs im Schläfenlappen einen leichten Anstieg. Dieser ist so leicht, dass er weniger als 1 Fall pro 100'000 Personen in 10 Jahren verursacht. Aus Sicht des Elektrosmog-Reports könnte dieser leichte Anstieg unter der Maßgabe, Krebs brauche 20 Jahre, um epidemiologisch wahrgenommen zu werden, ein erstes Anzeichen für eine ansteigende Kurve darstellen. Dieser alarmierende Hinweis sollte (neben anderen) genügen, "um die Strahlung vernünftig zu reduzieren". Dramatische Worte. Die Gegenstimme dazu tönt Frau Wilke aus den eigenen Reihen entgegen

Ausgerechnet Sendemastengegner Dr. Horst Eger (Naila-Studie) stellt dieser Interpretation der E-Smog-Reporterin ein Bein. Denn Eger hat nicht nur einmal, sondern schon zweimal "bewiesen": Schon bei den mickrigen Feldern von Basisstationen genügen nur fünf Jahre, damit sich der Krebs im Nahbereich eines Masten gegenüber dem Fernbereich vervierfacht! Also wie ist das nun, Frau Wilke: Wenn etwa 0,00001 W/kg Immission durch eine BTS (in ca. 100 Meter Entfernung) angeblich nach fünf Jahren zu Krebs führen soll, wieso sollte dann bei bis zu 200'000-fach stärkerer Immission durch ein Handy (2 W/kg) der Krebs sich viermal länger Zeit lassen (20 Jahre), um auszubrechen? Und warum stellen nicht auch Sie sich solche Fragen?

Frei erfundenes Gegenargument
Im Herbeireden von Wenn-&-Aber-Szenarien, warum eine Entwarnung vielleicht in Wahrheit doch keine ist, schlussfolgert Frau Wilke zur England-Studie beinahe richtig: "Theoretisch könnten in England andere Krebsarten zurückgegangen sein, so dass eine mögliche Verschiebung zu mehr Hirntumoren durch die Gesamtzahl nicht wiedergegeben wird." Im Prinzip könnte dies tatsächlich zutreffen, und so z.B. ein Rückgang bei Lungenkrebs eine Zunahme bei Hirntumoren verdecken. Nur hat Frau Wilke auch hier etwas übersehen, nämlich dass in England eben nicht die Summe aller Krebse analysiert wurde, sondern ausschließlich Hirntumoren! Wilkes Einwand ist daher das Papier nicht wert, auf dem er steht. Ich bin der Meinung, von einem kostenpflichtigen sogenannten Fachinformationsdienst dürfen die Leser weniger laienhafte Desinformation erwarten, wie sie auf vielen Websites zum Thema EMF gang und gäbe sind. Für solche Fehlleistungen auch noch 72 Euro Jahresabogebühr zu bezahlen, halte ich für rausgeworfenes Geld.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Hirntumor, Elektrosmog-Report, Widerspruch, Katalyse-Institut, Wilke, Fachinformationsdienst, Belo Horizonte-Studie, Störfaktor


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