Schweiz: Orange Antennenstandort vor der Nase weggekauft (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 19.08.2012, 12:41 (vor 4491 Tagen)

Zu einem kuriosen Rechtsstreit ist es in der Schweiz gekommen, wie die Aargauer Zeitung berichtet.

Es begann Mitte 2009: Mobilfunkbetreiber Orange Communications SA beantragte beim Gemeinderat von Suhr, Schweiz, eine UMTS-Basisstation auf dem Gebäude in der Bachstraße 10 zu errichten. Dieses Vorhaben rief den Naturheilkundler Marc Antoine Viatte auf den Plan, der seine Praxis knapp 100 Meter vom geplanten Standort weg hat. Der gelernte Drogist fürchtete, so die Zeitung, im Hauptstrahl der UMTS-Antenne würden seine Diagnosegeräte versagen und er so seine Erwerbsgrundlage verlieren.

Im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzung wurde deutlich, dass sich im Standortgebäude eine Dachwohnung befindet. Dies ist, weil Wohnung, ein "Ort mit empfindlicher Nutzung" (OmeN), der im Standortdatenblatt mit einer Maximalimmission von 6 V/m hätte berücksichtigt werden müssen, was aber nicht geschehen war. Im Dezember 2011 wurde daher Orange aufgefordert, ein neues Standortdatenblatt einzureichen und zu erläutern, wie das Dach unter der Antenne konkret mit einem Immissionsschutz auszurüsten sei. Dieser Forderung kam Orange nach.

Aber: In der Zwischenzeit war das fragliche Gebäude verkauft worden, nicht an irgendjemanden, sondern an einen der Einsprecher, der zusammen mit Naturarzt Viatte und anderen selber Beschwerdeführer war. Dieser neue Eigentümer aber verweigerte seine Zustimmung zum Anbringen des von Orange vorgeschlagenen Immissionsschutzes.

Das Gericht konnte jetzt nicht anders: Da ohne die zusätzlich geforderte Abschirmung unter dem Dach der OmeN-Grenzwert überschritten werde, sei der geplante Standort nicht bewilligungsfähig.

Kommentar: 6 V/m sind rund 100 mW/m², gefühlt also ganz schön viel. Dieser relativ hohe Wert wundert mich deshalb, weil wir, ebenfalls im Dachgeschoss, schräg unter einer 16 Meter entfernten GSM/UMTS-Kombiantenne weitaus geringere Werte, direkt unterm Dach etwa 0,5 mW/m², eine Zwischendecke (Beton) tiefer, nur noch um die 10 µW/m². Dabei haben wir in 90 Meter noch einen zweiten UMTS-Mast, der auch noch ein bisschen zur Befeldung bei uns beiträgt. Warum die Immission bei dem Standort in Suhr mindestens 200-mal höher sein soll, bezogen auf die Leistungsdichte, ist mir nicht ganz klar. Wahrscheinlich ist es eine Nebenkeule, die auf einer räumlich eng begrenzten Fläche in der Wohnung (rechnerisch) zu Werten über 6 V/m führen könnte, wenn alle ungünstigen Annahmen (z.B. Vollauslastung der Antennen) eintreten.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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