M. Hahn: Bekannte Töne aus dem bayrischen Landtag (I) (Allgemein)

Gast, Sonntag, 14.08.2011, 16:31 (vor 4853 Tagen) @ H. Lamarr

[Admin: Das Original der folgenden Postings von M. Hahn erschien am 8.12.2007 im RDW-Forum]

Ähem, Räusper, mit Verlaub - das geht mir jetzt denn doch ein bisschen zu schnell: Worin besteht denn nun die wissenschaftliche Dreistigkeit sondergleichen im Detail? Oder anders gefragt: Wo genau ist der Wurm in Graph?

Räusper so trifft man sich wieder, eigentlich wollte ich ja, na ja?
Zunächst: Das Ding stammt aus einem "Letter to the editor", "Brief an den Herausgeber". Nichts also, was irgendwie einer Fachprüfung vor dem Druck sich unterziehen müsste. Anders wäre das auch kaum gelungen. Frentzel-Beyme erwähnt das natürlich nicht.

Mit Details allein ist die Dreistigkeit nicht zu erklären. Es geht um das Gesamtbild. Hallberg vergleicht Äpfel mit Birnen, tut faule Tomaten dazu und reiht das Ganze schnurgerade wie Perlen auf eine Schnur, als könne es geradezu nicht anders sein. 0,6 bis 50 eine Linie, punkt.
Und nun werfen Sie mal einen Blick auf die Schnur, besser gesagt auf die komische Art, wie die y-Achse rechts skaliert ist. Ja schaun Sie ruhig mal ganz genau hin. Dazu heißt es
"Um herauszufinden, ob die Statistiken eher auf eine Untergruppe Elektrosensibler hindeuten oder ob es um die gesamte Bevölkerung geht, stellten wir die gefundenen Häufigkeiten über der Zeitachse in einem Normalverteilungsdiagramm dar."
Auf diesen Humbug muss man erst mal kommen. Was meinen Sie, wer das von den Zuschauern (einschließlich Frentzel-Beyme) überhaupt anders auffasst als einen ganz gewöhnlichen, wenngleich ungewöhnlich deutlichen Trend ?

Ganz verschieden erhobene Daten, sowohl nach Grundgesamtheit, Stichprobengewinnung als auch nach Messmethode, dazu Zahlen aus der Zeitung, anonymen Schätzungen usw. Und die sollen jetzt auf WAS getestet werden: Normalverteilung über die Zeit - oder was??
Schätze, ich bin nur zu blöd, um das zu verstehen. Auf eine brauchbare Erklärung zur Weiterung meines Horizonts bin ich ehrlich gespannt.

Nun aber doch zu den Zahlen.
Soweit sie eine solide Basis haben (nicht für alle trifft das zu) wurden sie doch mit ganz verschiedenen Messinstrumenten erhoben. Sie sind aufgrund unterschiedlicher Ansätze nicht in dieser simplifizierenden Art vergleichbar.

Schauen wir uns die einzelnen Werte an und suchen erst mal faule Tomaten.
Die 50 % nehmen wir mal gleich weg, ich denke, da müssen wir nicht diskutieren, zumindest sofern wir Fakten von Interpretation trennen.
Dann haben wir die 0,63. "Anonyme Schätzung". Aha. Was hat die hier zu suchen? Darf ich auch mal mitschätzen?

"This is London", Der "Evening Standard", eine Zeitung. Prima Quelle für verfeinerte Statistiken?

"Elöverkänsligas Riksförbund", das sind Zahlen des ES-Verbandes selbst. (The Swedish Association for the ElectroSensitive). Unabhängig? Wohl kaum.

Die Zahl 13,3, bzw. die 7.6-19% aus denen dieses als Mittelwert folgt, kann ich in der Diplomarbeit von Frau Spiss nicht finden. Entweder ich kann nicht richtig lesen, oder Dr. Oberfeld weiß mehr, als da drin steht. Er war der Betreuer.

Die übrigen Zahlen.
Die 11 Prozent von Frau Fox:
Das war Teil 1 jener Arbeit, von der Teil 2 dann so bös zerrissen wird von Gigaherz und Co..
Sie hat einen Fragebogen an 20.000 nach Zufall ausgewählte Personen geschickt, davon haben 18 % (3.600 Leute) geantwortet.

Leider finde ich es nicht publiziert. Wissen Sie mehr dazu?
Jedenfalls die Frage: Dass unter dieser recht geringen Antwortrate sich überzufällig "Betroffene" finden - könnten Sie dieser meiner Vermutung folgen?
So oder so, von diesen 18 % haben 399 Leute (11%) "reported some sensitivity".

Genau dieses "some" könnten wir mal näher beleuchten. Das ist es, was z.B. die Zahlen in den vier jährlichen infas-Erhebungen in die Größenordnung zwischen 8 und 10 % brachte. Schauen Sie sich die letzte Erhebung an, die alles auch noch mal zusammenfasst:
Von den "stark" bzw. den "etwas" Beeinträchtigten (sie bilden zusammen die Bezugsgruppe für o.g. ca. 9 %) waren 41 bzw. 47 Prozent nicht in der Lage, auf Nachfrage auch nur eine konkrete Art zu bennen, wie sich diese Beeinträchtigung manifestiert. Nimmt man auch die "wenig Beeinträchtigten" hinzu, so waren es sogar fast zwei Drittel, die keine konkrete Beschwerden benennen konnten.
Jahr für Jahr.
"Ohne nennenswerte Veränderung" auch die Zahl der ca. 9 %.
Jahr für Jahr.
So etwas kommt heraus, wenn man die Sache immer wieder auf die gleiche Weise erfasst und nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Es ändert sich nichts.
Während z.B. der Ausbau von UMTS massiv voranschreitet.

Vergleichbar auch die Gruppe der immer wieder separat abgefragten wirklich "Stark Beeinträchtigten":
2%, 2%, 2% und 3 % Jahr für Jahr
Das, also so etwa 1,5 bis 3,2 Prozent, behaupte ich, ist die Größenordnung, die man erhält, wenn man eine punktscharfe Befragung ausschließlich zu EHS macht, und nicht gleichzeitig zu allen möglichen anderen Themen ("wissen Sie, was SAR ist", "haben Sie Angst vor Luftverschmutzung" usw.)

Das sind die Äpfel.

Der Rest, darüber hinaus ist deutlich von sachfremden, äußeren Faktoren beeinflusst. Wie anders kann man sich sonst erklären, dass der Anteil infas-Gruppe 1+2, also die ca. 9 %, in sich zwischen verschiedenen Regionen Deutschlands variiert zwischen 6% und 10%?
Zu schweigen von den "wenig Beeinträchtigten" (Gruppe 3), zu der "infas" schreibt:
"Nach unseren Erfahrungen aus der kontinuierlichen Supervision im Telefonstudio wird die Kategorie ?wenig? von den Befragten jedoch überwiegend im Sinne von "äußerst gering bis eigentlich gar nicht" verwendet. In Einzelfällen erscheint sie sogar als willkommene (und sozial erwünschte) Alternative zur Kategorie "gar nicht", um einen gewissen Grad an Bewusstsein und Reflektiertheit signalisieren zu können."

Fortsetzung

Tags:
Blendwerk, Frentzel-Beyme


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