Diagnose-Funk im Kielwasser von Microwave News (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 23.03.2015, 00:33 (vor 3542 Tagen) @ H. Lamarr

Die Eigenleistung des Anti-Mobilfunk-Vereins ...

... Diagnose-Funk anlässlich der jüngsten Lerchl-Studie bleibt weiter auf homöopathischem Dosisniveau. Zu einer eigenen Analyse nicht imstande, bedient sich der Verein jetzt der US-Website "Microwave News", um ein paar kritische Anmerkungungen über Lerchl zu erhaschen. Womöglich hofften die Stuttgarter missgünstig auf besonders kritische Töne, denn Prof. Lerchl war zuvor nicht nicht bereit gewesen, Fragen von Microwave News nach seiner neuen Studie zu beantworten. Louis Slesin, Kopf von Microwave News schrieb dennoch einen Beitrag über Lerchl und dessen Replikationsstudie. Diagnose-Funk hat diesen Beitrag ins deutsche übersetzt (PDF, 4 Seiten). Was damit bezweckt werden sollte, geht aus dem Beitrag nicht hervor.

Wer jetzt glaubt, die Übersetzung ins deutsche sei die einzige Leistung von Diagnose-Funk gewesen, liegt falsch. Denn der Anti-Mobilfunk-Verein zeigt sich mit dem eher harmlosen Terminus "replication" überfordert und erfand dafür das neue deutsche Wort "Replizierung", anstatt sich des gebräuchlichen Replikation zu bedienen. Schlimm ist das nicht, doch es zeigt wie fremd den Diagnose-Funkern das ist, worüber sie schreiben.

Wie bei Diagnose-Funk üblich, wird begleitend zur Vorstellung des übersetzten Microwave-Beitrags die Quelle der Worte künstlich glorifiziert, damit Außenstehende den Eindruck von Kompetenz bekommen. Ja, stimmt schon, Microwave News ist zweifellos der Mercedes unter den Anti-Mobilfunk-Websites dieser Welt, mit deren Ansehen können weder Bürgerwelle noch Diagnose-Funk auch nur ansatzweise mithalten. Doch Slesin war und ist kein ergebnisoffener Wissenschaftler, sondern bekennender Elektrosmog-Gegner - wenn auch auf einsam hohem Niveau. Entsprechend ist seine Website gepolt.

Diagnose-Funk aber behauptet:

Microwave News ist das führende Portal zur Wissenschaftsdebatte über die Mobilfunkstrahlung, Sitz ist in New York.

Soso. Und wer hat jetzt recht? Lassen wir dazu einen Amerikaner zu Wort kommen, Robert L. Park. Der Mann ist Physik-Professor und ein respektabler Wissenschaftler, bekannt wurde er jedoch erst mit seinem 2000 erschienenen Buch "Voodoo Science: The Road from Foolishness to Fraud". Darin äußert er sich laut Wikipedia auch über Microwave News:

In his 2000 book Voodoo Science, Robert L. Park described Microwave News as "an influential newsletter devoted entirely to the EMF-health issue" (Page 141) but stated "Paul Brodeur and Microwave News in particular, had given the public a seriously distorted view of the scientific facts." (Page 158)

Park bescheinigt Microwave News einerseits einflussreich zu sein, andererseits der Öffentlichkeit eine erheblich verzerrte Sicht auf wissenschaftliche Fakten gegeben zu haben.

Jetzt hängt er etwas schief, der Glorienschein. Es gibt aber noch mehr zu beanstanden.

Inhaltliche Kritik an dem Beitrag von Microwave News habe ich mir erlaubt, schon am 15. März zu formulieren. Dabei ist mir jedoch der Untertitel durch die Lappen gegangen, der in gradliniger Diagnose-Funk-Übersetzung lautet "Deutschlands Alexander Lerchl unternimmt eine Kehrtwende". Tendenziös dürfen Elektrosmog-Gegner wohl texten, aber auch falsch? Von Louis Slesin hätte ich etwas mehr erwartet. Denn was er schreibt stimmt nicht, Lerchl legt mit seiner jüngsten Arbeit keinen U-Turn hin, sondern einen O-Turn.

