Wir üben Desinformieren (15): Alle nahmen Krankheit EHS ernst (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 09.02.2025, 19:22 (vor 1 Tag, 0 Stunden, 13 Min.)

Heute geht es wieder einmal um die Prachtform der Desinformation, die uns nebenbei so unauffällig ins Hirn geträufelt wird, dass wir's kaum bemerken. Und um die Wächter am Eingang gut einzuseifen, sprudelt die Desinformation selbstredend nicht aus dem Mund von Hein Doof, sondern aus dem Mund einer Autorität, die von Beruf angeblich Kriminaloberkommissarin ist.

Diagnose-Funk berichtete 2023 von einer damals 53-jährigen Polizistin, die im Interview von ihrer "Elektrosensibilität" erzählt. Diese Geschichte mag man nun glauben oder nicht, mir geht es hier und jetzt allein um die Titelzeile, die da lautet: "Von allen wurde die Erkrankung Elektrohypersensibilität ernst genommen". Die Titelzeile taucht im Fließtext des Interviews erneut auf und lautet dort im Kontext:

[...] Durch einen Antrag bei der Agentur für Arbeit erreichte ich eine Gleichstellung mit einer 50% Schwerbehinderung. Zu meinem Hausarzt bestätigten zwei weitere Ärzte meine Elektrohypersensibilität. Im Sommer 2021 startete ein betriebliches Eingliederungsmanagement. Mit mir am Tisch saßen ein Schwerbehindertenvertreter, Personalvertreter, eine Person des Integrationsfachdiensts, eine Sachbearbeiterin des Gesundheitsmanagements und die Chefin der Personalabteilung. Von allen wurde die Erkrankung Elektrohypersensibilität ernst genommen. Der Beschluss war, dass ich zukünftig im Homeoffice arbeiten darf und vom Integrationsfachdienst die Kosten für das Einrichten eines strahlungsarmen Büros im eigenen Haus übernommen werden.[...]

So weit, so gut.

Aus meiner Sicht ist in der fraglichen Zeile jedoch der Wurm drin. Denn die Polizistin spricht eine Tatsachenbehauptung aus, die sie gar nicht treffen konnte. Woher wollte sie wissen, dass alle am Tisch "die Erkrankung Elektrohypersensibilität ernst genommen" haben? Wissen konnte sie es nicht. Sie konnte es nur annehmen. Vielleicht, weil sich keiner der Beteiligten über ihre objektiv nicht diagnostizierbare Krankheit sichtbar lustig machte und sich seinen Teil insgeheim nur dachte.

Dass die angebliche Kriminaloberkommissarin ihre Vermutung als Tatsache ausgibt, ist nachvollziehbar. Mir ist kein überzeugter Elektrosensibler bekannt, dem die Anerkennung von "Elektrosensibilität" nicht ein dringendes Anliegen wäre. Und von der Interviewerin war nicht zu erwarten, dass sie die Behauptung der Kriminaloberkommissarin geraderückt, denn Renate Haidlauf behauptet über "Elektrosensibilität" noch ganz andere Dinge.

Ob sich die Story überhaupt so zugetragen hat, wie es der Stuttgarter Verein berichtet, steht in den Sternen. Die Geschichte könnte auch frei erfunden sein. Gegenwärtig führt dieser Suchbegriff jedenfalls ausschließlich zu zwei Treffern auf den Seiten des Vereins. Das werte ich als Hinweis, dass die Identität der Hauptperson verschleiert wird. Sollte die Story wahr sein, mag dies zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gerechtfertigt sein. Andererseits ist auf diese Weise eine unabhängige Prüfung des Sachverhalts nicht möglich, was der Glaubwürdigkeit der mMn ziemlich unglaubwürdigen Geschichte zusetzt.

Hintergrund
Alle Folgen der Reihe "Wir üben Desinformieren" ...

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tricksen, täuschen und blenden

KlaKla, Montag, 10.02.2025, 09:19 (vor 10 Stunden, 16 Minuten) @ H. Lamarr

[...] Durch einen Antrag bei der Agentur für Arbeit erreichte ich eine Gleichstellung mit einer 50% Schwerbehinderung.

Der Fehler passiert im Kopf der Leser. Für welche Behinderung Sie den Grad 50% zugesprochen wurde steht da nicht. Es könnte durch eine Schussverletzungen zu einer gesundheitlichen Behinderung gekommen sein. Der Leser wird gezielt auf EHS gelenkt, es war Thema...


EHS ist keine anerkannte Krankheit.

--
Meine Meinungsäußerung

RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum