Keine 700 Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk (Allgemein)
Zwischen Bremerhaven und Berchtesgaden und zwischen Cottbus und Saarbrücken fand sie 700 Bürgerinitiativen, die gegen einzelne Senderstandorte, teils aber auch „gegen Elektrosmog“ generell Front machen. Die meisten Initiativen sind in Bayern aktiv, nämlich mehr als 300."[/i]
Dass Elke Fertig 700 Anti-Mobilfunk-Bürgerinitiativen (BIs) gefunden hat, das macht mich nicht fertig. Es mag ja stimmen, die entscheidende Frage aber ist: waren die tot oder lebendig?
Also, die Zahl 700 ist mMn stark übertrieben, überzeugte Mobilfunkgegner übertreiben bei solchen kaum nachprüfbaren Recherchen erfahrungsgemäß sehr gerne und Frau Fertig ist seit langem eine überzeugte Mobilfunkgegnerin. Die dreisteste Übertreibung nannte einmal sogar 20'000 aktive BIs.
Kommen wir zu ein paar Fakten über die sogenannte Massenbewegung:
- Wer im www nach frischen Lebenszeichen von Anti-Mobilfunk-Bürgerinitiativen forscht, wird niemals auch nur annähernd Spuren von 700 finden. Er wird aber Vereine finden, die behaupten, sie würden zahllose Bürgerinitiativen vertreten. Belege dafür bleiben jedoch i.a. auf der Strecke und wenn doch einmal welche gebracht werden, dann sind sie vage und kaum nachprüfbar.
- Das Kernproblem der Anti-Mobilfunk-Bewegung ist seit langem bekannt: Vom geplanten Bau eines neuen Sendemasten hochgescheucht, sammeln ein, zwei oder auch mal drei unmittelbar Betroffene ein paar eher desinteressierte Mitstreiter um sich. Nach meist sechs Monaten ist die Aufregung abgeklungen und die BI hört auf zu flattern, ihre Spuren aber bleiben im www so frisch erhalten, als wäre noch Leben drin.
- BIs, deren Anführer/Anführerinnen materiellen oder immateriellen Nutzen aus der BI ziehen, leben deutlich länger als echte Bürgerinitiativen. Bei BIs, die älter als zwei Jahre sind, lohnt es sich, die Interessenlage zu erforschen. In Eltersdorf tobte z.B. hinter den Kulissen der Machtkampf zweier Familien.
- Das IZgMF hat über viele Jahre eine Liste der Anti-Mobilfunk-Bürgerinitiativen gepflegt (deutschsprachiger Raum), bis wir Mitte 2009 die Anmeldung gestoppt haben. Diese Liste kam nie über 250 BIs hinaus. Auch diese Liste krankt daran, dass sich (offenkundig) erloschene BIs so gut wie nie abgemeldet haben. In all den Jahren haben sich nur 2 BIs wegen Einstellung ihrer Aktivitäten von dieser Liste abgemeldet, ungefähr zehn wollten nicht mehr gelistet sein, weil ihnen die Neuorientierung des IZgMF seit Mitte 2006 nicht zusagte. Heute sind schätzungsweise 90 % der gelisteten BIs tot in dem Sinne, dass sie keinerlei Außenwirkung mehr haben. Bei ein paar Bierchen gemeinsam wehmütig der Sturm & Drang-Periode der Anti-Mobilfunkerei zu gedenken reicht mMn nicht, um als BI zu gelten, da fehlt die Initiative.
- Interessant ist mMn, dass sich Listen von Anti-Mobilfunk-BIs auch bei Baubiologen finden, etwa hier und dort. Dies belegt einmal mehr den kommerziellen Aspekte der Anti-Mobilfunk-Bewegung. Wie naiv wir doch waren: Als das IZgMF vor vielen Jahren erstmals eine Liste mit Anti-Mobilfunk-BIs ins Netz stellte, dachten wir nicht im Traum daran, dass wir damit die BIs dem Zugriff kommerzieller Interessen auslieferten.
- Eine BI muss nicht zwangsweise "gut" sein, nur weil sie sich BI nennt. Niemand prüft, ob sich unter den BIs getarnte Geschäftemacher tummeln, politisch Radikale auf Mitgliederfang sind oder fanatische Anti-Mobilfunk-Eiferer mit sektenähnlichem Gehabe ihre Netze aufspannen. Erlebt haben wir dies alles schon.
- Überzeugte Mobilfunkgegner wie Frau Fertig mühen sich seit mindestens zehn Jahren, die Anti-Mobilfunk-Bewegung als mächtige Massenbewegung erscheinen zu lassen. Ohne Erfolg. Wer sich nicht auf die Behauptungen verlässt, sondern nach Zahlen recherchiert merkt schnell, dass die selbsternannte Bewegung klein ist, sehr klein. Wie klein, dazu gibt es hier eine ganze Reihe konkreter Zahlen.
- Aus meiner Sicht gibt es bundesweit höchstens 30 aktive und organisierte Anti-Mobilfunk-BIs. Die Anzahl bleibt in etwa konstant, wenn eine BI aufgibt, kommt eine andere hinzu. Während eines Netzaufbaus (derzeit Tetra und LTE) sind es mehr, ohne Netzausbau werden es weniger. Genaue Zahlen weiß keiner, nicht einmal die sogenannten Dachverbände: Der Grund: Eine Anti-Mobilfunk-Einstellung ist i.d.R. egoistisch gegen einen bestimmten Sendemasten gerichtet, der nach Möglichkeit überall aufgestellt werden soll, nur nicht in der Nähe des Mobilfunkgegners. Damit ist eine Anti-Mobilfunk-Haltung grundsätzlich dissozial, und gesellschaftlich nicht tragfähig weil dort ohne Rückhalt. Mit überzeugenden Sachargumenten ließe sich diese Kluft überwinden, doch genau diese fehlen den Mobilfunkgegnern seit jeher.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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- 700 Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk in Deutschland? -
Gast,
18.08.2012, 12:52
- 700 Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk in Deutschland? -
KlaKla,
18.08.2012, 13:25
- 700 Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk in Deutschland? - helmut, 19.08.2012, 09:21
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charles,
18.08.2012, 14:29
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- 700 Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk in Deutschland? -
KlaKla,
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