Zumindest die hiesigen Mobilfunkgegner, besonders eine aus O. in M. sollte dies nur zu gut wissen. Und auch der sogenannte "Leiter des Ressort Wissenschaft" bei Diagnose-Funk sollte wissen, was er auf seiner Website stehen hat. Ja, genau, ich rede von D. + A. Lerchls umstrittener "Koniferenstudie" aus dem Jahr 1999, die unter Mobilfunkgegnern als Beleg für die Schädlichkeit von Tetra-Funkfeldern hoch gehandelt wird, obwohl die Autoren eine andere Interpretation bevorzugen.

Wem das nicht reicht, der sei auf Lerchls GSM-Mäusestudie aus dem Jahr 2003 verwiesen, damals setzten Mobilfunkgegner, namens die "Bürgerwelle", große Hoffnungen auf Lerchl. Im Newsletter der BW vom 29.09.2003 heißt es noch ganz artig ohne jede Aggression:

Wie schädlich ist (UMTS-) Mobilfunk-Strahlung?
[...]
Einer der Menschen, die eine Antwort auf die Frage noch am ehesten geben könnte ist Professor Dr. Alexander Lerchl von der International University Bremen (IUB). Denn unter seiner Leitung wird in den nächsten Wochen ein mehrjähriges Forschungsprojekt abgeschlossen, in dem die Gefahren, die von Mobiltelefonen im GSM-Netz ausgehen, untersucht wurden. Dies ist reichlich spät, wenn man bedenkt, dass die D-Netze der Deutschen Telekom und Vodafone (ehem. Mannesmann Mobilfunk) bereits seit Sommer 1992 in Deutschland eingesetzt werden. Zwei Jahre später, Ende Mai 1994, ging auch das E-Netz von E-Plus im Großraum Berlin an den Start. Prof. Lerchl und sein Team erhielten den Forschungsauftrag einfach viel zu spät. Ein Fehler, der bislang scheinbar ohne böse Folgen blieb, den das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) aber nicht noch einmal machen möchte.

Und ein paar Zeilen weiter unten moniert Prof. Lerchl ausgerechnet etwas an der Repacholi-Replikationsstudie, was viele Jahre später (2007) Louis Slesin an den Perform-A-Studien kritisierte. Der alte BW-Newsletter weiß, worum es geht:

Prof. Lerchl von der IUB äußerte später Kritik an der Wiederholungsstudie. Die nicht-exponierte Gruppe wies erstaunlicherweise eine erhöhte Krebshäufigkeit auf. Lerchl vermutete, dies könne aufgetreten sein, weil die Mäuse in engen Kunststoffröhren fixiert waren, was durch Stress das Krebsgeschehen beeinflussen und eventuell verfälschen könnte.

Last but not least entdeckte Lerchl 2005: Mobilfunk macht dick. Ebenfalls kein Belegt für den angeblichen U-Turn.

Ich behaupte, Louis Slesin ist mit seiner U-Turn-Behauptung auf das Geschwätz herein gefallen, das organisierte Mobilfunkgegner der deutschsprachigen Szene gebetsmühlenartig über Lerchl bis in ferne Länder kolportieren.

Zwei Begebenheiten machten Lerchl innerhalb eines Jahres zum Premiumgegner der Anti-Mobilfunk-Szene:

Seitdem Lerchl in Fehde mit Adlkofer steht, hat sich der Bremer Professor eines beträchtlichen Shitstorms zu erwehren, der aus meiner Sicht nicht spontan, sondern organisiert ist.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Wissenschaft, Hoffnung, Bergmann, Adlkofer, Inkompetent, Slesin, Koniferenstudie, Shitstorm, Microwave News


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