Falsche Schlüsse (95): Maschenweite (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 30.07.2017, 11:55 (vor 2678 Tagen) @ H. Lamarr

Ein Ichthyologe, ein Fischkundiger, will das Leben im Meer erforschen. Er wirft dazu sein Netz aus, zieht es gefüllt an Land und prüft seinen Fang nach der gewohnten Art eines Wissenschaftlers. Nach vielen Fischzügen und gewissenhaften Überprüfungen formuliert er zwei Grundgesetze der Ichthyologie:

1. Alle Fische sind größer als fünf Zentimeter.
2. Alle Fische haben Kiemen.

Er nennt diese Aussagen Grundgesetze, da beide Punkte sich ohne Ausnahme bei jedem Fang bestätigt hatten. Hypothetisch nimmt er deshalb an, dass diese Aussagen auch bei jedem künftigen Fang sich bestätigen, also wahr bleiben werden.

Ein kritischer Betrachter ist jedoch mit der Schlussfolgerung des Ichthyologen höchst unzufrieden und wendet energisch ein:
"Dein zweites Grundgesetz, dass alle Fische Kiemen haben, lasse ich als Gesetz gelten, aber dein erstes Grundgesetz, das über die Mindestgröße der Fische, ist gar kein Gesetz. Es gibt im Meer sehr wohl Fische, die kleiner als fünf Zentimeter sind, aber diese kannst du mit deinem Netz einfach nicht fangen, da es eine Maschenweite von fünf Zentimetern hat!"

Der Ichthyologe ist von diesem Einwand jedoch keineswegs beeindruckt und entgegnet: "Was ich mit meinem Netz nicht fangen kann, liegt prinzipiell außerhalb fischkundlichen Wissens, es bezieht sich auf kein Objekt der Art, wie es in der Ichthyologie als Objekt definiert ist. Für mich als Ichthyologen gilt: "Was ich nicht fangen kann, ist kein Fisch."

Quelle: Methoden der Erkenntnisgewinnung, Seminar Empirische Sozialforschung/Pflegeforschung, Prof. Dr. U. Toellner-Bauer

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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