Krebsseminar 2014: Ursachen-Therapie nach Dr. Mutter (UTM) (Allgemein)
Dr. med. Joachim Mutter lädt für den 18. und 19. Oktober 2014 nach Kirchzarten (BW). Dort hält der Mann, der eigentlich Umweltmediziner ist, ein sogenanntes "Krebsseminar 2014" ab. Therapeuten sollen an Ort und Stelle über die "Ursachen-Therapie und Verhütung der häufigsten Krankheiten nach Dr. Mutter (UTM)" aufgeklärt werden. Seminargebühr: 400 Euro (inkl. Mittagessen), zu überweisen auf ein Privatkonto von Dr. Mutter. Co-Referenten sind Dr. med. Harald Banzhaf und Dr. med. Johannes Naumann, zwei Mediziner, mit denen Mutter häufig auftritt.
Doch die Buchungen für dieses Seminar lassen zu wünschen übrig, erkennbar daran, dass kürzlich noch ein Mailing gestartet wurde, um Unentschlossene doch noch zur Teilnahme zu überreden. In die Halle (großer Saal) des Kurhauses passen bei Theaterbestuhlung immerhin 400 Personen, ganz ungefährlich ist der Aufenthalt dort allerdings nicht (siehe Hintergrund).
Auf den Inhalt der Vorträge will ich nicht weiter eingehen, seriös wirkt das, was da aufgetischt wird, auf mich jedenfalls nicht. Aber: Ich bin kein Mediziner, kann darüber deshalb nicht fachkundig urteilen. Wer es genau wissen will, <hier> (PDF) sind alle Vortragsthemen aufgelistet.
Zur Ertragsoptimierung empfiehlt Mutter den Seminarteilnehmern vorbereitend zum Seminar einige Bücher zu lesen, zufällig stehen in der Empfehlungsliste seine eigenen Werke ganz oben.
Irritierend ist die Fürsorge gegenüber überzeugte "Elektrosensible": "Im Kurhaus ist während der Veranstaltung WLAN ausgestellt," heißt es, "Mikrofon u.a. wird per Kabel übertragen (nicht per Funk), alle Teilnehmer werden gebeten, ihre Handys, WLAN etc auszuschalten, Teilnehmer anderer Veranstaltungen werden informiert, nur im Außenbereich funkbasiert zu telefonieren: Ziel: Mehr Wohlbefinden und Konzentration." Von der gewohnten Dramatik fehlt hier jede Spur, glaubt man Dr. Mutter, bewirkt Funk nur eine marginale Reduzierung des Wohlbefindens und der Konzentrationsfähigkeit. Also, wenn's weiter nichts ist ... Warum überhaupt auf EHS hingewiesen wird ist mir nicht klar. Denn Krebstherapeuten haben in aller Regel mit der Elektrosmog-Phobie sowieso nichts am Hut, womöglich werden sie von Mutter jedoch auf Linie gebracht.
Trickreich ist folgende Passage aus dem Programm: "Zertifizierte Fortbildungspunkte (16) werden bei der Landesärztekammer beantragt. Die Fortbildung findet auf fachärztlichem wissenschaftlichen Niveau statt, wobei wir auf eine einfache und verständliche Sprache großen Wert legen." Soso, wissenschaftliches Niveau für Dummies. Eine Anfrage bei der Landesärztekammer BW hat heute allerdings ergeben: Das Seminar ist dort nicht bekannt, Fortbildungspunkte sind daher nicht in Sicht.
Dass Dr. Mutter sich jetzt, nach seinen Karrieren in den Jagdgründen der Amalgam- und Mobilfunkgegner, als Krebstherapeut inszeniert, ist neu. Seinem beruflichen Werdegang (PDF) zufolge hält der umstrittene Mediziner das Krebsseminar seit 2013. Möglicherweise ist dies eine Erklärung dafür, warum Mutter seit längerem in der Anti-Mobilfunk-Szene nicht mehr groß in Erscheinung getreten ist.
Ebenfalls neu: Seit 2012 will er Dozent im Masterstudiengang Komplementäre Medizin und Kulturwissenschaften, an der Europa-Universität Frankfurt (Oder) sein. Ein seltsamer Studiengang, auf der Website der Universität nur schwer zu finden, da Mutter die Reihenfolge vertauscht hat. Richtig heißt dieser Studiengang: Kulturwissenschaften und Komplementäre Medizin. Seltsam bleibt er trotzdem, wie folgendes Profil zeigt: "Das Studium wendet sich exklusiv an Ärzte, Apotheker und Psychotherapeuten sowie weitere Berufsgruppen mit einem akademischen Abschluss in den Gesundheitswissenschaften. Inhalte sind die Erforschung der geisteswissenschaftlichen Wurzeln der Medizin und Heilkunde und die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die das (schul)medizinische Wissen und Können sinnvoll ergänzen." Für mich hört sich das schwer nach astreiner Scharlatanerie an. Und tatsächlich: Der Studiengang findet am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) statt, dessen Chef Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach ist. Eben jener Walach, der 2012 mit dem "goldenen Brett" als Humbug-Professor ausgezeichnet wurde.
