Zitatfälschungen: AZK greift auf Prof. A. Volger zurück (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 01.05.2014, 02:40 (vor 3868 Tagen)

In dem jüngsten Video-Machwerk der AZK, das 2013 auf YouTube hochgeladen wurde (siehe auch hier), wird ab Minute 10:42 ein Prof. Alexander Volger von der Technischen Hochschule Aachen zitiert.

Schon 2001 soll der Mann Dramatisches gesagt haben:

"Die Behauptung einer Schutzwirkung der Grenzwerte ist als wissenschaftliche Falschinformation anzusehen. Dies entspricht rechtlich allen Merkmalen des Betrugs und schließt grob fahrlässige bis absichtliche Gefährdung und Körperverletzung ein."

Als Quelle des Zitats wird kurz eingeblendet (http://www.funkfrei.net/berichte/bericht15a.htm), das ist die seit 2009 im Netz stehende Website des Mobilfunkgegners Jochen Diefenthaler aus Memmingen. Der Notarfachangestellte kandidierte 2014 bei der Stadtratswahl in Memmingen für die Grünen, er findet die AZK gut, die AZZ (Anti-Zensur-Zeitung) dagegen schlecht.

Auf Diefenthalers Website lautet das Zitat, es steht dort in einem Text des Mobilfunkgegners Werner Funk vom 2. Februar 2004, allerdings anders als bei der AZK:

Prof. Dr.-Ing. Alexander H. Volger, RWTH Aachen, im April 2000: "Die Standortbescheinigung auf der Grundlage der 26. BImSchV von 1996 bietet keine Schutzwirkung. Die Behauptung einer Schutzwirkung durch die Behörden ist als wissentliche Falschinformation anzusehen. Dies entspricht rechtlich allen Merkmalen des Betrugs (Unterschiebung/Verbreitung falscher Informationen, Herbeiführung von Fehlentscheidungen, vollendeter Gesundheits- und stets auch Vermögensschaden). Der Vorgang schließt grob fahrlässige bis absichtliche Gefährdung und Körperverletzung ein. Die Bevölkerung ist kein Versuchsfeld, weder technisch-biologisch noch wirtschaftspolitisch (Mobilfunkbetreiber-Umsätze gegen Gesundheitskosten)."

Die Tiefenbohrung ist damit jedoch noch nicht am Ziel. Der Mobilfunkgegner Walter Sönning griff schon 2001 in einem blauäugigen Brief an den damaligen Bundeskanzler Schröder auf Volgers Äußerung zurück, veröffentlicht im BW-Newsletter vom 18. November 2001. Und wieder tut sich eine neue Version des Zitats auf:

"Die öffentlich verbreitete Behauptung, daß die Schutzwirkung gegeben sei, ist von den zuständigen Behörden (inkl. Strahlenschutzkommision) aufgestellt und daher als wissentliche Falschinformation anzusehen. Dies entspricht rechtlich allen Merkmalen des Betrugs (Unterschiebung/Verbreitung falscher Informationen, Herbeiführung von Fehlentscheidungen, vollendeter Gesundheits- und stets auch Vermögensschaden). Der Vorgang schließt grob fahrlässige bis absichtliche Gefährdung und Körperverletzung mit ein. Die Forderung nach hieb- und stichfesten Schadensbeweisen Geschädigter oder Gefährdeter ist gegenüber der Beweispflicht der Betreiber als Versuch der Beweislastverschiebung anzusehen. Eine Duldung oder evtl. Durchführung dieser Verschiebung durch staatliche Stellen muß als grobe Pflichtverletzung und Rechtsbeugung beklagt werden."

Ein Original des Zitats des heute 81-jährigen Prof. Volger ist im www nicht zu finden, möglicherweise ist dies eine Erklärung dafür, dass die Kopien alle ungestraft unterschiedlich ausfallen konnten.

Doch wer ist dieser Mann, der dem deutschen Strahlenschutz schon so früh beinahe kriminelle Absichten unterstellte. Es muss ein exorbitant dicht am Strahlenschutz-Geschehen operierender Experte sein, wenn er sich so aus dem Fenster lehnt.

Weit gefehlt! Die RWTH Aachen gab 2003 folgende Auskunft:

"Prof. Dr.-Ing. Alexander H. Volger ist Honorarprofessor der RWTH, von 1977 bis 2001 hatte er einen Lehrauftrag für „Technik der Datenverarbeitung im Bauwesen". Er ist unter anderem seit 1987 öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Systeme und Anwendungen der Informationsverarbeitung, besonders im Gebiet Konstruktion, Fertigung und Bautechnik."

Das markige Zitat, so es überhaupt je gefallen ist, geht also auf einen Experten im Bauwesen zurück. Sollte dies wahr sein, ist es wieder ein Beleg für die typische Anmaßung und Selbstüberschätzung, die bei öffentlich wahrgenommenen Mobilfunkgegnern fast schon gespenstisch häufig als unangenehmer Charakterzug auffällt. Erschreckend: Die AZK schreibt das Zitat bei Diefenthaler/Funk ab, Funk wiederum bediente sich bei W. Sönning, und wo der das Zitat her hat, das verrät er nicht. Normalerweise wird "Stille Post" von Kindern gespielt.

Hintergrund
Vita von Prof. Dr.-Ing. A. H. Volger bei hese
Leserbrief von A. H. Volger zu einem Beitrag von Silny et. al. über "Elektrosensibilität" inkl. Erwiderung der Autoren.
Wichtigtuerische Stellungnahme des inzwischen aufgelösten „Hessischer Landesverband mobilfunksenderfreie Wohngebiete“ zu dem künstlichen "Skandal" um den Volger-Leserbrief.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Kompetenzdefizit, Weber, Sachverstand, Ko-Ini, AZK, Senioren, Zitatverfälschung, Bullshit, HLV, Sönning, Kla.TV, Volger


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