Hausärzte & EMF: hohe Risikowahrnehmung, niedriger Wissensstand (Forschung)

H. Lamarr @, München, Freitag, 11.04.2025, 22:37 (vor 22 Stunden, 51 Minuten)

2005 schrieb der Wissenschaftler Norbert Leitgeb nach einer Umfrage zum Risiko Mobilfunk unter österreichischen Hausärzten: "Es ist eher einzigartig, dass es einen derartig weit verbreiteten Widerspruch zwischen den Meinungen von Ärzten und der anerkannten nationalen und internationalen Risikobewertung gibt. Angesichts der Häufigkeit der Begegnung mit dieser Thematik zeigen die Ergebnisse einen dringenden Handlungsbedarf auf." 20 Jahre später wurden deutsche Haus- und Kinderärzte nach ihrer Wahrnehmung des Risikos Mobilfunk gefragt und es darf festgestellt werden: Es hat sich nichts geändert.

Die neue Studie wurde am 3. März 2025 im Journal BMC Primary Care unter dem Titel publiziert "Risks of electromagnetic fields from the perspective of general practitioners and pediatricians" (Volltext).

Obwohl es kaum Belege für gesundheitsschädliche Auswirkungen durch die Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern (EMF) unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte gibt, sind Bedenken hinsichtlich dieser Auswirkungen in der Allgemeinbevölkerung relativ häufig. Für viele Menschen sind Hausärzte und Kinderärzte die erste Anlaufstelle im Gesundheitssystem. Daher ist es wichtig, ihre Wahrnehmung des EMF-Risikos zu verstehen.

Methoden

Wir führten eine Querschnittsstudie mit gemischten Methoden durch, für die wir 3.000 Allgemeinmediziner und 2.000 Kinderärzte aus dem deutschen Bundesarztregister einluden. Davon nahmen 614 (12,3 %) an einer Online-Umfrage und 25 an Fokusgruppen teil. Wir schätzten die Prävalenz der Wahrnehmung eines hohen Risikos, des geringen subjektiven Wissens über EMF und die Relevanz von EMF in ihrer täglichen Arbeit, wobei wir die Nichtbeantwortung durch Mehrebenenregression und Poststratifizierung korrigierten.

Ergebnisse

Etwa ein Viertel der Ärzte gab an, dass sie ein hohes Risiko in Bezug auf Gesundheit und EMF wahrnehmen. Die Relevanz war gering, wobei etwa 40 % der Allgemeinmediziner und etwa 20 % der Kinderärzte angaben, im letzten Jahr EMF-bezogene Konsultationen durchgeführt zu haben. Etwa 60 % der Ärzte verfügten über ein geringes subjektives Wissen. Viele Ärzte gaben an, dass sie die Möglichkeit negativer gesundheitlicher Auswirkungen von EMF aufgrund unzureichender Kenntnisse nicht ausschließen könnten, und äußerten den Bedarf an Informationen, um diese Wissenslücke zu schließen. Wir beobachteten Gruppen von Ärzten mit einer höheren Risikowahrnehmung in Bezug auf EMF, z.B. Ärzte mit alternativmedizinischer Ausbildung, insbesondere Homöopathie. Allerdings war die absolute Zahl der Ärzte mit Homöopathie-Ausbildung in der Studienpopulation gering.

Schlussfolgerungen

Ein erheblicher Teil der Allgemeinmediziner und Kinderärzte mit hoher Risikowahrnehmung sind Ärzte mit geringem subjektivem Wissen über EMF, die EMF unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte nicht vollständig als Ursache für unspezifische, unklare Symptome ausschließen können und daher für die Vorschläge von Patienten, EMF als mögliche Ursache in Betracht zu ziehen, offen sind.

Hintergrund
Studie von Leitgeb et al., 2005 (Volltext)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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