Asbest - auch Mobilfunk ?
Da geht's zwar um Asbest, - aber ... (RH)
DIE WELT
Artikel erschienen am 8. Mai 2004
(c) DIE WELT
Wissenschaft
Krebsfälle durch Asbest steigen an
Das erste spezifische Medikament gegen den Asbest-Tumor steht vor der EU-Zulassung
von Christian Heinrich
New York - Es brennt, fault oder korrodiert nicht und ist chemisch beständig: Asbest lässt sich einsetzen als Isoliermaterial, Feuerschutzverkleidung, Beimischung für Zement und Bremsbelag. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es als das "Material der tausend Möglichkeiten". Jährlich wurden bis zu 230 000 Tonnen verwendet in Deutschland.
Heute besitzt das Wort Asbest einen unangenehmen Beiklang. Seit 1993 ist die Substanz in Deutschland verboten, denn es ist erwiesen, dass Asbest verantwortlich ist für das so genannte Mesotheliom, ein Tumor des Lungenfells, der fast immer tödlich verläuft. Doch obwohl Asbest seit elf Jahren aus dem Verkehr gezogen und aus unserer Umgebung weit gehend verschwunden ist, nehmen die Neuerkrankungen an Mesotheliomen weiterhin konstant zu.
Das liegt daran, dass zwischen Kontakt mit dem Asbest und Auftreten der Krankheit in der Regel 20 bis 50 Jahre vergehen. Wer beispielsweise in den sechziger Jahren das letzte Mal häufig mit dem Material zu tun hatte, könnte theoretisch heute daran erkranken. Dieser "eiserne Griff der Latenzzeit", wie Professor Irving Selikoff aus New York die Situation bezeichnet, ist verantwortlich dafür, dass bei der Fallzahl der Mesotheliome noch der Höhepunkt bevorsteht: Derzeit erkranken in Deutschland pro Jahr etwa 600 Patienten an Mesotheliomen auf Grund einer Asbestose, in den nächsten Jahren wird sich Wissenschaftlern zufolge diese Zahl noch verdoppeln. Nach ihren Schätzungen wird das Maximum zwischen 2010 und 2020 erreicht.
Die tödliche Lungenkrebsform ist schwierig zu erkennen. In der Regel können die Patienten nicht mehr bestrahlt oder operiert werden, wenn das Mesotheliom schließlich diagnostiziert wird. An Medikamenten gibt es dann kaum Möglichkeiten. "Derzeit existiert keine kausale Therapie gegen Mesotheliome", so Steffi Bitter-Suermann von der deutschen Gesellschaft für Pneumologie. Hoffnung verspricht nun Pemetrexed. Mit diesem Wirkstoff befindet sich jetzt das erste spezifische Medikament gegen Mesotheliome in Deutschland in der Zulassungsphase. Pemetrexed behindert die Folsäure-Synthese. Für das Wachstum der Tumorzellen ist Folsäure von grundlegender Bedeutung. Da dieser Wirkmechanismus auch bei anderen Tumorarten anwendbar ist, wird Pemetrexed derzeit auch zur Behandlung von anderen Tumoren geprüft.
Zur Behandlung von Mesotheliomen ist es seit Februar 2004 in den USA bereits zugelassen. In Studien konnte mithilfe von Pemetrexed eine 30 Prozent längere Überlebenszeit erzielt werden. In Kombination mit Cisplatin, das ebenfalls das Zellwachstum behindert, verkleinerte sich der Tumor sogar bei 41 Prozent der Patienten. Die gefährlichen Asbestfasern gelangen durch die Atemwege in die Lunge. Normalerweise werden Fremdstoffe in der Lunge von Fresszellen, den Makrophagen, eingeschlossen und verdaut. Manche Asbestfasern haben aber genau die Länge, dass sie zwar in die Lunge gelangen, dort allerdings nicht abgebaut werden können.
Diese rund 100 Mikrometer langen und nur zwei Mikrometer dicken Fasern können von den Makrophagen nicht vollständig umschlossen werden, ragen aus den Zellen heraus und richten diese zu Grunde. Das lockt wieder neue Fresszellen an: So entstehen im Gewebe Ansammlungen aus Asbest und toten Zellen, die das Atmen erschweren. Diese Asbestose genannte Krankheit führt zum Mesotheliom, bei dem das Lungenfell durchsetzt wird von Tumorgewebe. Mit einer Zulassung für das Erfolg versprechende Pemetrexed der Pharmafirma Lilly wird in Europa im Jahr 2005 gerechnet.
(c) DIE WELT
nur private Nutzung zulässig