NTP-Studie: Folgen für W-Lan- & Mobilfunkdebatte (Allgemein)

Dr. Ratto, Montag, 09.01.2017, 11:04 (vor 2884 Tagen) @ diagnose:falsch

[Admin: Postingtitel editiert am 10.01.17, 00:00 Uhr]

Was ist denn von dem "Report of Partial Findings from the National Toxicology Program Carcinogenesis Studies of Cell Phone Radiofrequency Radiation" (NTP) zu halten? Welche Folgen hat dieser Report auf die Diskussion über WLAN und Mobilfunk?

Es handelt sich um eine große Toxikologische Studie aus den USA. Es ging um die Frage, ob hochfrequente elektromagnetische Felder so hochdosiert wie möglich krebserregend sein könnten. Mit einer alltäglichen Exposition mit einem Handy (und schon gar nicht WLAN) ist das nicht vergleichbar und kann deswegen zu dieser Diskussion gar nicht beitragen.

Die Studie wurde nach den Standards der Toxikologie durchgeführt. Die maximal mögliche Exposition der Tiere wurde nach den folgenden Kriterien festgelegt:
1.Keine erhöhte Mortalität
2.Erhöhung der Körpertemperatur um weniger als 1°C
3.Gewichtsverlust unter 10%
Das bedeutet eine ziemlich heftige Belastung der Tiere.
Die Expositionsstärke die diesen Kriterien entspricht wurde in zwei Pilotstudien festgestellt und beträgt 6 W/kg ganzkörper-SAR. Um eine Dosis-Wirkungs-Beziehung feststellen zu können wurden zusätzlich 3 W/kg, 1,5 W/kg und eine Scheinexposition (Kontrolle) angewendet. Exponiert wurden frei bewegliche Ratten und Mäuse.
Bei Mäusen wurde kein Einfluss festgestellt (dies ist bisher nicht veröffentlicht). Bei Ratten-Weibchen ebenfalls nicht. Bei Ratten-Männchen war die Krebsrate von 2 speziellen Tumoren (Gliome, Schwannome) erhöht. Gleichzeitig war die Lebenserwartung der exponierten Männchen erhöht. Was das bedeutet ist unklar, es kann sein das die Tiere mehr Krebs hatten weil sie ein höheres Alter erreicht haben und Krebs altersbedingt zunimmt, auch bei Menschen. Es kann sich bei der Fülle an Untersuchungen (es ist immer noch unklar was alles untersucht wurde und wie viele Tests durchgeführt wurden) auch um zufallsbedingte falsch positive Ergebnisse handeln.

Die Schweizer Studie "Beurteilung der Evidenz für biologische Effekte schwacher Hochfrequenzstrahlung" aus 2014 liefert laut Forum Evidenz für die Schädlichkeit von EMF unterhalb der Grenzwerte? Was heißt das konkret für die gesundheitliche Gefährdung?

Von gesundheitlicher Gefährdung steht da gar nichts, bzw. als "Gefahrenabwehr" werden ICNIRP Grenzwerte herangezogen, alles andere ist Vorsorge (S.7).
Es ist eine Literaturübersicht die alle Hinweise auf biologische Wirkungen (unabhängig von gesundheitlicher Relevanz) unterhalb der Grenzwerte zusammenfasst. Zusammenfassung und Fazit sind auf Seiten 39 - 41 nachzulesen. Für die meisten diskutierten Auswirkungen ist die Evidenz "unzureichend" oder "begrenzt" - was aber auch bedeutet dass es nicht ausgeschlossen werden kann und weiter beobachtet werden muss.
Das betrifft vor allem Langzeitauswirkungen und Krebs, da kommt man zum selben Schluss wie IARC. Weiterhin gelten Einflüsse auf Hirnströme als nachgewiesen. Das gilt im Bereich der Grenzwerte (2 W/kg) für die Nutzung am Kopf, nicht für WLAN. Gesundheitsrelevant scheint es nicht zu sein, die kognitive Leistungsfähigkeit und die Schlafqualität bleiben unbeeinflusst. Weiterhing werden Einflüsse auf oxidative Prozesse und die Spermienqualität mit unklaren Ausgang diskutiert (begrenzte Evidenz). Als mögliche Wirkmechanismen werden Radikalpaar-Mechanismen und besonders temperaturempfindliche Prozesse genannt - die wären thermisch, obwohl unterhalb der Grenzwerte und weit unterhalb von 1°C. Damit kommt der menschliche Körper Gesundheitlich normalerweise klar.

Die kanadische Studie "Radiofrequency Toolkit for Environmental Health Practitioners" aus 2013 prognostiziert wohl Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit.

Gar nicht. Es handelt sich um eine bewertende Literaturübersicht wie sie viele Länder auf nationaler Ebene erstellen. Auf S. 10 - 11 werden widersprüchliche Ergebnisse zu Einflüssen auf Sperma beschrieben, die nicht unbedingt mit Unfruchtbarkeit einhergehen müssen. Gemeint ist dabei Handy in der Hosentaschen, nicht WLAN, welches eine wesentlich geringere Exposition verursacht. Für die Exposition während der Schwangerschaft wird überwiegend Entwarnung gegeben.

Eine ausführliche und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema männliche Fruchtbarkeit hat das BfS 2014 veröffentlicht.

Tags:
NTP-Studie, Dosis-Wirkungs-Beziehung


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