Wir üben Desinformieren (17): Rascheln im Gebüsch (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 23.10.2025, 14:44 (vor 1 Tag, 15 Stunden, 34 Min.)

Rascheln im Gebüsch weckt Neugier. Das Gebüsch von Urs Raschle ist das Internet. Dort legt der Schweizer Baubiologe und Lebensenergetiker seine Klickköder aus, um mit Leuten ins Geschäft zu kommen, die von irrationalen Ängsten gegenüber elektromagnetischen Feldern geplagt werden. Und damit es ordentlich raschelt, reichert Urs die Ängste auch schon mal an mit dunklen Ahnungen einer Verschwörung von Staat und Mobilfunkindustrie zulasten unbescholtener Bürger. Das erschließt neben Mobilfunkgegnern auch Staatsverdrossene als Kunden.

Den Klickköder von Urs Raschle kann man hier bewundern, beworben wird er – wo sonst – im Gigaherz-Forum. Nicht auszuschließen ist, dass Raschle in dem Schweizer Forum von Zeit zu Zeit unter Pseudonym selber raschelt.

Eigentlich illegal

Das schicke Bild am Empfang des Klickköders zeigt einen Mobilfunkmast mit Antennen aus der beängstigend nahen Perspektive einer Privatwohnung. Aber: Das Bild ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein echtes Foto, sondern eine Fotomontage, die Raschle am 8. Oktober von ChatGPT hat anfertigen lassen. Darauf deutet der Dateiname des Bildes hin: Mobilfunkmast-dorf-ChatGPT-Image-8.-Okt.-2025-13_15_11_16-9.jpg.

Schauen wir uns jetzt den Vorspann an, mit dem Raschle seinen Klickköder ausgestattet hat:

Illegale Mobilfunkantennen in der Schweiz – wenn der Rechtsstaat wegschaut

Während Politik und Telekomunternehmen den Ausbau des 5G-Netzes als «notwendige Digitalisierung» feiern, wächst in der Bevölkerung das Unbehagen. Immer mehr Bürger stellen fest, dass neue Antennen auftauchen – oft ohne sichtbare Baupublikation, ohne Anhörung und teilweise an Standorten, wo eigentlich keine Bewilligung vorliegt.

Was früher eine klare Ausnahme war, scheint heute systematisch geworden zu sein: Mobilfunkanlagen werden in Betrieb genommen, bevor die rechtlichen Verfahren abgeschlossen oder überhaupt eröffnet sind.

Die Titelzeile spricht unmissverständlich Anhänger der Idee an, Mobilfunkindustrie und Staat steckten unter einer Decke. Das ist eine zulässige Meinungsäußerung, mehr nicht. Dann aber kommt ein ganzer Schwung von unbelegten Tatsachenbehauptungen, mit denen sich Raschle unverzüglich ins Reich der Sterndeuter begibt. Denn er kann nicht wissen, sondern nur vermuten, was er behauptet:

► Unbehagen der Bevölkerung am Ausbau des 5G-Netzes wächst
► Immer mehr Bürger stellten neue Antennen fest
► unsichtbare Baupublikationen
► Antennenbau ohne Anhörung
► Antennenbau an "eigentlich" unbewilligten Standorten

Beim letzten Punkt seiner Anschuldigungen hat es der Baubiologe selbst mit der Angst gekriegt und weicht mit dem Modaladverb "eigentlich" den soeben in der Titelzeile noch knallhart angekündigten illegalen Antennenbau auf diffuse Weise schon wieder auf. Was er unter einem eigentlich unbewilligten Standort versteht, erklärt Raschle im Text auch später nicht. Das lässt vermuten, dass er im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung anlässlich seiner Behauptungen vorsorglich geltend machen möchte, er hätte seine glasklare Tatsachenbehauptung in der Titelzeile eigentlich gar nicht so gemeint.

