Zweite Chance an der Charité - ein vergiftetes Geschenk... (Forschung)

AnKa, Samstag, 19.11.2011, 16:37 (vor 4774 Tagen) @ Gast

Wer in seiner Doktorarbeit gepfuscht hat, darf nachbessern. Nach diesem Grundsatz verfährt zurzeit die Berliner Charité. Wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, hat die dortige Promotionskommission entschieden, dass zwei Ärztinnen ihre Doktorarbeit überarbeiten dürfen. In den Dissertationen waren gravierende Fehler entdeckt worden - so schwerwiegend, dass sie dem Bericht zufolge auch einen Entzug des Doktorgrades rechtfertigen könnten. Die Entscheidung der Kommission stößt bei Experten auf Kritik. Der von der Deutschen Forschungsgesellschaft eingesetzte Ombudsmann für die Wissenschaft, Wolfgang Löwer, merkt an: Die Charité könne sich nicht um die Frage herumdrücken, ob der Doktortitel jeweils zu Recht verliehen worden sei. © Copyright Deutschlandradio Kultur

Das ist ein bedenkenswürdiger Vorgang.

Wenn man den Schilderungen im SZ-Artikel vom 14.11. folgt (Titel: "Dr. med. nachgebessert"), dann werden von der Berliner Charité weder Zusammensetzung und fachliche Befähigung, noch die Gutachtensschrift der angeblich "externen" Kommission nach draußen mitgeteilt. Wohl aber deren Empfehlung: Doktorand(inn)en, deren Arbeiten in begründetem Fälschungs-/Datenfabrikationsverdacht stehen, sollten an der Berliner Charité posthum eine "zweite Chance" angeboten bekommen, ihre Arbeit nachzubessern.

Wird das so durchgeführt und also grundsätzlich möglich, dann könnten andere Doktoranden mit Fug und Recht auf Gleichbehandlung pochen, und mehr: sie -oder gleich die Politik- könnten mittelfristig eine Regel einklagen, die dieses Verfahren institutionalisiert. Anderenfalls würde diesem in der Charité ersonnenen Verfahren auf Dauer der Geruch der Willkür anhaften.

Ärgerlich, vielleicht aber auch in Wirklichkeit lustig, ist es, dass eine der in der extremen Mobilfunkgegnerszene herbeigesehnten Der-Mobilfunk-verursacht-Zellschäden-Arbeiten mitbetroffen ist. Das kann noch unterhaltsam werden.

Die Doktorandin, die diese Arbeit verfasst hat und jetzt im Verdacht steht, Daten fabriziert, also betrogen zu haben, sollte sich das Angebot der Charité zweimal überlegen. Wer würde im Wissenschaftsbetrieb mit so einer Sonderregelung schon glücklich? Fachlich gesehen, bedeutet die angebotene Zehn-Monats-Frist doch eine ernste Aufforderung an die arme Frau: liefern Sie solide, also replizierfähige Ergebnisse ab. Darauf darf man dann gespannt sein. Das Angebot ist ein Danaergeschenk. Fein heraus ist am Ende in jedem Fall die "soziale" Charité. Die Dumme aber, weil: Alleinverantwortliche, ist nun, und bleibt ab dann, die Doktorandin. Und die Voraussetzungen sind auch in anderer Hinsicht fragwürdig. Vermutlich besteht auch ein Abhängigkeitsverhältnis. Oder gar mehrere. Wissenschaft, abzuliefern unter Druck. Man denke diese Geschichte weiter. Sie ist anrüchig.

Vielleicht wäre es nach einiger reiflicher Überlegung denn doch geschickter, auch die Doktorandin wählte den Weg eines ehemaligen Verteidigungsministers. Und würde wenn möglich irgendwann auch benennen, wer ihr da eventuell geholfen hat, auf Abwege zu driften. Pathetisch formuliert, hat ja Wissenschaftlichkeit etwas mit dem Bemühen um die Wahrheit, die ganze, zu tun.

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"Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere." (Groucho Marx)

Tags:
Datenfabrikation, Zellschäden


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