Mobilfunk aus dem All: Technisch lange undenkbar, jetzt Realität (Technik)
Die Idee, mit einem gewöhnlichen Smartphone direkt über Satelliten zu kommunizieren – ohne spezielle Antenne oder Zusatzgerät – klang lange wie Science-Fiction. Doch inzwischen sind erste Dienste verfügbar, und internationale Projekte wie AST SpaceMobile, Lynk Global oder das EU-Programm IRIS² arbeiten an weltweiten Netzen. Möglich machen das Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen (LEO) in Kombination mit Standard-Erweiterungen des Mobilfunks (3GPP Release 17 für "Non-Terrestrial Networks").
Warum klassische Satellitenkommunikation mit Smartphones nicht funktioniert
Satelliten in geostationären Umlaufbahnen (GEO) fliegen rund 36'000 km über der Erdoberfläche. Die Dämpfung und Laufzeitverzögerung sind so hoch, dass ein gewöhnliches Smartphone mit maximal 23 dBm Sendeleistung keine Verbindung zu solchen Satelliten aufbauen kann.
Die Lösung: LEO-Satelliten
LEO-Satelliten (Low Earth Orbit) fliegen in nur 500 km bis 2000 km Höhe. Das verringert die Dämpfung deutlich und durch riesige Antennenarrays (z. B. BlueWalker 3 mit 64 m² Fläche) können solche Satelliten auch sehr schwache Signale empfangen und auswerten. Durch Beamforming wird das Nutzsignal gezielt verstärkt. Erste Tests mit Standard-Smartphones, etwa durch AST SpaceMobile oder Lynk Global, verliefen erfolgreich – inklusive Sprachanrufen und Datenübertragung.
3GPP-Standardisierung: Mobilfunk für den Orbit
Die Mobilfunkstandards LTE und 5G wurden für Satellitennutzung erweitert:
• Timing Advance gleicht Signallaufzeiten aus
• Dopplerkorrektur kompensiert Frequenzverschiebungen (±30 kHz bis ±40 kHz bei 2 GHz)
• Protokolle wie RRC, HARQ und Zellwahl wurden angepasst
Ein NTN-Satellit verhält sich dadurch ähnlich wie eine terrestrische Funkzelle – nur eben in Bewegung, mit speziellen Gateways ins 5G-Core-Netz.
Anwendungen heute und morgen
Apple bietet mit dem iPhone 14 und neuer schon Notrufnachrichten via Satellit (Globalstar) an. Lynk Global sendet weltweit SMS direkt an Smartphones. AST SpaceMobile demonstrierte bereits 5G-Verbindungen mit 14 Mbps.
Die EU plant mit IRIS² ein eigenes Satellitensystem (290 Satelliten, Betriebsbeginn ca. 2030), um Europa digital souveräner zu machen – auch mit direkter Smartphoneanbindung.
Fazit
Was lange als unmöglich galt, wird Realität: Der Mobilfunk bekommt eine Backup-Infrastruktur aus dem Orbit – besonders wertvoll in Katastrophenfällen, in abgelegenen Regionen oder bei Ausfall terrestrischer Netze.
Quellen (Auswahl)
3GPP TS 38.821 V17.2.0 – https://www.3gpp.org
AST SpaceMobile – https://ast-science.com
Lynk Global – https://lynk.world
Apple Notruf-SOS – https://support.apple.com
ETSI TR 103 611 (2022)
FCC Filing zu Starlink Gen2 – https://www.fcc.gov
EU-Kommission IRIS² (via DEFIS 2024) – aktuell überarbeitet: https://defence-industry-space.ec.europa.eu