E-Smog Detox Summit 2025: Digitale Kaffeefahrt mit Klaus & Klaus (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 01.05.2025, 19:53 (vor 1 Tag, 4 Stunden, 55 Min.)

Kaffeefahrten sind in der Regel Tagesausflüge, die als Lockmittel dienen, um Menschen zu einem Verkaufsgespräch zu bringen. Die Teilnehmer werden häufig zu Kauf von minderwertigen oder überteuerten Produkten gedrängt. Dieses Geschäftsmodell gibt es in angepasster Form auch online und Klaus Buchner sowie Klaus Scheidsteger sind mit dabei, nicht als Opfer, sondern als "Beihelfer".

Die digitale Kaffeefahrt findet unter dem Titel "E-Smog Detox Summit 2025" vom 29. April bis zum 4. Mai 2025 statt. Veranstalterin ist Julie Boenig (gesprochen Bönig), die akzentfrei Deutsch spricht, als Wohnsitz jedoch eine Stadt in Florida, USA, nennt. Da der "Kongress" nur im Cyberraum stattfindet – anstelle von Vorträgen gibt es Interviews mit 20 "Experten" – ist die Teilnahme scheinbar kostenlos. Tatsächlich kostet sie mindestens die Preisgabe einer E-Mail-Adresse, richtig abkassiert wird später.

Von Kopf bis Fuß aufs Alarmieren eingestellt

Mit der Anmeldung erklären sich Teilnehmer einverstanden, per Newsletter Tipps zum Thema Elektrosmog und ganzheitliche Entgiftung zu erhalten. Bis 4. Mai werden jeden Abend ab 18 Uhr neue Interviews freigeschaltet und Teilnehmer bekommen so per E-Mail Zugang zu bis zu drei Interviews pro Tag, die 24 Stunden lang abrufbar sind. Die folgende Liste der "Experten" zeigt bekannte und unbekannte Namen aus der Anti-Mobilfunk-Szene, die lupenrein einseitig auf Alarm ausgerichtete Interviews erwarten lassen und je nach Referent auch eine kräftige Portion Hokuspokus oder kommerzielle Eigenwerbung.

► Klaus Buchner: Faktencheck - Elektrosmog und die Folgen für Kinder
► Uli Weiner: Die Smartphone-Falle - Wann unsere Kinder sicher sind (und wann nicht)
► Matthias Cebula: Elektrosmog und die Bedeutung der Entgiftung: Der Schlüssel zur Gesundheit unserer Kinder
► Frank-Robert Belewsky: Ultraschall - die unsichtbare Gefahr fürs Baby
► Michaela Glöckler: ADHS und E-Smog: Ein unterschätzter Zusammenhang?
► Theresia Maria Stöckl-Drax: Hochsensible und elektrohypersensible Kinder perfekt begleiten: Tipps für Eltern
► Iris Süssenberger: WLAN in Schulen - So kannst du deine Kinder schützen
► Michael Mumm: Versteckte Dauerstrahler im Kinderzimmer
► Gertraud Teuchert-Noodt: Die digitale Falle - Wie Smartphones und Tablets die kognitive Entwicklung ausbremsen
► Ralph Skuban: Was die Nutzung von Smartphone und Tablet mit Asthma bei Kindern zu tun hat
► Anna und Christian Bauer: Wie sich die Gitterchip-Technologie auf das Wohlbefinden von Kindern auswirkt
► Peter Andres und Horst Baldauf: Harmonisierung von Elektrosmog - (wie) kann das funktionieren?
► Christof Plothe: Das Geheimnis von erholsamen Kinderschlaf: Was Elektrosmog damit zu tun hat
► Sebastian Krüger: Geopathische Störzonen - Die unterschätzte Gefahr unter dem Kinderbett
► Erika West: Der unsichtbare Schutz - Wie eine gesunde Darmflora Kinder stark macht
► Marisa Mach: Die Bedeutung von Omega 3 für das kindliche Gehirn im Strahlen-Dschungel
► Klaus Scheidsteger: Das Digitale Dilemma und wie wir wieder rauskommen
► Raik Garve: Vom Schöpfer zum Sklaven - Wie das System unsere Kinder zerstört - ein Weckruf an die Eltern
► Julia Joanna Kwasniewska: Digitale Medien verbieten oder dosieren?

