Phonegate-Skandal: Schweizer Bundesrat antwortet Semadeni (Technik)
Am 29.05.2019 antwortete der Bundesrat auf die Fragen von Semadeni:
1. Wann wurde der Bundesrat über die unzulänglichen Grenzwerte orientiert und welche Massnahmen wurden ergriffen, um die Handy-Nutzer korrekt zu informieren?
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) informiert die Bevölkerung seit Jahren mit einem ausführlichen Faktenblatt über den strahlungsarmen Umgang mit Mobiltelefonen. Um vorsorglich unnötige Expositionen am Kopf zu vermeiden, empfiehlt das BAG, Kopfhörer und eine drahtlose Freisprecheinrichtung mit einem schwachen Bluetoothsender zu verwenden.
2. Wie haben sich die Bundesbehörden in die Verhandlungen um den Kompromiss des realitätsfremden Abstandes von 5 mm zwischen Handy und Kopf eingebracht? Wurde dabei das Vorsorgeprinzip berücksichtigt?
Mobiltelefone sollen aufgrund der Empfehlungen der International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) einen SAR-Wert (Spezifische Absorptionsrate) von 2 Watt pro Kilogramm für das Telefonieren mit dem Handy am Ohr nicht überschreiten. Die Grenzwerte verhindern, dass sich der Körper als Folge der Belastung mit hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung so erwärmt, dass gesundheitliche Effekte auftreten können. Die Grenzwerte setzen die gesicherten Erkenntnisse zu diesen Effekten mit einem Sicherheitsfaktor von 50 um. Sie decken damit keine Wirkungen von kurz- und langzeitlichen Belastungen ab, die unter diesem Grenzwert auftreten könnten und noch mit Unsicherheiten behaftet sind.
In Europa wurde diese ICNIRP-Empfehlung zuerst in die auch in der Schweiz anzuwendende Europäische Produkte-Norm EN 50361:2002 übernommen, welche den Herstellern einerseits Vorgaben und andererseits eine Vermutungswirkung der Konformität dieser Handys gab. Mit der nachfolgend erschienenen Norm EN 62209-1 "Telefonieren mit dem Handy am Ohr" und EN 62209-2 "Tragen des Handys am Körper" wurden die Vorgaben betreffend Prüfung, Bewertung und Deklaration verbessert und insbesondere die Unklarheiten über den Messvorgang präzisiert. Dabei wurde der vorgegebene Abstand zum Ohr während des Messvorgangs von 15 bis 25 Millimeter reduziert und ab 2017 einheitlich auf 5 Millimeter festgelegt.
Der Bundesrat ist sich bewusst, dass im Produktesicherheitsbereich dieses Konzept des new and global approach gilt. Die Hersteller tragen eine sehr grosse Verantwortung, indem sie in erster Linie die Einhaltung der in der Produktenorm festgelegten Grenzwerte sicherstellen müssen.
3. Welche Hinweise aus der Forschung wurden von der BERENIS-Gruppe zur Problematik eingebracht? Wurde der im Beobachter-Artikel erwähnte Professor Niels Kuster (ETH Zürich) konsultiert, um klärende Hinweise zu den irreführenden SAR-Werten zu erhalten?
Die beratende Expertengruppe NIS (BERENIS) sichtet im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) die neu publizierten wissenschaftlichen Arbeiten zu den Auswirkungen von nichtionisierender Strahlung und wählt diejenigen zur detaillierten Bewertung aus, die aus ihrer Sicht für den Schutz des Menschen von Bedeutung sind oder sein könnten. Die Ergebnisse der Evaluation werden vierteljährlich in Form eines Newsletters auf der Website des BAFU publiziert. BERENIS hat indes kein Mandat, sich mit technischen Normen auseinanderzusetzen.
4. Professor Kuster hat in einer Forschungsarbeit dargelegt, dass die Grenzwertrichtlinien der Industrie nicht vor dauerhafter, schädigender Erhitzung von Körpergewebe schützen. Er empfiehlt, die unzulänglichen Grenzwerte dringend anzupassen, insbesondere im Hinblick auf 5G. Wie berücksichtigt der Bundesrat diese Empfehlung?
Siehe Antwort zu Frage 2.
5. Zukünftige Handys für 5G-Mobilfunk werden mit extrem kurzwelligen Frequenzen im Millimeterbereich arbeiten. Wie und wann gedenkt der Bundesrat die Öffentlichkeit darüber zu informieren?
Die zurzeit laufende Einführung von 5G erfolgt in Frequenzbereichen, wie sie bereits jetzt für den Mobilfunk und für WLAN verwendet werden. Längerfristig soll 5G auch in einem höheren Frequenzbereich zur Anwendung gelangen, man spricht hier auch von "Millimeterwellen". Bei der Einwirkung solcher Strahlung auf den Menschen bestehen aus wissenschaftlicher Sicht noch Unklarheiten und es besteht Forschungsbedarf. Ein Zeitplan, wann in der Schweiz Millimeterwellen zur Anwendung gelangen könnten, liegt noch nicht vor.
6. Wie fördert der Bundesrat die industrieunabhängige Risikoforschung betr. 5G-Mobilfunkstrahlung?[/b][/i][/color]
Siehe Antwort zu Frage 5.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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