Tock. Tock. Tock. Oder: Massenhysterie (Allgemein)

Bernhard, Montag, 18.12.2006, 19:18 (vor 6553 Tagen) @ Doris
bearbeitet von Bernhard, Montag, 18.12.2006, 20:26

(Das ist ja wohl ein Fall von Realsatire, oder?)


Grundsätzlich machen mich solche Geschichten schon nachdenklich, auch wenn sich mir gerade bei solchen Berichten die Nackenhaare sträuben. Aber für mich gilt, dass ich kein Urteil über Menschen und ihre Beschwerden bilden kann, wenn ich diese Menschen nicht kenne. Mich da so total auszulassen und meine Witze zu reißen, das ist einfach nicht meine Art.

Man beurteilt ja nicht gleich jeden einzelnen, wenn man die Situation in plausibler Weise erklärt.
Schließlich ist es offensichtlich, dass es sich um das bekannte und gar nicht so seltene Phänomen einer Massenhysterie handelt. Alle Merkmale treffen zu. Ist es denn eine Schande, an einer somatoformen Symptomatik zu leiden?

Aber was mich an der Oberammergauer Sache doch sehr nachdenklich macht, ist die Tatsache, wie schnell diese Menschen unter ihrem angeblichen Leidensdruck sofort mit Veränderungen in ihrem Leben reagieren. Der Pfarrer schläft unter der Kanzel, selbst der Herr Funk geht mittlerweile in den Wald zum Schlafen. Das muss man sich mal vorstellen. Wer verlässt

Gerade dieses rasche Auftreten und Reagieren ist eines der Merkmale des Phänomens, genauso schnell kann das nach einiger Zeit verschwinden, wenn nicht weiter nachgelegt wird.
Erst als am 10. 11. 06 die Zeitungen von den seltsamen Signalen und einzelnen vermeintlich kranken Leuten berichteten, ging dann der Veitstanz los, jetzt meldeten sich plötzlich viele Bürger beim Herrn Messingenieur Funk und beim frommen Pfarrer.
Übrigens ist genau das auch bei den bekannten massenhysterischen Seuchen des letzten Jahrhunderts beobachtet worden: Sobald die Medien berichteten, brach die Hysterie in der Masse erst aus.

schon gerne bei diesem Wetter sein warmes Haus und sein eigenes Bett und nächtigt in einem Wohnmobil im Wald bzw. in einer kalten Kirche und das, obwohl die Beschwerden ja noch gar nicht so lange vorhanden sind.

Sie dürfen nicht vergessen, dass da stets ein Krankheitsgewinn damit verbunden ist, das können Aufmerksamkeitsgewinn, soziale Einbindung, eine euphorische Stimmungslage usw. sein. Für einen psychisch Gesunden weniger nachvollziehbar, doch für einen Kranken sieht das subjektiv ganz anders aus. Schauen Sie sich doch nur mal das Verhalten von Frau Sohmer an.
Und der Pfarrer erzählt schon ein Leben lang den Leuten Sachen, die er gar nicht wissen kann. Widersprüchlichkeiten müssen ihm völlig wurscht sein und ein Interesse an sachlogischen Argumenten kann dieser Berufsstand kaum haben, von dem historischen Treiben dieses Personenkreises kann man auch nicht gerade auf Wahrheitsliebe schließen.
Außerdem wer weiß, was stimmt.

Jeder der sich mit Mobilfunk beschäftigt und vor allen Dingen aktiv in einer BI tätig ist, kennt Menschen, die sich als elektrosensibel bezeichnen bzw. mit gewissen Beschwerden auf Mobilfunk reagieren. Aber gerade in meinem Umfeld ist auffallend, dass die Menschen zwar wahnsinnig jammern, weil sie angeblich wahnsinnig leiden, aber sie schaffen es nicht ihr persönliches Umfeld zu verlassen bzw. sie schaffen es sogar nicht einmal ihr DECT-Telefon abzustellen, obwohl sie angeblich einen unheimlichen Leidensdruck haben. Deshalb stimmt es mich schon sehr nachdenklich, wie schnell diese Menschen in Oberammergau zu solchen Veränderungen ihres persönlichen Umfeldes bereit sind.

Dem muss man nichts mehr hinzu fügen. Doch es ist immer so: An ihrem Tun werdet ihr sie erkennen.
Aber jeder hat seine Gründe, sich in einer BI zu engagieren, doch die kennt oft der Engagierte selbst nicht einmal oder will sie nicht erkennen.


Noch eine Bemerkung: Ihre Geisteshaltung, über niemand Witze zu reißen, ehrt Sie und ist gewiss vorbildlich. Nicht jeder verfügt über eine solche Selbstsicherheit, die dazu nötig ist.
Wer sich aber wie ein Narr benimmt, darf sich allerdings nicht wundern, wenn über ihn geschmunzelt wird.
Das unwürdige Verhalten vieler Oberammergauer Bürger, des Bürgermeisters, von dem man eigentlich ein abwiegelndes, verstandesgetragenes Verhalten erwarten darf (vielleicht ist es bei ihm nur Wählerpopulismus), das des Geistlichen und einiger Ärzte verdient keinen Respekt.


Bernhard

Tags:
sekundärer Krankheitsgewinn, Somatoforme Störung, Psyche


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