Partnerprogramm der Veranstalterin

Da gehörte Worte schneller verhallen als Spuren im Sand verwehen, stellt sich für viele Teilnehmer der digitalen Kaffeefahrt die Frage: Ich möchte mich auch später noch an den Interviews laben, doch dann habe ich keinen Zugriff mehr darauf. Was soll ich tun? Für diesen Notfall hat die Veranstalterin vorgesorgt. Sie bietet dafür ein Partnerprogramm an. So ein Partner, z.B. ein Baubiologe wie Michael Mumm, muss sich dazu lediglich bei der Firma Digistore anmelden. Die ID, die der Partner dort bekommt, teilt er Boenig mit und bekommt von ihr inklusive Werbematerial alles geliefert, was für den Verkauf eines "Kongresspakets" erforderlich ist. Im Fall von Michael Mumm ist das Resultat z.B. diese Webseite, welche die Besucher mit einem wiederkehrenden Link mehrfach dazu animiert, sich die "kostenlosen" Interviews anzuschauen.

Klickt nun ein Besucher auf einen der einladenden Links, wird automatisch ein Wiedererkennungscookie im Browser des Besuchers gespeichert. Kauft der Besucher später (bis zu sechs Monate nach Kongressende) das "Kongresspaket", erkennt das Abrechnungssystem von Digistore anhand des Cookies, von welchem Partner der Käufer geworben wurde und schreibt diesem eine Provision gut. Sind mehrere Partner erfolgreich, geht Provision an den, der das Cookie zuletzt gesetzt hat. Deshalb empfiehlt Boenig nicht nur einmal für ihren Kongress zu werben, sondern mehrfach. Dieses Prozedere beruht auf der Erfahrung, dass Kaufinteresse meist erst nach dem Ansehen mehrerer Interviews entsteht.

Wir machen Halbe-Halbe

Während des Kongresses kostet das "Kongresspaket" mit allen Interviews 69 Euro inkl. MwSt. Davon gehen rd. 11 Euro MwSt. an den Staat und 6,45 Euro an Digistore. Den Rest teilen sich Julie Boenig und der Verkaufspartner (z.B. Mumm) zu gleichen Teilen von etwa 25,75 Euro. Nach Kongressende scheint der Preis sprunghaft in die Höhe zu schnellen. So kostet das "Kongresspaket" der vorangegangenen Veranstaltung (27.08.2024 bis 05.09.2024) gegenwärtig stolze 197 Euro. Klaus Scheidsteger war 2024 schon mit von der Partie, Klaus Buchner noch nicht.

Veranstalterin kann "Elektrosensible" heilen

Die Veranstalterin Julie Boenig sieht sich als Fachberaterin für holistische Gesundheit, die präventiv und therapiebegleitend nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet. Haftung für irgendwelche Schäden, die direkt oder indirekt infolge ihrer Beratung entstehen, schließt Boenig jedoch kategorisch aus.

Ihren Angaben zufolge wurde Boenig 2019 selbst "elektrosensibel", sie hat ihr eigenes Smartphone nicht mehr vertragen. Doch wie Baron Münchhausen gelang es ihr, sich selbst aus der prekären Lage zu befreien, sie heilte sich selbst von der "Elektrosensibilität". Wie das genau funktionierte, verrät die Fachberaterin auf Ihrer Website nicht. Für 349 Euro inkl. MwSt ist sie aber bereit, einen "elektrosensiblen" Kunden im Verlauf von zwei bis vier Monaten mit drei Coachings (Zoom) von je 1 Stunde zu unterweisen.

Mit gutem Gewissen auf Großwildjagd

Finanziell günstiger sollte es auf Boenigs Empfehlungsseite für E-Smog-Schutzartikel zugehen. Dachte ich jedenfalls. Alle dort angebotenen Produkte will die Fachberaterin entweder selbst getestet haben oder testen hat lassen. Deshalb könne sie die Produkte guten Gewissens empfehlen. Doch gleich das erste von vielen Produkten auf dieser Seite, der schnöde Armreif QiBracelet, kostet inkl. Steuern atemberaubende 1578 Euro. Dieses objektiv wertlose Stück Metallschrott der pseudowissenschaftlichen Esoterik soll mit einer geheimnisumwitterten Gitterchip-Technologie (siehe oben Anna und Christian Bauer) auf molekulare Strukturen einwirken und dem Träger zu einer "gesteigerten Anbindung zum Quantenfeld" verhelfen. Schön und gut, wäre mir aber maximal 50 Cent wert.

