Da capo: Internet-Telefonie
Ersatz oder noch was Zusätzliches zur Handy-Manie?
Soll man lachen oder weinen? (M.K.)
Telekommunikation
Die Internet-Telefonie kommt zurück
25. Januar 2004 Das Telefonieren über das Internet kommt zurück. Vor Jahren schon wurde die Sprachübertragung auf der Basis des im Internet gebräuchlichen Protokolls (IP) als Alternative zu den herkömmlichen Telefonanschlüssen propagiert. Zunächst scheiterte dies aber an den zu langsamen Internetverbindungen; doch gibt die wachsende Zahl der Breitbandanschlüsse der sogenannten IP-Telefonie jetzt neuen Auftrieb.
Damit rechnet Don Peterson, Vorstandsvorsitzender der amerikanischen Avaya, eines Herstellers von Ausrüstung von Telefonnetzen in Unternehmen, der vor einigen Jahren vom Lucent-Konzern abgespalten wurde. Das Unternehmen beschäftigt rund 18 000 Mitarbeiter und hat im vergangenen Geschäftsjahr (30. September) einen Umsatz von 4,3 Milliarden Dollar ausgewiesen.
Nächste "Killer-Applikation";
Von den rund 400 Millionen geschäftlichen Telefonanschlüssen in der Welt werden heute in jedem Jahr höchstens 4 Millionen auf IP-Telefonie umgestellt, sagte Peterson am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. "Theoretisch könnte es also hundert Jahre dauern, bis sich diese Technik durchsetzt", rechnet er vor. Peterson geht aber davon aus, daß sich der Wandel in einem deutlich kürzeren Zeitraum vollzieht. "Wir glauben, daß sich die Zahl der jährlich auf IP-Telefonie umgestellten Anschlüsse in den kommenden Jahren mindestens verzehnfacht. Das ist ein Markt mit einem sehr großen Wachstumspotential."
Die fehlerfreie Übertragung von Sprache wird seiner Meinung nach die nächste sogenannte "Killer-Applikation" für die Computernetze und der treibende Faktor für deren Aufrüstung. Bis diese Welle allerdings die privaten Haushalte erreiche, werde noch ein längerer Zeitraum vergehen, da die Aufrüstung der Telekommunikationsnetze Zeit brauche. Die Schwierigkeit bei der IP-Telefonie besteht darin, daß die Sprachkommunikation - wie in den herkömmlichen Telefonnetzen auch - ohne Unterbrechung oder Zeitverzug erfolgen muß. Dies erfordert sehr schnelle Netze, die eine solche Qualität garantieren können. Diese Netze sind dann allerdings auch in der Lage, zum Beispiel Filme in Echtzeit zu übertragen, was bisher noch immer schwierig ist.
Eröhte Investitionsneigung der Unternehmen
Diese Entwicklung bedeutet nach Ansicht von Peterson aber auch eine Gefahr für die großen Telefongesellschaften, die ihren Umsatz bisher noch zum größten Teil mit der Vermittlung des Sprachverkehrs machen. Diese müßten sich auf die Entwicklung hin zur IP-Telefonie einstellen und selber zum Anbieter dieser Dienste werden, wenn sie langfristig nicht aus dem Markt gedrängt werden oder zu reinen Netzwerkbetreibern schrumpfen wollten.
Peterson sieht im laufenden Jahr erste Anzeichen dafür, daß zumindest die Unternehmen damit beginnen, die Investitionen für ihre Kommunikationsnetze wieder stärker an strategischen Gesichtspunkten auszurichten. "Vor einem Jahr lautete die Forderung: Eine Amortisation der Investition muß durch die damit erreichte Kostensenkung in einem Jahr erfolgen. Heute besteht die Bereitschaft, den Investitionen doppelt soviel Zeit zu geben, bis sie sich amortisieren."
Enttäuscht äußerte sich Peterson über die Entwicklung im Segment der drahtlosen Netzwerke, die inzwischen besser unter dem Begriff Wireless-LAN (Local Area Network) bekannt sind. Hier gingen zwar die Absatzzahlen deutlich in die Höhe. Gleichzeitig sei aber ein enormer Preisverfall für die Geräte zu beobachten, der dazu führe, daß sich der Umsatz mit diesen Anlagen enttäuschend entwickle. Gleiches gelte für die Rendite. Auch sieht Peterson die W-LAN-Technik nicht als Konkurrenz zu den kommenden UMTS-Netzen. Vielmehr rechnet er damit, daß sich eher die Datenübertragung in den aufgerüsteten UMTS-Mobilfunknetzen positiv entwickeln werde, da hier zum Beispiel die Abrechnung und Einwahl an verschiedenen Orten einfacher sei.
(c) Text: jcw., Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.01.2004, Nr. 21 / Seite 16
Bildmaterial: dpa