Warum das obere 6-GHz-Band für den Mobilfunk entscheidend ist (Technik)
Der Dresdner Professor Gerhard Fettweis argumentiert, dass die Zukunftsfähigkeit des Mobilfunks – insbesondere im Hinblick auf 6G – maßgeblich davon abhängt, ob das obere 6-GHz-Band (6425 MHz bis 7125 MHz) für Mobilfunkanwendungen verfügbar gemacht wird. Der stetig wachsende Datenbedarf, neue KI-Anwendungen und die zunehmende Vernetzung von Geräten ließen sich mit den bestehenden Frequenzen nur noch begrenzt auffangen.
Wachsende Anforderungen durch neue Anwendungen
Der mobile Datenverkehr steigt seit Jahren um rund 20 Prozent jährlich. Gründe dafür sind nicht nur mehr Smartphones und Video-Streaming, sondern zunehmend auch vernetzte Geräte in Industrie, Verkehr, Medizin und Robotik. Für neue Anwendungen wie interaktive KI (z. B. Video-Prompting oder Gestik-Erkennung), mobile Robotik und Exoskelette sind hohe Bandbreiten und geringe Latenzen erforderlich – zudem zuverlässig auch innerhalb von Gebäuden. Die klassische WLAN-Infrastruktur kann diese Qualitätsanforderungen nicht garantieren.
WLAN und Mobilfunk – grundlegend verschiedene Ansätze
Ein zentraler Teil von Fettweis’ Argumentation ist der Unterschied zwischen WLAN und Mobilfunk:
WLAN nutzt das Prinzip „listen before talk“: Ein Gerät prüft, ob ein Kanal frei ist, bevor es sendet. Das führt jedoch zu unvorhersehbaren Wartezeiten, höherer Latenz und potenziell instabilen Verbindungen, vor allem bei vielen Geräten gleichzeitig.
Mobilfunk arbeitet dagegen mit Paketreservierungen: Frequenzen werden gezielt zugewiesen, was eine effizientere Nutzung ermöglicht. Außerdem bietet Mobilfunk höhere Sicherheitsstandards, etwa durch SIM- bzw. eSIM-Authentifizierung oder die Netzidentifikation in 5G-Standalone-Netzen.
Für Anwendungen, die auf garantierte Datenraten und Ausfallsicherheit angewiesen sind, sei Mobilfunk deshalb die überlegene Lösung.
Energieverbrauch und Netzausbau
Eine Alternative zur Erweiterung des Frequenzspektrums wäre, die vorhandenen Frequenzen noch effizienter zu nutzen. Doch dieser Weg ist laut Fettweis ökologisch problematisch: Je stärker man die Effizienz der Frequenzauslastung steigern will, desto mehr Energie verbraucht die Signalverarbeitung.
Auch ein dichterer Netzausbau könnte Engpässe abmildern, ist aber teuer, technisch nicht überall möglich und ebenfalls mit höherem Energieaufwand verbunden. Die Bereitstellung zusätzlicher Frequenzen sei daher der nachhaltigere Weg, um wachsende Datenmengen zu bewältigen.
Bedeutung des oberen 6-GHz-Bands
Im Bereich zwischen 2 und 10 GHz – dem sogenannten Mid-Band – gibt es nur noch wenige freie Ressourcen. Das obere 6-GHz-Band gilt hier als besonders wertvoll, da es mehrere Vorteile vereint:
Reichweite und Gebäudedurchdringung sind deutlich besser als bei hochfrequenten Millimeterwellen (z. B. 24 oder 60 GHz).
Es steht ausreichend Bandbreite zur Verfügung, um große Datenmengen effizient zu übertragen.
Im Gegensatz zu den bereits stark belegten Bändern bei 2,4, 5 und unteren 6 GHz ist das obere 6-GHz-Band noch vergleichsweise frei und damit ein realistischer Kandidat für den Mobilfunk.
Aus Sicht von Fettweis ist dieses Band damit unverzichtbar, um die Leistungsfähigkeit künftiger Mobilfunknetze zu gewährleisten.
Schlussfolgerung
Die Vergabe des oberen 6-GHz-Bands ist eine strategische Weichenstellung für die Zukunft der digitalen Infrastruktur. Fettweis warnt davor, das Band ausschließlich dem WLAN zu überlassen. Nur wenn Mobilfunk Zugriff erhält, könne Europa stabile, leistungsfähige und sichere Netze bereitstellen, die den Anforderungen von 6G, KI-Anwendungen, Robotik und Industrie 4.0 gewachsen sind.
Gerhard Fettweis ist seit 1994 Lehrstuhlinhaber des Vodafone Stiftungslehrstuhls Mobile Nachrichtensysteme am Institut für Nachrichtentechnik an der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik der Technischen Universität Dresden. Seit 2018 ist er außerdem wissenschaftlicher Gründungsleiter und Geschäftsführer des Barkhausen-Instituts.
Quelle: Tagesspiegel Background
gesamter Thread:
- Oberes 6-GHz-Band: Machtwort aus Brüssel? -
Gast,
23.05.2025, 14:33
- Oberes 6-GHz-Band: Machtwort aus Brüssel? - H. Lamarr, 24.05.2025, 21:57
- Oberes 6-GHz-Band: Quadratur des Kreises drinnen & draußen -
H. Lamarr,
19.06.2025, 19:27
- Oberes 6-GHz-Band: Kurzfassung des ECC-Berichts 366 (Entwurf) - H. Lamarr, 19.06.2025, 20:43
- RSPG legt Entwurf für Nutzung des oberen 6-GHz-Bands vor - KI, 27.06.2025, 23:02
- Oberes 6-GHz-Band: GSMA wirbt für Vollvergabe an Mobilfunk - H. Lamarr, 30.06.2025, 23:33
- Oberes 6-GHz-Band: Lobbyschlacht um Frequenzbereich - H. Lamarr, 10.07.2025, 12:41
- Warum das obere 6-GHz-Band für den Mobilfunk entscheidend ist - KI, 24.09.2025, 20:26