ZDF-Doku: Spinner vs. Physik-Professor (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 18.03.2017, 12:04 (vor 2826 Tagen) @ H. Lamarr

Die Leidensgeschichte des Stuttgarter Physik-Professors begann vor mehr als zehn Jahren. [...] Der Physik-Professor ist kein Einzelfall. Laut einem Bericht des Bundesumweltministeriums an den Deutschen Bundestag bezeichnen sich in Deutschland etwa eine Million Menschen als elektrosensibel.

Überzeugte Elektrosensible klagen darüber, von Mitmenschen als Spinner betrachtet zu werden. Eine nur zu berechtigte Einschätzung, denn bislang gelang es weltweit keinem seriösen Wissenschaftler, auch nur einen einzigen "Elektrosensiblen" zu finden. Unter strengen wissenschaftlichen Versuchsbedingungen versagten alle Probanden, die zuvor behaupteten, sie können schwache elektromagnetische Felder spüren.

Dieses Gewicht lastet schwer auf der einen Schale der Balkenwaage, auf der Pro- & Kontra-Argumente über "Elektrosensibilität" angehäuft werden. Mit belastbaren Sachargumenten ist diese Waage nicht ins Gleichgewicht zu bringen, also wird ein alter Propagandatrick aus der Kaiserzeit eingesetzt, gemeint ist die Titelgläubigkeit der Deutschen. Der Verfasser des oben zitierten Textes weiß über das Spinner-Image des Stuttgarters, deshalb legt er zur Kompensation in die andere Waagschale den Titel "Physik-Professor". Denn üblicherweise sind Physik-Professoren keine Spinner. Bei den meisten Menschen dürfte dieser Trick funktionieren und Zweifel hervorrufen, ob der Betroffene nicht vielleicht doch an "Elektrosensibilität" leidet, diese Krankheit also kein Luftgeist der Psyche ist, sondern real. Sollte dies zutreffen, hätte der Film sein Ziel aus Sicht kommerziell orientierter Mobilfunkgegner bereits erreicht, denn ein über schreckliche biologische Folgen des Elektrosmogs Verunsicherter ist potentieller Kunde für das Heer der Profiteure, die nur darauf warten, den Verunsicherten unnötige Produkte und Dienstleistungen anzudrehen. Der Film leistet so erfolgreich subtile Beihilfe zur Geschäftsanbahnung, besser bekannt unter dem Begriff Schleichwerbung.

Der tendenziöse Text der Vorankündigung lässt vermuten, der Film haut in dieselbe Kerbe. Ein Beispiel ist die tendenziöse Behauptung, laut einem Bericht des Bundesumweltministeriums an den Deutschen Bundestag bezeichnen sich in Deutschland etwa eine Million Menschen als elektrosensibel. Wer es nicht besser weiß muss glauben, hierzulande würde es von "Elektrosensiblen" nur so wimmeln, warum sollte man sich nicht zwanglos dazu gesellen, wenn einem nach einem längeren Handy-Telefonat das Ohr glüht? Seit mindestens 15 Jahren versuchen "Elektrosensible" und organisierte Mobilfunkgegner dieses Zerrbild der Realität ins Bewusstsein der Bevölkerung zu tragen. Tatsächlich ist die genannte Anzahl lediglich eine Hochrechnung, gestützt auf Umfragen. Die realen Zahlen zeigen ganz andere Dimensionen im dreistelligen Bereich, so hat der mit Abstand größte Verein für Elektrosensible mit Sitz in München gerade einmal rd. 140 Mitglieder, wie viele davon Profiteure sind (dem Verein angeschlossene Baubiologen), ist nicht bekannt. Auch alle anderen Indikatoren weisen ausnahmslos auf eine winzige Randgruppe hin und nicht auf ein Millionenheer von Betroffenen. Die Diskrepanz beruht a) auf Schwächen einer Hochrechnung und b) aus einer unscharfen Fragestellung.

Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Spinner, Zerrbild, Opfer, EHS-Phobie, Dienstleistung, Außenseiter, Trick, Selbstdarsteller, Suizid, Randgruppe


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