Sechs weiteren Behauptungen auf den Zahn gefühlt

Ist der Fließtext auf der besagten Seite gehaltvoller als der Vorspann? Um das herauszufinden habe ich ChatGPT angewiesen zu analysieren, welche Vorwürfe der Baubiologe dort äußert und ob er diese nur behauptet oder mit Quellen belegt. Die KI fand die folgenden sechs Vorwürfe:

► Betreiber nutzen "adaptive 5G-Antennen" als Schlupfloch, um leistungsstärkere oder gerichtete Sender in Betrieb zu nehmen, ohne neue Baugesuche einzureichen.
Raschle nennt hierzu einzelne Fälle und verweist auf juristische Einschätzungen sowie Gerichtsurteile (z.B. aus Kantonen und Bundesgericht), die tatsächlich ähnliche Fragen behandeln. Aber: Die beanstandete Praxis ist jahrelang rechtssicher gewesen, bis das Bundesgericht mit Urteil vom 23. April 2024 (1C_506/2023) Mobilfunknetzbetreibern auch bei Bagatelländerungen an bestehenden Funkmasten neue Baugesuche abverlangt.
Fazit: teil­weise belegt, aber die behauptete, systematische Praxis bleibt unbewiesen.

► Mess- und Prüfverfahren sind ungeeignet bzw. manipuliert, sodass Spitzenwerte und richtungsabhängige Emissionen verborgen bleiben.
Raschle bringt keine technischen Messdaten oder offizielle Prüfberichte, sondern schildert dies pauschal und mit eigenen Schlussfolgerungen.
Fazit: nicht belegt, reine Behauptung.

► Es liegen dokumentierte Rechtsverstöße und Gerichtsentscheidungen vor, wonach an manchen Standorten mehr Strahlung abgegeben wurde als bewilligt — trotzdem bleiben Anlagen in Betrieb.
→ Raschle verweist auf Gerichtsurteile, die teils öffentlich nachvollziehbar sind (z.B. Entscheidungen zu 5G-Umbauten ohne Bewilligung).
Aber: Die Behauptung von mehr Strahlung als bewilligt ist grenzwertig, da bei adaptiven Antennen die bewilligte Exposition gemäß NisV gemittelt über sechs Minuten einzuhalten ist. Womit kurzzeitig Expositionswerte über das bewilligte Maß hinaus zulässig sind, wenn diese Überschreitung innerhalb von sechs Minuten durch eine mindestens gleichwertige Unterschreitung der bewilligten Exposition egalisiert wird.
Fazit: teilweise belegt, jedoch ohne Nachweise für flächendeckende Verstöße.

► Behörden schauen weg bzw. schieben Verantwortung hin und her, weil politischer Druck auf den Netzausbau besteht.
Auch hier fehlen Belege; der Text stützt sich auf Interpretationen und Erfahrungsberichte, aber nicht auf Akten, Stellungnahmen oder amtliche Protokolle.
Fazit: nicht belegt, reine Mutmaßung.

► Medien und Politik verschweigen oder verharmlosen das Problem, um wirtschaftliche Interessen zu schützen.
Dafür liefert der Autor keinerlei Belege oder Pressestatistiken — es bleibt eine politische Wertung.
Fazit: nicht belegt.

► Gesundheitsschutz und Vorsorgeprinzip bleiben auf der Strecke, weil Systeme nicht überprüfbar seien.
Der Baubiologe argumentiert plausibel, verweist aber nicht auf neue medizinische Daten oder amtliche Bewertungen; seine Schlussfolgerung ist normativ, nicht empirisch.
Fazit: nicht belegt, eher Meinung als Nachweis.

Schlussfolgerung

Von Raschles sechs Hauptvorwürfen sind zwei zumindest teilweise belegt durch Gerichtsfälle oder Medienberichte. Die übrigen vier bleiben unbelegte Behauptungen, gestützt vor allem auf Interpretation, Empörung oder selektive Erwartungshaltung eines Baubiologen, dessen Geschäfte umso besser laufen, je mehr Eidgenossen sich vor Mobilfunkantennen gruseln. Von illegal errichteten Mobilfunkantennen kann keine Rede sein. Die Rechtslage zu Bagatelländerungen an bestehenden Mobilfunkanlagen hat sich erst durch das Bundesgerichtsurteil im April 2024 geändert und betrifft ausschließlich adaptive Antennen mit Korrekturfaktor. ChatGPT behauptet mit Bestimmtheit, in der Schweiz sind Urteile des Bundesgerichts nicht automatisch gesetzlich verbindlich für alle zukünftigen Fälle — die Gerichte müssen aber die Rechtsprechung berücksichtigen und dürften bei ähnlichen Fällen nicht ohne triftigen Grund abweichen (Quelle).

Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Wir üben Desinformieren (17): Rascheln im Gebüsch

Schutti2, Donnerstag, 23.10.2025, 15:31 (vor 1 Tag, 14 Stunden, 47 Min.) @ H. Lamarr

► Antennenbau an "eigentlich" unbewilligten Standorten

Beim letzten Punkt seiner Anschuldigungen hat es der Baubiologe selbst mit der Angst gekriegt und weicht mit dem Modaladverb "eigentlich" den soeben in der Titelzeile noch knallhart angekündigten illegalen Antennenbau auf diffuse Weise schon wieder auf. Was er unter einem eigentlich unbewilligten Standort versteht, erklärt Raschle im Text auch später nicht. Das lässt vermuten, dass er im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung anlässlich seiner Behauptungen vorsorglich geltend machen möchte, er hätte seine glasklare Tatsachenbehauptung in der Titelzeile eigentlich gar nicht so gemeint.

"Eigentlich" ist ein Wort, dass man eigentlich vermeiden sollte.
Zumindest vor Gericht und eigentlich auch immer dann, wenn man dessen eigentliche Bedeutung nicht kennt.

Wir üben Desinformieren (17): Rascheln im Gebüsch

H. Lamarr @, München, Freitag, 24.10.2025, 00:15 (vor 1 Tag, 6 Stunden, 2 Min.) @ H. Lamarr

Rascheln im Gebüsch weckt Neugier. Das Gebüsch von Urs Raschle ist das Internet. Dort legt der Schweizer Baubiologe und Lebensenergetiker seine Klickköder aus, um mit Leuten ins Geschäft zu kommen, die von irrationalen Ängsten gegenüber elektromagnetischen Feldern geplagt werden. Und damit es ordentlich raschelt, reichert Urs die Ängste auch schon mal an mit dunklen Ahnungen einer Verschwörung von Staat und Mobilfunkindustrie zulasten unbescholtener Bürger. Das erschließt neben Mobilfunkgegnern auch Staatsverdrossene als Kunden.

Kleider machen Leute, Klickköder machen Beute. Auf Schritt und Tritt begegnen uns deshalb im Internet Klickköder, manche sind so plump, dass sie sich leicht umgehen lassen, andere aber sind geschickt getarnt, zum Bleistift als bevorstehender Jahrhundert-Winter. Was dahintersteckt, tagesschau.de weiß es. Hier ein Auszug:

In fast jeder Saison erscheinen Meldungen, die für Deutschland länger anhaltende Extremwetterlagen prognostizieren. Im April war es der "Höllen-Sommer 2025", der vorhergesagt wurde. Jetzt ist es der "Jahrhundert-Winter", der Deutschland 2025/26 drohen soll. Doch lässt sich das Wetter so weit im Voraus überhaupt vorhersagen? Woher stammen die Spekulationen zum "Jahrhundert-Winter 2025/26" und welche Ziele verfolgen die Macher von Meldungen mit solchen Langfrist-Wetterprognosen?

Schockierende Wetter-News für möglichst viele Klicks

Was auffällt oder gar schockiert, wird geklickt. Das gilt auch für Wettervorhersagen. Private Wetterdienste und auch Journalisten haben das längst verstanden und nutzen daher Wettermodelle, aus denen sich Meldungen mit schockierenden Begriffen wie "Höllen-Sommer" oder "Jahrhundert-Winter" herleiten lassen. Klicks bringen schließlich Geld.

Bei diesem sogenannten Clickbaiting werde dann vielleicht "manche Sorgfaltspflicht etwas verworfen", sagt Lothar Bock vom Regionalen Klimabüro München des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Interview mit dem BR. "Wir als Behörde würden sowas natürlich nicht machen", fügt er hinzu. [...]

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