AZK 2025: 30 Jahre Lobbyismus gegen kritische Mobilfunkforschung (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.10.2025, 15:01 (vor 7 Stunden, 15 Minuten)

Mit dem Streifen "Der Handykrieg" ging Filmemacher Klaus Scheidsteger 2006 erstmals auf Tuchfühlung mit der Anti-Mobilfunk-Szene. Ab 2016 folgen weitere Märchenfilme über angeblich vertuschte Gesundheitsrisiken des Mobilfunks. Im Dezember 2020 wurde der heute 71-Jährige in den Vorstand der sogenannten Kompetenzinitiative gewählt, aus dem er im März 2025 wieder ausschied. Die Talsohle seiner Laufbahn erreichte Scheidsteger im Juli 2025 mit seinem Auftritt "30 Jahre Lobbyismus gegen kritische Mobilfunkforschung" bei Ivos Saseks Anti-Zensur-Koalition (AZK).

Die AZK ist ein Veranstaltungsformat von Sasek, mit dem er vor früher bombastischer Kulisse selbsternannten Experten aus dem Kreis internationaler Verschwörungsunternehmer eine Bühne bietet. Im Juli 2025 fand die 21. AZK statt.

Gesetzlich geschütztes Schwerstverbrechen

Sasek hält Reden am Beginn und Ende einer solchen mehrstündigen Veranstaltung und er ist für die Anmoderation seiner "Experten" zuständig. So kommt es, dass Sasek, stets ein Freund markiger Worte, Scheidsteger wie eine Verheißung ankündigt:

Scheidsteger Vortrag auf der AZK 2025: Der Ton ist deutsch, da das Video in Slowenien verbreitet wird, sind Texte jedoch in der Landessprache


Und jetzt sage ich, weiter geht's mit gesetzlich geschützten Schwerstverbrechen. Und jetzt reden wir eine Runde wieder einmal über die Mobilfunklobby. Einmal mehr richtet ein hochkarätiger Referent aus Deutschland unsere ganze Aufmerksamkeit auf jene tödliche Technik, die ohne Rücksicht auf Verluste an jedem Verbraucherschutz vorbeigedrückt wurde. Und als direkt Betroffener diese Tragödie [Sasek glaubt, "elektrosensibel" zu sein; Anm. Postingautor] bin ich selber persönlich während der ersten AZK von meinem Unwissen befreit worden ["befreit" wurde er von Uli Weiner; Anm. Postingautor]. Und nach hunderten schlaflosen Nächten infolge dieser tödlichen Technologie bin ich von meinen Qualen damals erlöst worden. Ich sage, bitte tragt das Wissen unseres nächsten Referenten bis an die Enden der Erde, denn früher oder später, bin ich überzeugt, wird es jeden Menschen hier unten empfindlich treffen, und zwar auf verschiedensten Ebenen. Und wir sagen wie immer, nur gemeinsam können wir den hochkriminellen und verderblichen Einfluss der Mobilfunklobby, die sie hat auf Politik, Gesetzgebung und Medien, beenden. [...]

Tja, was soll man zu so einer Einführung nur sagen ...?

Scheidsteger gibt sich mit seinem rd. 50 Minuten dauernden Auftritt als der weitgereiste Journalist, der gütigerweise seine dusseligen Zuhörer über "30 Jahre Lobbyismus gegen kritische Mobilfunkforschung" aufklärt. Wer von dem Thema keine Ahnung hat, muss gezwungenermaßen alles glauben, was Scheidsteger ihm auftischt. Nur die Bühne AZK könnte selbst dem Einfältigsten ein Hinweis sein, dass mit dem Referenten und seiner Darbietung etwas nicht stimmt.

Aufgewärmtes auf dem Teller

Wer Ahnung vom Thema hat, kann sich die 50 Minuten schenken, denn Scheidsteger macht auch diesmal das, was er am besten kann: Szenen aus altem Filmmaterial neu zusammenmischen und passend zum Anlass kommentieren. Neuheitenwert haben bestenfalls einige seiner Kommentare. So behauptet er u.a. fröhlich, Repacholi habe den Job von George Carlo haben wollen. Welchen Job sagt er nicht, mutmaßlich meint er den Chefposten für das 25 Mio. Dollar schwere Wirless-Technology-Research-Programm, mit dem der US-Branchenverband "Cellular Telephone & Internet Association" (CTIA) 1993 auf die dramatischen Umstände des Todes von Suzy Reynard reagierte. Doch Scheidsteger behauptet viel, wenn der Tag lang ist. Belege für seine Behauptung bringt er nicht bei und Faktenchecks konnten wilde Behauptungen des Filmemachers in aller Regel nicht bestätigen.

Sasek-Weiner-Connection

Ivos Sasek ist ein christlicher Laienprediger, dessen Sekte Organische Christus-Generation (OCG) im deutschsprachigen Raum schätzungsweise 3000 Anhänger hat. Seitdem Sasek anlässlich einer frühen AZK-Versammlung den "Parade-Elektrosensiblen" Uli Weiner und Dr. med. Hans-C. Scheiner eingeladen hatte, hält er sich für "elektrosensibel" und stichelt deshalb gerne gegen Mobilfunk und die Mobilfunkindustrie. Wie oben zu lesen ist, tastet er sich dabei dicht an die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit heran.

