Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht? (Technik)

H. Lamarr @, München, Freitag, 18.09.2009, 15:31 (vor 5550 Tagen)

Hier ein weiteres Beispiel für Desinformation. Ob gewollt oder ungewollt mag jeder selber entscheiden.

In den USA haben Verbraucherschützer Handys nach ihrem SAR-Wert untersucht, etwas was hierzulande nicht nötig ist, weil diverse Websites, Handy-Hersteller und das BfS über die SAR-Werte von Handys sowieso regelmäßig informieren. In den USA aber scheint so eine Aufklärung neu zu sein und promt hat eine Schweizer Zeitung das Ergebnis der Untersuchung aufgegriffen, weil es nicht belanglos, sondern alarmiernd erscheint: Handy-Strahlung: iPhone kommt schlecht weg. Und BILD beeilt sich nachzuschieben: Umweltgruppe enthüllt Liste der „strahlendsten“ Mobiltelefone.

Päng, da haben wir's, endlich mal wieder eine Enthüllungsstory, die unverzüglich unter anderem auch von der Bürgerwelle im Newsletter vom 15. September verbraten wurde. So weit, so gut.

Aber: Stimmt das denn alles überhaupt?

Wegen der Geschichte mit dem iPhone-Schulprojekt Goldau forschte ich vor ein paar Tagen sowieso schon nach dem SAR-Wert des Modells "iPhone 3G". Die Recherche förderte unterschiedlich hohe Werte zutage, der höchste sind die überall beklagten 1,38 W/kg. Um Klarheit zu bekommen, führte mich die Suche auf die Website des Handy-Herstellers. Bald wurde dort deutlich was passiert ist. Im Forum des Projekts gab ich deshalb folgende Entwarnung:

Auf der Apple-Website finden sich, zwar versteckt aber dafür sehr detailliert, Angaben zu den SAR-Werten des “iPhone 3G”. Die 1,38 W/kg gelten für die USA nicht für Europa. Nach Europanorm gemessen ist der ungünstigste SAR-Wert des Geräts beim Gebrauch am Ohr 0,878 W/kg und beim Gebrauch am Körper 0,559 W/kg. Bei W-LAN-Betrieb sieht es sogar noch günstiger aus:

Kopf: 0,371 W/kg
Körper: 0,051 W/kg

Dies alles und mehr findet sich in diesem PDF wieder:

http://manuals.info.apple.com/de_D/iPhone_3G_Wichtige_Produktinformationen_D.pdf

Offenkundig ist es den europäischen Medien nicht klar, dass sich SAR-Werte aus den USA nicht einfach 1:1 nach Europa importieren lassen, dazu sind die Messverfahren zu unterschiedlich. Schließlich importiert ja auch kein Mensch 1 inch kurzerhand als 1 Zentimeter. So aber wäre es, wenn ein USA-SAR-Wert ohne weites - wie geschehen - nach Europa importiert wird.

Um das Missverständnis an einer der Quellen zu bekämpfen, habe ich auch beim Schweizer Tagesanzeiger am 16.09.2009 mit einem Kommentar auf den Fehler hingewiesen. Dieser Kommentar aber blieb nicht unwidersprochen, ein "Roland Peter" hielt noch am selben Tag dagegen:

Stimmt nicht! Wir haben nachgemessen und sind auf die gleichen Werte gekommen.

Jetzt bin ich gespannt, wie substanziell "Roland Peter" meine Nachfrage beantwortet, mit zu verfolgen ist diese Auseinandersetzung hier. Am 14. September gab "Peter" schon mal einen Kommentar dort ab, der den Schluss zulässt, dass der Verfasser ein Mobilfunkgegner ist. Er wäre meines Wissens freilich der erste seiner Art, der SAR-Werte fachkundig messen könnte. Kann er es nicht, zündet sich "sektor3" kopfnickend eine Zigarette an oder macht einen Strich in eine Liste ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
SAR-Wert, iPhone 3G

Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht?

ES, Freitag, 18.09.2009, 18:23 (vor 5550 Tagen) @ H. Lamarr

Offenkundig ist es den europäischen Medien nicht klar, dass sich SAR-Werte aus den USA nicht einfach 1:1 nach Europa importieren lassen, dazu sind die Messverfahren zu unterschiedlich. Schließlich importiert ja auch kein Mensch 1 inch kurzerhand als 1 Zentimeter. So aber wäre es, wenn ein USA-SAR-Wert ohne weites - wie geschehen - nach Europa importiert wird.

Das zeigt doch gut, wie wenig transparent dieser Wert eigentlich ist...
Leider kann man den Medien nicht soweit trauen, um abschätzen zu können, ob dieses Missverständnis nicht sogar mit Vorsatz publiziert wird.

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"Allzu oft muss es erst richtig schlecht werden, bevor es besser wird..."

Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht?

H. Lamarr @, München, Freitag, 18.09.2009, 23:26 (vor 5550 Tagen) @ ES

Das zeigt doch gut, wie wenig transparent dieser Wert eigentlich ist...

Ja, eigentlich ein Trauerspiel, der Kopf eines Amis hält nicht mehr oder weniger aus als der eines Europäers. National gültige Grenzwerte (nicht nur beim Funk) dürften allerdings üblich sein. Blöd bei der SAR ist, dass an der Werteangabe direkt nicht erkennbar ist, nach welcher Norm gemessen wurde. Irgendeine Markierung z.B. SAR(A) und SAR(E) oder besser eine Harmonisierung der Standards wären in Zeiten der Globalisierung eigentlich zu erwarten.

Dieses PDF hier nennt die Unterschiede zwischen der europäischen und amerikanischen Norm.

Leider kann man den Medien nicht soweit trauen, um abschätzen zu können, ob dieses Missverständnis nicht sogar mit Vorsatz publiziert wird.

Aus meiner Sicht überschätzen Sie da Tageszeitungsjournalisten, die wissen über solche Tellerminen einfach nicht Bescheid und betreiben unwissentlich Desinformation. Anders sehe ich es bei diesem "Peter", der sich so schnell bemüht hat, die "Entwarnung" zu kompensieren. Und auch die Bürgerwelle sollte eigentlich Bescheid wissen und den publizierten Unfug nicht kommentarlos weiter verbreiten.

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Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht? ▼

Kuddel, Freitag, 18.09.2009, 19:08 (vor 5550 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Kuddel, Freitag, 18.09.2009, 19:30

Stimmt nicht! Wir haben nachgemessen und sind auf die gleichen Werte gekommen.

Sehr wahrscheinlich mit dem Maschek-Testkopf ESM-120, der mit wenigen tausend Euro einigermaßen erschwinglich ist und auch von den Öko-Schnurlos-Telefonverkäufern verwendet wird.
Der ist aber mehr als Indikator für Vergleichmessungen, als als "Meßgerät" zu sehen und eigentlich für Ausbildungszwecke und Relativmessungen gedacht.
Wo ist z.B. beim ESM-120 das menschliche "Ohr" nachgebildet ? => garnicht.

Auch schreibt Maschek selbst, daß der ESM120 auf US-Norm (1 gramm/kg) ausgelegt ist, während in Europa üblicherweise auf 10g/kg normiert wird, was geringere Werte ergeben würde.

Zitat Maschek: "Die Messung erfolgt nach Ansi-C95.1-199 über 1g Gewebemasse".

Auch schaue man mal in die technischen Daten:

Zitat Maschek: Genauigkeit +/- 3dB

Ist also müßig, sich zu streiten ob nun 1,3W/kg oder 0,8W/kg richtig sind, ist alles innerhalb der normalen Meßtoleranz.

Mal abgesehen davon ,daß Mobiltelefone üblicherweise herunterregeln und nicht unbedingt sicher ist, daß im geregelten Zustand die SAR-"Rangfolge" verschiedener Geräte immer noch die gleiche ist, die kann sich nämlich theoretisch auch umkehren.
Bei gleicher Bauform/Design ist es nicht selten so, daß Geräte mit geringem SAR auch eine geringere Reichweite haben, d.h. die Verbindung reißt in Grenzsituationen schneller ab...tolles Qualitätsmerkmal...

