Abschaffung der Strahlungsgrenzwerte in der Schweiz (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 11.03.2011, 14:23 (vor 5024 Tagen)

Der Präsident des Vereins Gigaherz ist immer für eine Überraschung gut.

Heute: Nicht Sturm-, sondern Tsunamiwarnung, Economiesuisse verlangt Abschaffung der Strahlungsgrenzwerte

Wie bitte?!

Abschaffung der Strahlungsgrenzwerte?

Als Beleg zitiert Herr Jakob aus einer Broschüre mit dem semantisch unglücklichen Titel "Digitale Agenda 2020", denn natürlich gibt es ebenso wenig eine digitale Agenda, wie es eine digitale Uhr gibt, sondern eine Digitaluhr. Aber das ist Nebensache, Hauptsache ist das Zitat, das Jakob aus der 40 Seiten umfassenden Agenda herausgefischt hat:

"Ein besonderes Augenmerk kommt der im internationalen Vergleich ausserordentlich strengen Verordnung zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei den drahtlosen IKT-Infrastrukturen zu. Diese setzt dem Ausbau drahtloser IKT-Technologien enge Grenzen und behindert den Ausbau drahtloser Übertragungsnetze sowie die Nutzung neuer Technologien. Hier läuft die Schweiz Gefahr, bei kommenden Technologiegenerationen an Standortattraktivität zu verlieren."

Und das soll nun der Beleg für die Abschaffung der Strahlungsgrenzwerte sein? Ziemlich dünn. Zu dünn und zu faul, um wahr zu sein.

Wie gewöhnlich hat Herr Jakob selektiv zitiert, er verschweigt Wesentliches aus dem PDF (Seite 36):

"Keine Investitionshemmnisse: Gesetzliche Vorgaben für den Bau, Betrieb und Unterhalt von Infrastrukturen dürfen nicht einseitig ökologische oder politische Ziele verfolgen, sondern müssen auch wirtschaftlich tragbar sein (RPG, USG). Dies trifft insbesondere auch für die Regelung der Verordnung über nichtionisierende Strahlung (NISV) zu, die auf europäisches Niveau angehoben werden soll. Ausserdem muss der Aufbau von mobilen Datennetzen so gestaltet sein, dass Regulierungen (z.B. Lizenzgebühren) nicht investitionshemmend wirken."

Das also ist es, von einer Abschaffung der Strahlungsgrenzwerte in der Schweiz kann überhaupt keine Rede sein. Vielmehr soll nur der niedrige sogenannte Anlagengrenzwert in der Schweiz abgeschafft werden, womit auch in der Schweiz die gleichen Grenzwerte gelten würden, wie in den meisten EU-Staaten.

Und das soll jetzt so schlimm sein, dass Herr Jakob eine Tsunami-Warnung herausposaunt? Nein, keineswegs!

Denn der Gigaherz-Präsident selbst verdammt den niedrigen Schweizer Anlagenwert als Mogelpackung. In seinem 2002 gezogenen Fazit einer "messerscharfen" Analyse schreibt der Elektriker: Schweizer Grenzwerte sind keinen Deut besser als die übrigen in Europa. Diese sind bestenfalls als Beruhigungspille für das aufgebrachte Volk zu werten. Eindeutig besser als im übrigen Europa dagegen, sind unsere Bundesbehörden und unsere Bundesämter. Nämlich im Anwenden von Rosstäuscher- und Viehhändlertricks.

Der Mann weiß offensichtlich nicht was er will: 2002 beschimpft er den niedrigen Anlagenwert als Mogelpackung, 2011 meint er, wegen Forderungen nach Abschaffung eben dieses von ihm verteufelten Anlagenwertes, eine Tsunamiwarnung aussprechen zu müssen.

Was soll man Jakob eigentlich noch glauben können :no:.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Jakob, Grenzwert, Gigaherz, Anlagenwert


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