2009 lockte der "Parade-Elektrosensible" Uli Weiner unter dem Vorwand, einen Protestmarsch gegen Mobilfunk zu veranstalten, Mobilfunkgegner und Sympathisanten nach Stuttgart. Tatsächlich ging es um etwas ganz anderes. Der Aufmarsch wurde von professionellen Kameraleuten gefilmt, um gratis Massenszenen für den von Sasek produzierten Anti-Mobilfunk-Spielfilm "Karma - ich komme wieder" in den Kasten zu bekommen. Da organisierte Mobilfunkgegner alleine nur bescheidenen Zulauf haben, half Sasek 2009 nach und flutete die Veranstaltung mit seinen angereisten Anhängern, die sich als Mobilfunkgegner ausgaben.

Hintergrund
Klaus Scheidsteger im IZgMF-Forum
Scheidsteger-Faktenchecks

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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AZK, Scheidsteger

AZK: Vom pompösen Show-Event zum "Webcamstadion"

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.10.2025, 18:28 (vor 3 Stunden, 48 Minuten) @ H. Lamarr

Die Anti-Zensur-Koalition (AZK) von Ivo Sasek (Schweiz) war einst ein pompös inszeniertes Spektakel. Bis zur 17. AZK am 23. November 2019 füllte Sasek mit seiner Truppe große Hallen – rund 3000 Besucher wurden damals gezählt. Das Setting: Großleinwände, Tribünen, ein Festaktcharakter, den Sasek bewusst suchte. Das alles ist vorbei.

Scheidsteger steht nicht vor tausenden Zuschauern, sondern allein im Studio
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Nach 2019 änderte sich das Format grundlegend. Ab der 18. AZK fand die Veranstaltung nicht mehr mit anwesendem Publikum statt, sondern als digitale Veranstaltungen. Statt Menschen im Saal gab es "live zugeschaltetes Publikum aus aller Welt", das im Studio auf Bildkacheln eingeblendet wurde. Sasek erfand dafür den Begriff "Webcamstadion".

Darunter versteht er eine virtuelle Großkulisse: Zuschauer schalten ihre Webcam ein, ihre Bilder erscheinen mosaikartig auf einer Projektionswand im Studio (Screenshot unten), und die Redner tun so, als stünden sie in einem Stadion voller Menschen. Applaus und Reaktionen werden über die Technik eingeblendet – ein Versuch, die frühere Live-Atmosphäre digital nachzuahmen.

Vorteil des Webcamstadion gegenüber der Halle: Gespeicherte Webcamstreams lassen sich mühelos unter echte Livestreams mischen und so dem Betrachter beliebig großes Publikum vorgaukeln.

Von Webcams gespeiste Bildkacheln zeigen die Zuschauer von AZK-Veranstaltungen
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Spätestens seit der 20. AZK im Juli 2024, die ausdrücklich "im digitalen Raum" stattfand, ist klar: Die Ära der pompösen Saal-Veranstaltungen mit tausenden Besuchern gehört bei Sasek der Vergangenheit an. Mutmaßliche Beweggründe für den Umzug vom großen Saal ins kleine Schweizer Studio: Finanzielle Erwägungen, Versammlungsbeschränkungen während der Corona-Pandemie.

Zum Vergleich, wie die Atmosphäre früher war, als AZK-Konferenzen noch in großen Hallen stattfanden, hier ein Beispiel von der vorletzten Hallen-AZK im Jahr 2018. Dem Vernehmen nach fand die Veranstaltung in der Markthalle der schweizerischen Kleinstadt Sargans statt.

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AZK 2025: Sasek ist anscheinend Flacherdler

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.10.2025, 18:53 (vor 3 Stunden, 23 Minuten) @ H. Lamarr

Ich sage, bitte tragt das Wissen unseres nächsten Referenten bis an die Enden der Erde [...]

Auch das noch: Da eine Kugel keinen Anfang und kein Ende hat, eine Scheibe aber schon, gibt Sasek hier indirekt zu verstehen, dass er an die flache Erde glaubt :lookaround:.

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AZK & Kompetenzinitiative: von Anfang an keine Brandmauer

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.10.2025, 21:24 (vor 53 Minuten) @ H. Lamarr

Für einen so kleinen Verein wie die sogenannte Kompetenzinitiative, die sich nach der Gründung 2007 selbst das Akronym "Kismud" zulegte (Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie), ist die Anzahl der Berührungspunkte mit Ivo Saseks AZK erstaunlich hoch. Das überrascht, weil von einem Verein, der sich den Namen "Kompetenzinitiative" gab, eigentlich zu erwarten ist, dass jeder, der mit dem Verein mittelbar oder unmittelbar zu tun hat, einen großen Bogen um das äußerst dubiose Veranstaltungsformat AZK macht. Die Kluft zwischen Kismud und AZK sollte so tief sein, dass null Berührungspunkte als Selbstverständlichkeit gelten sollten. Doch weit gefehlt:

2008: Mit Dr. med. Hans-C. Scheiner tritt ein amtierendes Kismud-Vorstandsmitglied auf der AZK auf.
2009: Mit Dr. med. M. Kern und Prof. Karl Richter sagen zwei amtierende Kismud-Vorstandsmitglieder Sasek ihren Auftritt erst zu, unmittelbar vor der AZK-Konferenz dann aber wieder ab. Angeblich weil unter den Referenten ein Scientologe war.
2018: Anke Kern, Ehefrau von Markus Kern, tritt als Referentin auf.
2025: Klaus Scheidsteger, bis vor wenigen Monaten noch Kismud-Vorstandsmitglied, tritt als Referent auf.

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