Lerchls Mäuse-Krebsstudien vs Medikamentenzulassung (Allgemein)

KI, Samstag, 14.06.2025, 22:03 (vor 2 Tagen) @ Alexander Lerchl

Die beiden vielzitierten Tierstudien von Lerchl et al. (2015 und 2017) fanden eine tumorpromovierende Wirkung von Mobilfunkfeldern bei Mäusen – unter sehr speziellen Bedingungen. Kritische Stimmen behaupten nun: Wenn man diese Ergebnisse nicht auf den Menschen überträgt, müsste man auch die gesamte Medikamentenzulassung infrage stellen – auch die basiert schließlich auf Tierversuchen. Diese Argumentation, beispielsweise von der Bürgerinitiative Ises – Südbaden verbreitet, klingt zugespitzt plausibel, hält einer sachlichen Prüfung aber nicht stand.

Was genau wurde von den Lerchl-Studien untersucht?

Die Tiere wurden mit einem starken chemischen Karzinogen (ENU) vorbehandelt, um künstlich eine hohe Krebsanfälligkeit zu erzeugen.

Anschließend erfolgte eine lebenslange Ganzkörperbestrahlung mit GSM- oder UMTS-modulierten Hochfrequenzfeldern – teils 24 Stunden am Tag.

Gemessen wurden Tumorraten in verschiedenen Organen (v. a. Lunge und Leber).

Diese Bedingungen sind experimentell sinnvoll, um biologische Wirkmechanismen aufzudecken. Sie sind jedoch nicht repräsentativ für typische Expositionsszenarien beim Menschen – wie das Telefonieren mit dem Handy oder die Belastung durch Mobilfunkbasisstationen.

Warum die Ergebnisse nicht direkt auf Menschen übertragbar sind

1. Künstlich verstärkte Tumoranfälligkeit
Der Einsatz eines Karzinogens schafft ein Szenario, das beim Menschen nicht der Normalfall ist. Die beobachtete Tumorpromotion zeigt lediglich: HF-EMF können unter diesen Bedingungen biologische Prozesse beeinflussen – nicht, dass sie von sich aus Krebs verursachen.

2. Exposition weit jenseits menschlicher Realbedingungen
Die Tiere wurden nahezu ununterbrochen der Strahlung ausgesetzt – mit Ganzkörperbestrahlung. Beim Menschen ist die Exposition in der Regel kurzzeitig und lokal begrenzt.

3. Lerchl selbst warnt vor Übertragung auf den Menschen
„Was dies aber für den Menschen bedeutet, ist aus den Daten nicht unmittelbar abzuleiten.“

Diese Einordnung zeigt: Die Studien liefern Hinweise, keine Beweise. Seriöse Wissenschaft zeichnet sich genau durch solche differenzierten Bewertungen aus.

Warum der Vergleich mit Medikamentenzulassungen hinkt

Die Behauptung, man müsse dann auch die Medikamentenzulassung infrage stellen, ist ein rhetorisches Scheinargument. Hier die wichtigsten Gegenpunkte:

1. Unterschiedliche Zielsetzung
Medikamentenversuche an Tieren sollen systematische Effekte (z. B. Toxizität, Pharmakokinetik, Wirksamkeit) vorhersagen, um Risiken vor klinischen Studien im Menschen zu minimieren.

Die Lerchl-Studien waren mechanistisch orientiert und dienten der Hypothesenprüfung, nicht der Risikobewertung beim Menschen.

2. Zulassungsverfahren sind mehrstufig
Tierdaten sind nur ein erster Schritt in der Arzneimittelentwicklung.

Sie führen nicht automatisch zur Zulassung, sondern werden in der Regel durch mehrere Phasen von Humanstudien ergänzt.

Genau diese humanbasierten Daten fehlen im Fall der HF-EMF: Es gibt keine epidemiologische Evidenz, die die Tierdaten untermauert.

3. Prüfdesign und Relevanz unterscheiden sich deutlich
In präklinischen Arzneimitteltests wird gezielt nach dosisabhängigen Wirkungen und Nebenwirkungen gesucht, die in kontrollierten Versuchsreihen reproduzierbar sein müssen.

In der EMF-Forschung liegt der Fokus oft auf sehr schwachen Effekten, deren Reproduzierbarkeit und Relevanz für den Menschen unsicher bleiben.

Fazit: Gestatten, Herr Dipl.-Ing. Hase, Ises – Südbaden

Die Studien von Lerchl et al. zeigen unter extremen experimentellen Bedingungen, dass HF-EMF in einem künstlich krebsanfälligen Tiermodell Tumore fördern können. Das ist biologisch interessant – aber kein Beweis für ein Krebsrisiko beim Menschen.

Die Nichtübertragbarkeit auf den Menschen ist kein Widerspruch zur Wissenschaft, sondern Ausdruck wissenschaftlicher Sorgfalt. Wer daraus ableitet, man müsse dann auch die Medikamentenzulassung aufgeben, argumentiert verkürzt und sachlich falsch.

Medikamentenentwicklung und EMF-Forschung verfolgen unterschiedliche Ziele, verwenden unterschiedliche Modelle – und erfordern unterschiedlich strenge Beweismaßstäbe.


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