Troll-Wiese: http://www.izgmf.de/scripts/forum/index.php?mode=entry&id=34139
http://www.izgmf.de/scripts/forum/index.php?mode=entry&id=34138

Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht?

charles ⌂ @, Freitag, 18.09.2009, 20:41 (vor 5550 Tagen) @ Kuddel

Hat jedes Land dann seine eigene SAR-Werte ?

Also Deutschland, die SChweiz, USA, Japan, China ?

Das der iPhone schlecht ist, wird deutlich wenn man sich die von mir aufgenommene Modulationen anhört.

--
Charles Claessens
www.milieuziektes.nl

Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht?

H. Lamarr @, München, Freitag, 18.09.2009, 21:55 (vor 5550 Tagen) @ Kuddel

Mal abgesehen davon ,daß Mobiltelefone üblicherweise herunterregeln und nicht unbedingt sicher ist, daß im geregelten Zustand die SAR-"Rangfolge" verschiedener Geräte immer noch die gleiche ist, die kann sich nämlich theoretisch auch umkehren.

Nanu, verstehe ich das richtig, die SAR-Rangfolge von Handys, gemessen mit maximaler Sendeleistung gilt, nicht automatisch auch für mittlere oder niedrige Sendeleistung? Das wäre ja mal wieder so ein Ding, wo einem der Mund offen bleibt. So wie damals, als Sie darauf hingewiesen haben, dass "verkehrt" herum am Körper getragene Handys zu einer Überschreitung der 2 W/kg führen können. Technisch kapiere ich das allerdings nicht, wieso bei schwächerer Sendeleistung die SAR-Rangfolge außer Rand & Band geraten kann. Es bleibt doch sonst alles gleich, insbesondere die Antennengeometrie. Ich hätte erwartet, dass die SAR proportional mit der Sendeleistung abnimmt, halbe P, halbe SAR. Wieso zu Teufel isses nicht so?

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Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht?

Christopher, Freitag, 18.09.2009, 22:46 (vor 5550 Tagen) @ H. Lamarr

Mal abgesehen davon ,daß Mobiltelefone üblicherweise herunterregeln und nicht unbedingt sicher ist, daß im geregelten Zustand die SAR-"Rangfolge" verschiedener Geräte immer noch die gleiche ist, die kann sich nämlich theoretisch auch umkehren.

Nanu, verstehe ich das richtig, die SAR-Rangfolge von Handys, gemessen mit maximaler Sendeleistung gilt, nicht automatisch auch für mittlere oder niedrige Sendeleistung? Das wäre ja mal wieder so ein Ding, wo einem der Mund offen bleibt. So wie damals, als Sie darauf hingewiesen haben, dass "verkehrt" herum am Körper getragene Handys zu einer Überschreitung der 2 W/kg führen können. Technisch kapiere ich das allerdings nicht, wieso bei schwächerer Sendeleistung die SAR-Rangfolge außer Rand & Band geraten kann. Es bleibt doch sonst alles gleich, insbesondere die Antennengeometrie. Ich hätte erwartet, dass die SAR proportional mit der Sendeleistung abnimmt, halbe P, halbe SAR. Wieso zu Teufel isses nicht so?

Nach meinem Verständnis ist Ihre Ansicht, daß die SAR proportional zur Sendeleistung ist, schon richtig. Der Knackpunkt liegt vielmehr in der Leistungsregelung beim Senden: Nicht alle Handys haben die gleichen Algorithmen zur Regelung der Sendeleistung - deshalb kann es durchaus sein, daß ein Handy mit einem schlechten SAR-Wert bei gutem oder "mittlerem" Empfang aufgrund einer besseren Leistungsregelung mit weniger Leistung (und damit niedrigerer SAR) sendet, als ein anderes Handy mit einem nominell besseren SAR-Wert.
Ich vermute mal, daß es genau dieser Effekt ist, auf den Kuddel in seinem Posting hinweisen wollte.

Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht?

H. Lamarr @, München, Freitag, 18.09.2009, 23:43 (vor 5550 Tagen) @ Christopher

Ich vermute mal, daß es genau dieser Effekt ist, auf den Kuddel in seinem Posting hinweisen wollte.