Hintergrund
Dr. med. Joachim Mutter im IZgMF-Forum
Gehen im Kurhaus bald die Lichter aus?
Harald Walach zur Verleihung von „Das Goldene Brett“ 2012
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Durchgreifende strukturelle Bedenken gegen IntraG
Der Studiengang findet am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) statt, dessen Chef Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach ist.
Aus Wikipedia:
Die Hochschulstrukturkommission des Landes Brandenburg hat am 8. Juni 2012 einen Abschlussbericht über die Hochschullandschaft des Bundeslandes vorgelegt. In diesem werden gegen das von Walach geleitete Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) „durchgreifende strukturelle Bedenken“ geäußert. Dem Lehrkörper, wie auch in der Forschung, fehlten überwiegend medizinische Kenntnisse. „Insgesamt ist die für eine der Themenstellung adäquate Forschung im universitären Rahmen erforderliche personelle wie sachliche Ausstattung des Instituts aus Sicht der Kommission nicht erkennbar.“ Die Hochschulstrukturkommission empfiehlt der Universität „nachdrücklich den künftigen Verzicht auf das Angebot des MA-Studienganges ‚Kulturwissenschaften – Komplementäre Medizin‘“. Selbst die Fortführung des Instituts wurde weder als In-Institut noch als An-Institut befürwortet.[43][44] Die Viadrina hat im Februar 2013 beschlossen, sich über die Empfehlung der Hochschulstrukturkommission hinwegzusetzen und das Institut weiterzuführen. Das Institut soll innerhalb der nächsten 2 Jahre eine Kooperation mit einer bisher nicht genannten medizinischen Fakultät eingehen.
Meine Meinung: Irgendwie ist alles, wo Dr. Mutter die Finger mit drin hat, ziemlich schräg angehaucht, die Grenze zur Scharlatanerie mal beängstigend nahe, mal bereits überschritten. An dieser Stelle sollte als Beleg ein Link zur Dr.-Mutter-Seite bei Psiram stehen, doch ist diese Website leider wieder einmal down und unerreichbar. Psiram ist ein Stachel im Fleisch vieler Geschäftemacher, deshalb wird diese Site regelmäßig attackiert.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Alternative Medizin: Viadrina hält an umstrittenem Institut
[Titel geändert am 22.09.2014]
Eine Master-Arbeit übers Hellsehen brachte der Frankfurter Viadrina-Uni viel Spott ein, Wissenschaftler empfahlen dringend die Schließung des Instituts, das die Arbeit betreut hatte. Trotzdem steht die Hochschule hinter ihrer Weiterbildung in alternativer Medizin. Und will sich nun Hilfe von außen holen. ...
Das Angebot ist sehr umstritten. Externe Wissenschaftler hatten es im vergangenen Sommer im Auftrag des brandenburgischen Wissenschaftsministeriums überprüft und waren zu einem vernichtenden Urteil gekommen: "Eine Fortführung des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften ist weder wie bisher als In-Institut noch als An-Institut zu befürworten", schrieb die Hochschulstrukturkommission in ihrem Bericht.
"Nachdrücklich" empfahlen die Experten der Uni auch den Verzicht auf besagten Studiengang." "
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Meine Meinungsäußerung
Das IntraG schießt zurück
Die Hochschulstrukturkommission des Landes Brandenburg hat am 8. Juni 2012 einen Abschlussbericht über die Hochschullandschaft des Bundeslandes vorgelegt. In diesem werden gegen das von Walach geleitete Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) „durchgreifende strukturelle Bedenken“ geäußert.
Ach du meine Güte, das 2008 gegründete umstrittene Institut wehrt sich mit Zähnen und Klauen, augenscheinlich erfolgreich:
- Rechtsstreit mit FAZ
- Rechtsstreit mit Spon
- Beschwerde gegen TAZ beim Presserat
Dieser Quelle zufolge wurde das Institut unter der Präsidentschaft von Prof. Dr. Gesine Schwan aus der Taufe gehoben. Da bin ich im nachhinein denn doch ganz froh, dass Frau Schwan bei ihren beiden Kandidaturen für das Amt der Bundespräsidentin nicht zum Zuge gekommen ist.
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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Hogwarts an der Oder
Der Studiengang findet am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) statt, dessen Chef Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach ist.
In welch' illustrer Gesellschaft sich der umtriebige Dr. Mutter im fernen Osten der Republik bewegt, das haben die Rechercheure von Psiram herausgefunden. In dem Beitrag Hogwarts an der Oder erzählen sie, wer sich in dem Institut so alles die Klinke in die Hand gibt und auf Studenten losgelassen wird.
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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –