Falsche Schlüsse (293): Sonnenkönig (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 17.04.2025, 18:25 (vor 4 Tagen) @ H. Lamarr

Auf Ludwig XIV, den "Sonnenkönig", soll die Redewendung vom "leben wie Gott in Frankreich" zurückzuführen sein. Dabei war der Monarch 79 Jahre lang dem Martyrium durch seine Leibärzte ausgesetzt. Nehmen wir den Dr. Daquin. In seinen Händen befindet sich der Sonnenkönig während seiner blühendsten Mannesjahre. Im Kopf des Dr. Daquin sitzt das Dogma, im ganzen menschlichen Körper gebe es keinen gefährlicheren Infektionsherd als die Zähne. Und es schließt der Dr. Dacun aus diesem Dogma, Zähne könnte man allenfalls im Munde eines gewöhnlichen Untertanen belassen, dass sie aber bei seiner Majestät dem König allesamt gezogen werden müssten, solange sie noch gesund seien. Dagegen sträubt sich Ludwig XIV. Jetzt aber wendet der Dr. Daquin jenen psychologischen Trick an, mit dem er jede seiner Ideen bei Ludwig durchzusetzen weiß. Er sagt, es sei für seine königliche Glorie nötig, ihm die Zähne allesamt zu ziehen. Am folgenden Tag notiert der Leibarzt in seinem Tagebuch: „Seine Majestät der König hat mir geantwortet, er sei für seine Glorie zu allem bereit, sogar zum Sterben.“

Ludwig XIV. ist nicht gerade gestorben beim großen Zähneziehen in Versailles, aber der Dr. Daquin geht immerhin so geschickt vor, dass er dem König zusammen mit den unteren Zähnen auch gleich den Kiefer zerbricht und ihm, zusammen mit den oberen Zähnen, einen großen Teil des Gaumens herausreißt, alles den Lehren der Sorbonne entsprechend: ohne Narkose. Der königliche Unterkiefer wächst nach einer Weile wieder zusammen, aber der herausgerissene Gaumen ist natürlich nicht wieder zu ersetzen. Den Dr. Daquin schert das nicht. Einen Monat später notiert er in seinem Tagebuch: „Zum Zweck der Desinfektion habe ich seiner Majestät das Loch im Gaumen 14 mal mit einem glühenden Eisenstab ausgebrannt.“

Das weitere Martyrium des vermeintlichen Sonnenkönigs wird auf Deutschlandfunk erzählt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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