Tier-Review: Dokumentierte Abweichungen vom Studienprotokoll (Forschung)
Krebs (Tierstudien): Zehn Langzeitbioassays und zahlreiche weitere Studien. Hier wich das Team vom Protokoll ab: Statt die geplante Synthese über relatives Risiko zu nutzen, wurde ein Effekt angenommen, wenn zwei Einzelstudien signifikante Resultate zeigten – selbst wenn andere Studien Nullbefunde hatten. Auf dieser Grundlage wurde "hoch- bis moderat-sichere" Evidenz für Effekte bei fünf Krebsarten berichtet (siehe auch: Mevissen-Review für WHO: kritische Bewertung durch das BfS). Diese Abweichung führte zu intensiven Diskussionen mit Herausgebern und Gutachtern; ob die Methode valide ist und ob alternative Ansätze zu denselben Schlüssen führen, ist gegenwärtig offen.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Die Autoren der Tier-Review wurden nicht etwa bei heimlichen Abweichungen vom Studienprotokoll erwischt, sie haben die Abweichungen vielmehr selber in ihrer Review transparent dokumentiert. Insgesamt räumen sie auf diese Weise fünf Abweichungen vom Protokoll ein (recherchiert hat diese ChatGPT):
Dokumentierte Abweichungen vom Protokoll (laut Supplementary Data 1)
Expositionskriterien
Im Protokoll war vorgesehen, nur Studien mit klarer Dosis-/Expositionsangabe einzuschließen.
Geändert wurde dies dahingehend, dass auch Studien ohne genaue numerische Angaben berücksichtigt wurden, sofern die Exposition qualitativ plausibel war.
Bewertung des Bias-Risikos
Ursprünglich sollte ausschließlich das Ohat-Tool (Office of Health Assessment and Translation) angewendet werden.
Später wurden zusätzliche, speziell angepasste Kriterien für die Bewertung eingeführt, um methodische Schwächen der Tierstudien genauer erfassen zu können.
Endpunkte
Einige Krebsarten bzw. Tumorarten, die im Protokoll nicht explizit erwähnt waren, wurden nachträglich in die Analyse aufgenommen, wenn sie in den Primärstudien vorkamen.
Die Definition von Primär- und Sekundärendpunkten wurde teilweise neu justiert.
Synthesemethodik
Statt ausschließlich die im Protokoll vorgesehene quantitative Risikoschätzung (z. B. relatives Risiko) anzuwenden, wurde zusätzlich eine "signifikanzbasierte" Vorgehensweise gewählt: Wenn mindestens zwei unabhängige Studien ein signifikantes Ergebnis zeigten, wurde dies als Hinweis auf einen Effekt gewertet – auch wenn andere Studien Nullbefunde lieferten.
Berichterstattung und Transparenz
Ergänzend zu den geplanten Tabellen wurden neue Darstellungsformen (z. B. narrative Synthesen, zusätzliche Abbildungen) eingeführt, die im ursprünglichen Protokoll nicht vorgesehen waren.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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- WHO-Projekt "systematische Reviews": Schlussbericht von Verbeek -
H. Lamarr,
23.09.2025, 13:56
- Tier-Review: Dokumentierte Abweichungen vom Studienprotokoll - H. Lamarr, 23.09.2025, 18:26