Danke für die Auskunft, klingt einleuchtend und macht den Widerstand der Industrie gegen die SAR-Wert-Nennung bei Handys verständlicher.

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Ist der SAR-Wert des "iPhone 3G" wirklich so schlecht?

Kuddel, Samstag, 19.09.2009, 00:48 (vor 5550 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Kuddel, Samstag, 19.09.2009, 01:33

Nanu, verstehe ich das richtig, die SAR-Rangfolge von Handys, gemessen mit maximaler Sendeleistung gilt, nicht automatisch auch für mittlere oder niedrige Sendeleistung?

Ja, das liegt z.B. auch daran, daß der SAR zwar bei maximaler Leistung gemessen wird, aber die Mobiltelefone eben nicht alle die gleiche maximale Leistung haben.

Eine maximale Leistung von 2 Watt ist erlaubt, aber nicht zwingend und oft auch von der Akku-Leistung begrenzt. So kann ein Hersteller ganz einfach die SAR reduzieren, indem er eine Sendestufe mit weniger Leistung einbaut und dabei auch noch Geld spart. Ein 70Gramm Designer-Gerät hat womöglich nicht einmal genug Akkuleistung (Maximalstrom) für eine 2 Watt Sendeendstufe.

Beispiel: Wenn zwei Mobiltelefone von der Basis heruntergeregelt werden, das eine von z.B. 2Watt auf 0,2Watt und ein anderes von 0,8 Watt auf 0,2 Watt, dann reduziert sich beim ersten Handy durch die Regelung der SAR um Faktor 10, beim anderen aber nur um Faktor 4.
Wenn nun obendrein Handy 1 zufällig bautechnisch günstiger gestaltet ist (mehr abgestrahlte Leistung und weniger in den Kopf eingestrahlte Leistung), kann es rein theoretisch sogar sein, daß das Handy mit dem anfänglich höheren SAR im geregelten Zustand sogar einen geringeren SAR hat.
Der Unterschied ist dann eigentlich der, daß Handy 1 noch in Grenzsituationen funktioniert, wo Handy 2 schon versagt. Dem geringen SAR von Handy 2 wird Beifall gezollt, obwohl es eigentlich das schlechtere Gerät ist.

Der einzige Vorteil des Geräts mit geringem SAR ist, daß sich der Nutzer "sicher" sein kann, niemals mehr als dem maximalen SAR ausgesetzt zu sein. Er kann sich aber nicht sicher sein, daß "Handy 2" auch das geringst mögliche SAR in praktischen Nutzerszenarien haben wird.
Es wird eher so sein, daß sich die SAR Werte im geregelten Zustand einander angleichen.

Aus diesem Grund ist der SAR eigentlich zu stark simplifiziert um nun einen wirklich sachlichen Vergleich der "Strahlung" von Mobiltelefonen in typischen Nutzerszenarien zu ermöglichen...

Das ist ein theoretisches Beispiel und soll nicht heißen, daß Geräte mit hohem (Anfangs)SAR immer die bessere Reichweite haben, und das Geräte mit geringem SAR Wert eine schlechte Sendeleistung haben, da noch andere Faktoren, wie die Gestaltung der Antenne und der Abstand zum Kopf eine wesentliche Rolle spielen.
Sehr flache Geräte sind i.d.R. bez SAR problematischer, als dickere Modelle.

Sehr schön kann man das übrigens in diesem Artikel (200kB PDF) der Stiftung Warentest nachvollziehen.

Ist der SAR-Wert nicht unbedingt Maß aller Dinge

Kuddel, Samstag, 19.09.2009, 11:29 (vor 5549 Tagen) @ Kuddel

Wollte mir gerade den Artikel nochmal ansehen und mußte feststellen, daß es nicht geht.
Über diesen Weg kann man ihn sich laden.

In dem Balkendiagramm kann man rechts sehr schön sehen, wie sich bei einigen Modellen der SAR in einer "typischen Verbindung" sogar umkehrt, d.h. ein Gerät mit vorher hohen SAR Werten hat in der "typischen Verbindung" plötzlich sogar den geringsten Wert (roter Balken)....z.B. Nokia3510i (rechts) gegen SonyEricsson Z600 (Mitte)

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