„Kollege Tablet, übernehmen Sie!“ (Allgemein)

Trebron, Montag, 02.01.2017, 18:07 (vor 2884 Tagen) @ KlaKla

„Kollege Tablet, übernehmen Sie“ titelt die Süddeutsche Zeitung den Leserbrief von Peter Hensinger.
http://www.sueddeutsche.de/kolumne/schule-kollege-tablet-uebernehmen-sie-1.3274932
Klingt da Ironie durch?

Zitat aus seinem Leserbrief: „Die scheinbare Individualisierung des Lernens durch digitale Medien ist eine Entmündigung, ein Milliardengeschäft - und nicht zuletzt ist es ein Programm zur Einsparung von Lehrern und Erziehern.“
Recht hat er mit dem Milliardengeschäft, wozu keine besonderen Kenntnisse erforderlich sind. Nachdem im IT-Bereich jedes Bundesland drei Jahrzehnte vor sich hingekleckert hat, ist es höchste Eisenbahn für einen großen und nachhaltigen Sprung nach vorne. Der Rest des Zitats sind Stammtisch-Parolen, die mit der laufenden Fach-Diskussion in keinem Zusammenhang stehen. Einsparung von Lehrern und Erziehern? Das fantasiert er zusammen, Belege dafür dürfte es keine geben.
Weiteres Zitat: „…nämlich die Übernahme der Erziehung selbst durch digitale Medien bereits in den Kitas …“ Die gleiche Preisklasse: Peinliches „postfaktisches“ Alarm-Geschrei ohne jeglichen Hintergrund. Fehlt nur noch der Untergang des Abendlandes. Minimale Insiderkenntnisse aus der Bildungs-Branche scheinen ihm zu fehlen.

Und noch ein Zitat: „Gerade sozial benachteiligte Kinder verfügen über mehr Unterhaltungselektronik (Smartphones, Tablets, Wifi-Spiele) und verbringen mehr und unkontrollierte Zeit mit digitalen Medien.“ Er hat nicht verstanden, dass es um strukturierte und professionelle Vermittlung von Medienkenntnissen mit Hilfe zeitgemäßer Hard- und Software geht. Niemand außer ihm denkt dabei an Computerspiele und Chatten mit dem Smartphone. In der Berufswelt von heute und morgen sind aber stabile Grundkenntnisse im Umgang mit den neuen Medien zwingend erforderlich. Die erwirbt man sich nicht im Kinderzimmer, die müssen Fachleute mit bestem Equipment vermitteln und da haben manche Schulen leider erheblichen Nachholbedarf. Ziel ist es u.a. eben auch, junge Leute fit zu machen, nicht jeden online-verbreiteten Stuss oder auch Leserbriefe unreflektiert zu glauben. Sondern Informationen zu hinterfragen und Quellen zu nutzen und zu bewerten. Mündiger statt dümmlicher Umgang mit der Informationsflut eben …

Peinlich auch, wenn er mit Wilhelm von Humboldts Bildungs-Ideal argumentiert. Humboldt war einer der preußischen Reformer, der das damalige Bildungswesen auf die Höhe der Zeit gebracht hat. Lebte er heute, wäre die IT-Initiative der Bundesregierung ziemlich sicher „sein“ ganz großes Thema.

Wäre es denkbar, dass Herr Hensinger seit seiner eigenen Schulzeit zu Schule und Bildung wenig oder sogar keinen Kontakt hatte?

Meine Anregung: Herr Hensinger sollte mal in ein paar pädagogischen Fachzeitungen blättern oder mit Fachleuten reden.

Tags:
Lehrer, Bildung, Schule, Fachkompetenz, Tablets


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