"Spatenpauli" widerspricht Kundi (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 16.08.2018, 19:03 (vor 2302 Tagen) @ H. Lamarr

Das FMK (Forum Mobilkommunikation, Interessenvertretung der österreichischen Mobilfunknetzbetreiber) widerspricht in einer Pressemitteilung Prof. Kundi.

Der beanstandete Originaltext von Kundi lautet:

Die Meinung des FMK, dass sich im Anstieg der Hirntumorinzidenz zeigen müsste, ob es ein Risiko der Handynutzung gibt, ist nicht richtig. In den Ländern mit up-to-date Hirntumorregistern gibt es in den letzten etwa 10 Jahren massive Anstiege für besonders bösartige Hirntumore. In Österreich existiert ein Hirntumorregister erst seit einigen Jahren und man kann daher für Österreich keine langfristige Untersuchung anstellen.

Ich bin enttäuscht von Prof. Kundi. Denn Berichte über massive Anstiege bei speziellen Hirntumoren geistern schon seit vielen Jahren durch die internationale Anti-Mobilfunk-Szene, insofern käut Kundi nur Bekanntes wieder. Und genau hinsehen darf man bei diesen Berichten nicht. Tut man es doch, fallen einem schnell Ungereimtheiten auf. So verliert z.B. ein "massiver Anstieg", um sagen wir einmal 100 Prozent (Verdopplung), seine Schrecken sobald man erkennt, dass von je 100'000 Personen einer Bevölkerung z.B. nur drei von einem Hirntumor betroffen sind. Nach einer Verdopplung sind es dann sechs Personen. Möglich macht dieses böse Spiel mit Zahlen der Umstand, dass Hirntumore eine seltene Erkrankung sind.

Trickreich auch das Vorgehen, Statistiken der Krebsregister nach Hirntumoren zu durchflöhen, die einen "massiven Anstieg" zeigen, wie dies z.B. in Schweden passiert ist. Dazu muss man wissen, dass es etwa 150 unterschiedliche Typen von Hirntumoren gibt. In Schweden wurde der ersehnte Anstieg bei Tumoren mit dem ICD-Code D43 gefunden. Doch das sind Tumoren unsicheren/unbekannten Verhaltens, bei denen die Ärzte selbst nicht genau wissen, ob es sich um gut- oder bösartige Wucherungen handelt. Sollten durch feinere Diagnosetechniken also Tumoren früher (=häufiger) entdeckt werden, eine klare Zuordnung zu bös- oder gutartig jedoch scheitern, dann landen diese Fälle unter D43. Mobilfunkgegner scheren derartige Einwände nicht. Sie propagierten den Anstieg bei D43 kurzerhand als mobilfunkgemacht, weil eine mehr oder weniger gut passende zeitliche Korrelation zum Aufkommen von GSM, UMTS oder LTE sichtbar ist. Dass eine Korrelation Zufall sein kann und noch lange kein Beleg für einen Kausalzusammenhang ist, das wird geflissentlich übersehen. Und warum Telefonieren mit dem Handy ausgerechnet Tumoren vom Typ D43 verursachen sollte und keinen der 149 anderen Typen, auch dafür haben Alarmisten keine Antwort. Ebenfalls nicht dafür, dass es in Deutschland keine Verdopplung der Hirntumoren gibt, auch nicht mit der Diagnose D43.

Der Artikel auf meinbezirk.at liest sich für mich wie ein Rückzugsgefecht überzeugter Mobilfunkgegner, die nichts Substanzielles in der Hand haben, um ihre Bedenken glaubhaft zu machen. In solchen Fällen wird gerne mit der Angst der Leute vor einer ungewissen Zukunft gespielt. Diese Methode ist alt. Schon vor rund 100 Jahren sorgte sie mit dem berühmten Haarmann-Lied für Gruselschauer:

Warte, warte nur ein Weilchen,
bald kommt Haarmann auch zu dir,
mit dem kleinen Hackebeilchen,
macht er Schabefleisch aus dir.
Aus den Augen macht er Sülze,
aus dem Hintern macht er Speck,
aus den Därmen macht er Würste
und den Rest, den schmeißt er weg.

Hintergrund
Hirntumoren: angeblich starke Zunahme in Schweden
Bösartige Hirntumoren in UK von 1995 bis 2015 mehr als verdoppelt
Verdopplung "aggressiver" Gehirn-Tumoren in Dänemark

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Statistik, Hirntumor, Krebsrate, Kundi, D43, Krebsentwicklung, Morphologie


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