Fazit

Für das Fazit haben ChatGPT und ich kooperiert. Der Kongress mischt einige wissenschaftlich anmutende Inhalte mit vielen Inhalten aus dem Bereich der Pseudowissenschaft und Esoterik. Themen wie "WLAN-Harmonisierung", "energetische Schutzmaßnahmen" oder Aussagen über elektromagnetische Felder als Ursache für nahezu jedes Kindergesundheitsproblem sind deutliche Warnsignale.

Solche Veranstaltungen zielen auf eine Zielgruppe ab, die stark gesundheitsbesorgt ist, insbesondere in Bezug auf Kinder, Skepsis gegenüber Wissenschaft und Technik zeigt, offen für esoterische oder alternativmedizinische Konzepte ist, und sich in einem Umfeld bewegt, das auf natürliche, "ganzheitliche" Lebensweise Wert legt.

Soweit sich das aus der Distanz beurteilen lässt, hat der "Kongress" die Schwachpunkte:
► Fehlender wissenschaftlicher Konsens bei vielen der präsentierten Inhalte.
► Berufung auf "Experten", die außerhalb akademischer oder klinischer Standards operieren.
► Suggestion von Gefahren, die nicht durch solide Studien belegt sind.

Das Kongressformat wirkt auf den ersten Blick wie eine Aufklärungsveranstaltung, richtet sich aber klar an eine Szene, die empfänglich ist für technikskeptische, esoterische und alternativmedizinische Narrative. Die Gefahr besteht darin, dass Sorgen von Eltern ausgenutzt werden, um mit fragwürdigen Methoden oder Produkten Geld zu verdienen.

Anschließend einige Erklärungen, warum sich auch akademisch eher seriöse Referenten in solche Kongresse einreihen:

1. Unkenntnis des Gesamtprogramms
Viele Referenten werden einzeln angefragt und bekommen nur eine grobe Beschreibung des Themas ("Elektrosmog und Kindergesundheit"). Sie wissen manchmal nicht, mit wem sie sich die Bühne teilen – oder prüfen das nicht genau.

2. Echtes Anliegen, aber anderer Kontext
Einige Wissenschaftler beschäftigen sich tatsächlich seriös mit biologischen Wirkungen von elektromagnetischer Strahlung. Ihr Anliegen, die Risiken zu beleuchten, führt sie in Formate, die zwar ihr Thema aufgreifen, aber es mit unwissenschaftlichen Inhalten vermischen. Sie glauben, aufklären zu können – merken aber zu spät, dass sie in einem Kontext landen, der ihre Aussagen verzerrt oder vereinnahmt.

3. Ideologische Überschneidungen
Manche Experten sind fachlich durchaus qualifiziert, vertreten aber in bestimmten Bereichen nicht mehr die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung – z. B. bei Vorsorgeprinzipien, Strahlenempfindlichkeit oder Technikskepsis. Diese Grenzpositionen machen sie anschlussfähig für alternativmedizinische Kongresse. Diese Personen fühlen sich in "kritischen" Kreisen wohler als in akademischen Diskursen, wo ihre Haltung oft isoliert ist.

4. Bewusste Strategie der Veranstalter
Veranstalter laden gezielt einzelne glaubwürdige Namen ein, um dem Format Seriosität zu verleihen. Das erzeugt den Eindruck von wissenschaftlicher Vielfalt oder Offenheit – auch wenn der Rest des Programms klar in eine pseudowissenschaftliche Richtung geht. Man könnte sagen: Die "anständigen" Referenten werden als Feigenblatt benutzt.

5. Karriere- oder Business-Motive
Einige Ärzte oder Coaches bewegen sich zwischen Wissenschaft und alternativem Gesundheitsmarkt. Solche Kongresse bieten ihnen Reichweite, potenzielle Klienten – und ein Publikum, das bereit ist, für Beratungen, Kurse oder Produkte zu zahlen.

Wer wiederholt in solchen Formaten auftritt, trägt zur Verwischung der Grenze zwischen Wissenschaft und Esoterik bei.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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