EZU: Europäisches Zentrum für Umweltmedizin (Esoterik)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 17.05.2015, 16:23 (vor 3480 Tagen)

Der erste Eindruck
"Das Europäische Zentrum für Umweltmedizin ist Teil der NÖ Landesakademie und wird von der NÖ Landesregierung und der Initiative Tut Gut unterstützt.

Gegründet wurde das EZU im Jahre 1999 und geht unter anderem auf die Idee von Hofrat Prof. Franz Rupp, dem ehemaligen Generaldirektor der NÖ Gebietskrankenkasse, zurück."

Ja, es hört sich richtig gut an, was das EZU auf seiner Website über seine Wurzeln schreibt zumal Mitarbeiter Dipl.-Ing. Johannes Tomitsch auch noch Autor einer wissenschaftlichen Arbeit ist.

Wenn Herr Tomitsch als Referent für einen Vortrag Elektrosmog angekündigt wird, der am 27. Mai 2015 um 19:00 Uhr in der Freizeithalle von Langau, Österreich, stattfinden soll, dann schlagen die Alarmsensoren nicht an. Doch nur zunächst nicht.

Der zweite Eindruck
Der gute Eindruck fangt an zu kippen, wenn man im Werbetext für die Veranstaltung die folgende Passage erreicht:

Durch eine Elektrosmogmessung können Störquellen gefunden werden, die in vielen Fällen einfach vermieden werden können. Diese Verringerung der Felder stellt eine vorsorgliche Maßnahme gegen mögliche gesundheitliche Risiken dar. Speziell am Schlafplatz ist eine Minimierung der Elektrosmogbelastung wichtig.

Zusätzlich lässt sich in vielen Fällen der Elektrosmog auch in Büros reduzieren. Beim Neubau beziehungsweise Umbau können besonders einfach Maßnahmen ergriffen werden.

Das ist reinstes baubiologisch, was da gesprochen wird. Heißt: Es wird mit Elektrosmogmessungen eine unnötige Dienstleistung angepriesen. Ganz zu schweigen von unnötigen Bau- und Umbaumaßnahmen, wie diese zum Standardrepertoire von Baubiologen gehören, die aber nur gefühlte und keine realen Risiken reduzieren.

Wer so dumm ist, für unnötige Schirmmaßnahmen Geld zu bezahlen ist selber schuld, möchte man meinen. Stimmt, im aktuellen Fall aber ist das Risiko, der Werbung auf den Leim zu gehen besonders hoch, weil Herr Tomitsch kein nach Gewinn strebender Baubiologe ist, sondern selbstlos im mutmaßlich staatlichen Auftrag handelt.

Die Schattenseiten des EZU
Das Blut in den Adern gefriert einem, wenn man auf der Website des EZU Wohlwollendes zur pseudowissenschaftlichen Esoterik liest, konkret über die sogenannte Radiästhesie. Aus meiner Sicht wäre schon dies ein guter Grund für die Niederösterreichische Landesakademie, dem EZU die Mittel zu sperren, um nicht selbst in Verruf zu geraten.

Letzte Zweifel, wo das EZU anzusiedeln ist, beseitigt ein Blick auf die Elektrosmogseiten dieses famosen Zentrums. Die Linkliste gibt Auskunft, wo sich das EZU im www herumgetrieben hat, der wissenschaftliche Beirat nennt mit Prof. Kundi und Prof. Mosgöller bekannte Namen aus der Anti-Mobilfunk-Szene und versetzt Prof. Rüdiger, der sich vor ungefähr zehn Jahren aus den Diensten der Medizinischen Universität Wien in den Ruhestand verabschiedete, zurück auf seinen alten Posten, den er zu Zeiten seiner berühmt-berüchtigten "Reflex"-Studie hatte.

Und wer sich jetzt noch traut, auf den EZU-Link WLAN an Schulen zu klicken, der landet bei Dr. Klaus Scheler, ehemals Mitarbeiter der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und jetzt im Ruhestand. Herr Scheler vermittelte in seinen Lehrheften zum Thema Elektrosmog fachlich richtige und ansprechende physikalische Experimente, seine Begleittexte sind jedoch tendenziös auf Elektrosmog-Alarm ausgerichtet, auch die Links in seinen Texten verweisen einseitig auf Elektrosmog-Alarmisten, Scheler hat zudem keine Hemmungen, auf mMn qualitativ anspruchslose Sachbücher zu verweisen wie Werke von Dr. med. H.-C. Scheiner, Heike-Solveig Bleuel, Grasberger & Kotteder oder Mara Marken.

Um das IZgMF macht das EZU übrigens einen großen Bogen, obwohl doch eigentlich niemand, der sich in den D-A-CH-Ländern mit Elektrosmog beschäftigt, auf Dauer daran vorbei kommt. Nein, böse sind wir wegen der Missachtung nicht, im Gegenteil, sie belegt schön deutlich die verhängnisvolle Hauptstrahlrichtung des EZU.

Über den Träger des EZU
Über den Träger des EZU, die Niederösterreichische Landesakademie, weiß Wikipedia:

Die Niederösterreichische Landesakademie ist die Zukunftsakademie des Landes Niederösterreich.
[...]
Im Jahr 1987 wurde die gesetzliche Grundlage für die Errichtung der Wissenschaftlichen Landesakademie für Niederösterreich[1] im niederösterreichischen Landtag beschlossen. Die Gründung erfolgte 1988 durch den Landeshauptmann Siegfried Ludwig. Als Standort wurde das Areal der ehemaligen Produktionswerkstätte der Austria Tabakwerke in der Dr.-Karl-Dorrek-Straße in Krems an der Donau ausgewählt. Seit ihrer Gründung [2] beschäftigt sich die Landesakademie mit dem Thema Zukunft. Ihre ursprüngliche Bestimmung war es, eine Universität neuen Stils in Niederösterreich vorzubereiten, was mit der Eröffnung der Donau-Universität Krems im Jahr 1995 gelungen ist. [3] Seit dem Umzug von Krems nach St. Pölten im Jahr 1997 [4] befindet sich ihre Heimstätte im Kulturbezirk des Regierungsviertels im Haus 17A[5]. Sie koordiniert die Aktivitäten und Projekte im Jahr der Freiwilligen 2011.
[...]
Die NÖ Landesakademie ist eine Wissensdienstleisterin für fach- und gesellschaftspolitisch wichtige Themen, insbesondere in Fragen des Bildungswesens und der Landesentwicklung.

Ergänzung: Die Niederösterreichische Landesakademie ist auch Inhaber der Domain ezu.at.

Soso, die "Wissensdienstleisterin für fach- und gesellschaftspolitisch wichtige Themen" in Österreich betrachtet sich augenscheinlich auch für Elektrosmog und die sogenannte Radiästhesie zuständig. Ich sehe da Parallelen zum Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften an der Europa-Universität (Viadrina) in Frankfurt a. d. Oder. Mit dem Geld, das hier für Esoterikkram zum Fenster herausgeworfen wird, ließe sich für die Gesellschaft auch Wertvolles machen.

Hintergrund
Scienceblogs: Wünschelrute, Geomantie und Elektrosmog: Das Europäische Zentrum für Umweltmedizin
Scienceblogs: Entgegnung des EZU

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Filz, Oesterreich, Scheiner, Rutengeher, Radiästhesie, Wien, Rüdiger, Kundi, Mediziner, Mosgöller, Parawissenschaft, Wünschelruten, Schulprojekt, Scheler, EZU, Entgegnung, Viadrina, Tomitsch


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum